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Eine Drohung Richtung ÖVP?

Rudolf Anschobers Rücktritt erinnert daran, was in der Koalition mit den Türkisen schief läuft. Die Ankündigung des Grünen, einen politischen Roman schreiben zu wollen, klingt wie eine Drohung Richtung ÖVP.

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Jetzt ist es also soweit. Nach 15 Monaten im Amt, einigen gravierenden Fehlern (Clemens Neuholds Analyse dazu sehen Sie hier) und dem zunehmend angespannten Verhältnis mit dem Koalitionspartner ÖVP hat Rudolf Anschober gestern angekündigt, als Gesundheitsminister zurückzutreten.

Bei der Pressekonferenz sprach der 60-Jährige, sichtlich um Fassung bemüht, von den Belastungen und davon, „ausgepowert“ zu sein, von seinen Kreislaufproblemen, von Morddrohungen gegen ihn und davon, dass er sich in der dritten Welle oft alleingelassen fühlte.

Damit ist wohl der Koalitionspartner gemeint. Immerhin dankte Anschober neben der grünen Regierungsmannschaft auch dem Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig. Die Türkisen erwähnte er aber mit keinem Wort. Das lässt tief blicken, schreibt Christian Rainer in seinem Kommentar zum Rücktritt des Gesundheitsministers.

Fouls und Gerüchte

Tatsächlich schienen Grüne und Türkise in der Bekämpfung der Pandemie zuletzt nicht gerade an einem Strang zu ziehen.

So schob Kanzler Sebastian Kurz die Schuld am Debakel mit der Impfstoff-Beschaffung auf das Gesundheitsministerium. Der Spitzenbeamte Clemens Martin Auer musste gehen, als Anschober im März nach einem Kreislaufkollaps einige Tage im Spital verbrachte. Gleichzeitig erzählten die Türkisen dem Boulevard freimündig, der Gesundheitsminister hebe sein Handy nicht mehr ab – ein grobes Foul, das Gerüchte über Anschobers Gesundheit und einen möglichen Rücktritt weiter anheizte.

In der Pandemie war Anschober, dessen Beliebtheitswerte mitunter sogar jene des Kanzlers übertrafen, so etwas wie das Gegengewicht zu Kurz. Er wägte ab, erklärte und bat um Verständnis, während Kurz häufig schwieg, wenn es eng wurde – und Fehler auf den Koalitionspartner schob.

Als Gesundheitsminister war Anschober eigentlich in einer mächtigen Position. Doch in der Corona-Krise musste er immer öfter als Prügelknabe hinhalten.

Amtszeit als Inspiration für Polit-Thriller

Mit dem Anschaffen hat er sich schwergetan. profil-Journalistin Edith Meinhart bezeichnete den Oberösterreicher in einem Porträt als „Meister der Beharrung“. Man könnte ihn auch den ewig Nachgiebigen nennen. Auf den Tisch gehaut hat Anschober in der Pandemie nie. Seine Beharrlichkeit, der Wille zum Dialog, waren mitunter fast schmerzhaft anzusehen. Zuletzt kämpfte er erfolglos gegen weitere Öffnungsschritte. Die Entscheidung darüber blieb, wie auch die Planung der Impfkampagnen, bei den Landeshauptleuten.

Als Nachfolger Anschobers soll am Montag der Allgemeinmediziner Wolfgang Mückstein angelobt werden. Der 46-Jährige hat schon angekündigt, wenn nötig „unpopuläre Entscheidungen“ zu treffen. Es wird sich zeigen, ob er sich damit beim Koalitionspartner durchsetzt.

Rudolf Anschober möchte seine Zeit nun anderem widmen. Bei der Pressekonferenz hat er angekündigt, einen politischen Roman schreiben zu wollen. In den vergangenen Wochen und Monaten habe er dafür „die ein oder andere Inspirationsquelle“ gefunden, so Anschober bei der Pressekonferenz.

Vielleicht wird es ja ein Polit-Thriller, in dem der Grüne auch den Machtkampf mit den Türkisen aufarbeitet.

Wir holen schonmal das Popcorn.

Siobhán Geets

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Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.