Gesundheitsreform

Primärversorgungszentren: Die Ordinationen der Zukunft

Im Gesundheitssystem knirscht es, Spitäler und Arztpraxen sind überfüllt. Die Politik setzt auf Primärversorgungszentren. Was das Wundermittel kann und wo es sich als Placebo entpuppt.

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Wer das zweitgrößte Krankenhaus von Wien verlässt, steht der Zukunft der Gesundheitsversorgung gegenüber: Zwischen der Klinik Donaustadt, ehemals Donauspital, und dem Primärversorgungszentrum (PVZ) Donaustadt liegt nur ein Zebrastreifen. Das rot-weiße Gebäude hat eine Apotheke im Erdgeschoß und drei Stockwerke voller medizinischer Versorgung darüber. Das eigentliche Primärversorgungszentrum befindet sich im Dachgeschoss und sieht auf den ersten Blick aus wie jede größere Hausarztpraxis: weiße Wände, dichter Warteraum, kleine Behandlungszimmer.

Der Unterschied liegt in der Menge. Unter den Dachschrägen wechseln sich sechs Ärztinnen und Ärzte mit der Betreuung von täglich rund 400 Patientinnen und Patienten ab. Mehr als 60 Stunden hat die Ordination jede Woche geöffnet: Von Montag bis Freitag mindestens elf Stunden am Tag und am Samstagvormittag. Dazu gibt es Krankenpflege, eine Psychologin, eine Diätologin und eine Sozialarbeiterin. „One Stop Care“ nennt das Regina Ewald, Allgemeinmedizinerin und Leiterin des Primärversorgungszentrums.

Geht es nach Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), sollen sich künftig mehr Patientinnen und Patienten in Primärversorgungszentren behandeln lassen und die Spitäler so entlasten. 2025 soll sich die Zahl der Primärversorgungseinheiten (PVE), zu denen Primärversorgungszentren zählen, von aktuell österreichweit 50 auf 120 mehr als verdoppeln. 

ÖGK-Obmann Andreas Huss

ist sich sicher: In zehn Jahren wird das Primärversorgungszentrum die Regel sein.

Die Ärztekammer fürchtet, dass große Gesundheitszentren die klassischen Einzelordinationen verdrängen könnten – zu Recht, sagt der Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss: „Deshalb laden wir Hausärzte ein, ein Primärversorgungszentrum zu gründen oder dort mitzuarbeiten. Wenn sie das nicht tun, kann es zu einer Konkurrenzsituation kommen.“ Huss ist sicher: „In zehn Jahren wird das Primärversorgungszentrum die Regel sein. Die Einzelarztpraxis wird es in ländlichen Gegenden geben müssen. Aber in Ballungsräumen werden Primärversorgungs- und Ärztezentren das Mittel der Wahl sein.“

Doch wirkt das neue Wundermittel auch?

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.