Pro und Contra: Sollen Corona-Tests weiterhin gratis sein?

Was für gratis Corona-Tests spricht - und was dagegen. Eine Debatte zwischen Testweltmeister und Angst-Testerei.

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Ein Ende der Gratis-Corona-Tests hat am Sonntag Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gefordert, auch der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner kann sich das vorstellen. Am Montag äußerte sich auch Karl Nehammer: Der Bundeskanzler kann sich ein Ende der Gratis-Test vorstellen. Die Stadt Wien will an den hingegen Gratis-Test festhalten. Am Mittwoch gibt es einen weiteren Corona-Gipfel zwischen Bund und Ländern, wo auch über die Teststrategie beraten wird. profil hat sich im Vorfeld die Argumente dafür und dagegen angeschaut. 

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Pro: Testweltmeister - und stolz drauf!

Wenigstens beim Testen ist Österreich erfolgreich. Zerstören wir das Erfolgsmodell nicht leichtfertig vor dem Ziel.

Erinnern Sie sich an die Stopp-Corona-App? Kosten des Handy-Flops: 130 Millionen Euro. Erinnern Sie sich an die Losung des früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz: "Koste es, was es wolle."? Von den Corona-Hilfen in Höhe von 43 Milliarden Euro profitierten auch Konzerne ohne ökonomische Sorgen im großen Stil. Erinnern Sie sich an die Impflotterie? Eine Milliarde Euro sollte ans Volk verschenkt werden, damit sich Ungeimpfte impfen lassen (was sie laut Impfpflicht sowieso müssten).

Diese unvollständige Aufzählung soll verdeutlichen: In der Pandemie lief verdammt viel schief, und dafür wird verdammt viel Steuergeld ausgegeben. Und nun soll ausgerechnet dort gespart werden, wo der ganze Stolz der Pandemiebekämpfung zu Hause war: beim Testen.

Bereits 2021 blickte Deutschland neidvoll auf die flächendeckenden Antigen-Tests in heimischen Schulen. Die "Bild"-Zeitung titelte: "So haben die Ösis uns zu Dösis gemacht." Nun heißt es voller Ehrfurcht in deutschen Gazetten: "Wien führt mehr PCR-Tests durch als ganz Deutschland", illustriert mit Bildern von Menschenschlangen vor deutschen Teststationen, während im Wiener Wohnzimmer entspannt gegurgelt wird.

Ja, der Status des "Test-Weltmeisters" ist teuer erkauft. Rund 2,5 Milliarden Euro kosteten die Gratistests bisher. Aber das Angebot ist den Bürgerinnen und Bürgern lieb und teuer geworden, weil es Sicherheit gibt und die viel beschworene Eigenverantwortung ermöglicht. "Mildereres" Omikron hin oder her, auch eine Grippe kann geschwächte Personen ausknocken. Nach der Party am Wochenende zu den Großeltern? Lieber getestet. Treffen mit Freunden? Entspannt nur mit Test. Business-Meeting? Niemand will Superspreader sein.

Am Höhepunkt der Omikronwelle wird derzeit so viel PCR-getestet wie nie zuvor. Allein in Wien zwischen 350.000 und 500.000 Mal pro Tag. Diese Zahl übersteigt bei Weitem die Zahl der Ungeimpften, die sich für die Arbeit oder fürs Einkaufen testen lassen müssen. Auch Geimpfte testen wie Weltmeister. Ein Ende der Gratistests käme für sie einer Sicherheitssteuer gleich. Es ist natürlich absurd, wenn sich Ungeimpfte auf Steuerzahlerkosten gratis testen lassen, ums ins Beisl oder zum Friseur zu gehen. Tests nur für sie kostenpflichtig zu machen, könnte vom Aufwand her aber mehr kosten als bringen. Außerdem gibt es eine Impfpflicht. Würde man sie streng exekutieren, gäbe es bald auch keine Ungeimpften mehr, und das Testdilemma wäre gelöst.

Omikron ist milder und rauscht durch, so schnell können wir gar nicht testen, argumentieren Gratis-Testgegner wie Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer. Oberösterreich ist Impfschlusslicht mit vergleichsweise schlechter Testinfrastruktur. Und nun sollen Testvorreiter wie Wien auf das Niveau von Oberösterreich absinken? Klar ist es eine Schieflage, wenn 70 Prozent der Tests in der Bundeshauptstadt durchgeführt werden und Bund und alle Steuerzahler dafür berappen. Aber man kann Wien schlecht vorwerfen, die Vorgabe zweier Gesundheitsminister - Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein - ernst genommen zu haben: "Testen, testen, testen." Im Megalabor auf der Baumgartner Höhe werten 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tests zu niedrigen Stückkosten von sechs Euro pro Test aus. Von dieser Leistung profitieren nun auch andere Bundesländer.

Wie entwickelt sich der neue Omikron-Subtyp BA.2.? Welche neuen Varianten erwarten uns bis zum Herbst? Mit den Gratistests behalten wir das Infektionsgeschehen im Blick. Wenn die Omikronwelle bald verebbt, wird automatisch weniger getestet, und es sinken die Kosten massiv. Ab Herbst und Winter wird es wieder spannend. Ist die Pandemie dann wirklich vorbei und "Corona" zu einer zweiten "Influenza" mutiert? Bis wir Gewissheit haben, sollte sich jede Bürgerin und jeder Bürger weiterhin gratis und zeitnah testen dürfen. Maßnahmen abzuschaffen, ist leicht. Sie wieder einzuführen, allerdings schwer. Und im Vergleich zu einer Impflotterie, die einfach so aus dem Hut gezaubert wurde, betragen die künftigen Testkosten nur noch einen Bruchteil. Jede Wette.


Contra: Schluss mit der Angst-Testerei

Omikron rauscht durch. Sich und andere durch Gratistests schützen zu müssen, ist eine - viel zu teure - Illusion geworden.

"Es ist Zeit, das Leben wieder zu beginnen." Der französische Verhaltenspsychologe und Datenanalyst Tomas Pueyo war einer der Ersten, die vor dem Coronavirus warnten. Durch die mildere Omikron-Variante sieht er nun das Ende der Pandemie gekommen. Der Rückkehr ins normale Leben stünde eine Phobie namens PCSD entgegen - "Post-Covid Stress Disorder". Mit diesem erfundenen Begriff umschreibt Pueyo die Schwierigkeit, sich in Gesellschaft wieder zu entspannen, Hände zu schütteln, sich zu umarmen, abzubusseln, ohne Bauchweh in einem engen Raum zu tratschen.

Als Reaktion auf die diffuse Bedrohungslage durch Corona strickten sich manche ein möglichst engmaschiges Sicherheitsnetz. Und dazu gehörte in Österreich auch das Dauertesten - ermutigt durch eine Regierung, die ihre Bürger regelrecht zum Nasenstierlen und Gurgeln erzog. Wien nahm den Aufruf besonders ernst und testet täglich mehr als ganz Deutschland zusammen. Gurgeln ist hip in der Hauptstadt. Nur ohne nennenswerten Effekt. Denn ganz Österreich verzeichnet pro Tag zwar zehn Mal so viele Tests wie Deutschland, hat aber bezogen auf die Bevölkerung ähnliche Infektionszahlen, Hospitalisierungsraten und Todesfälle.

Zeit also, Menschen mit erhöhtem Sicherheitsbedürfnis sanft von der Testabhängigkeit zu entwöhnen - durch ein Ende der Gratistests. Die sind nämlich nicht gratis, sondern kosteten die Steuerzahlenden bisher 2,5 Milliarden Euro. Wer weiter auf Nummer sicher gehen will, leistet sich einen Test. Das ist nach der langen Gratisphase zumutbar.

Positiver Nebeneffekt kostenpflichtiger Tests: Ungeimpfte müssen für ihr unsolidarisches Verhalten tatsächlich zahlen, in Form von Tests, die sie für den Zutritt zum Arbeitsplatz, ins Geschäft, Theater und Restaurant benötigen. Sie waren es, die uns den Dezember-Lockdown samt Milliardenkosten für die Wirtschaft eingebrockt haben, während andere Länder mit viel höherer Impfquote die Welle durchtauchten. Kostenpflichtige Tests als Strafsteuer, das wäre auch wegen der Spitalskosten in den Covid-Intensivstationen nur fair, die vorwiegend Ungeimpfte verursachten.

Besonders Wien erkannte die Vorteile der Gratiskultur früh und vergoldete seinen Wirtschaftsstandort mit einem Mega-PCR-Labor auf der Baumgartner Höhe samt 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch zahlreiche Apotheken witterten die Chance aufs große Geschäft und schieben Testsonderschichten bis spätabends. Pro "Gratis"-Test refundiert der Bund den Apotheken und Partner-Labors 25 Euro aus dem Steuertopf. Nach Abzug der Kosten bleibt ein schönes Sümmchen. Höchste Zeit, auch sie langsam von der lukrativen Testdroge zu entwöhnen.

Man kann es weder Wien, den Apotheken noch den "Heavy-Usern" von Gratistests vorwerfen - sie alle sind den Appellen der Regierung zum Dauertesten gefolgt. Nur lautete die Strategie damals: Infizierte erkennen, Kontakte nachverfolgen, Infektionsketten durchschlagen. In Zeiten von Omikron ist Contact Tracing längst Illusion. Das Dauertesten verkommt zum Vollkasko-Service, das es in keinem anderen Land gibt, dafür aber Testtouristen aus Deutschland anlockt, die sich neben der günstigen Tankfüllung nun auch ihren Gratis-PCR-Test holen und sich so 58 Euro ersparen.

Das Virus rauscht durch. Mit rund 30.000 Neuinfektionen pro Tag verbreitet es sich viel rascher, als Labore und Contact Tracer nachkommen. Und das ist laut führenden Epidemiologen wie dem Deutschen Christian Drosten auch okay so. Er glaubt, dass sich alle früher oder später anstecken müssen, damit die Pandemie endet und in eine Endemie, also eine saisonale Infektionskrankheit wie die Grippe, übergeht. Schützen wir die Alten, die Schwachen, die Kranken weiterhin, so gut es geht - mit Gratistests im Pflegeheim und Spital. Und machen wir uns außerhalb dieser sensiblen Zonen bereit, "auf den Zug aufzuspringen", wie Drosten meint. Natürlich gut geboostert. Sonst bleiben wir nur im Angsttunnel stecken. Testen wir lieber wieder aus, wie sich Umarmungen guter Freunde anfühlen.
 

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.