profil-Morgenpost: Fürchten Sie das Stockacher Narrengericht?
Der Nikolaus zählt als alter Mann eindeutig zur Corona-Risikogruppe. Trotzdem wird er auch heuer kommen. Kleine Kinder sind eh nicht uransteckend. Für den Nikolaus gelten die Ausgangsbeschränkungen der Covid-19-Notmaßnahmenverordnung nicht.
Bekanntlich darf man im Lockdown nur „einzelne wichtige Bezugspersonen“ treffen. Beim Nikolaus wäre das der Krampus. Der Krampus wird im Gegensatz zum Nikolaus in den rechtlichen Begründungen zur Covid-19-Notmaßnahmenverordnung nicht erwähnt. Wahrscheinlich ist er mitgemeint. Wäre der Krampus weiblich, würden Feministinnen mit Sicherheit… - an dieser Stelle seiner Glosse wagt es Ihr Morgenpostler nicht weiterzuschreiben. Es ist Advent, die stillste Zeit im Jahr. Diesen Frieden wollen wir gerade heuer nicht gefährden. Wobei: Vor einigen Jahren wagten es tatsächlich nur verwegene Kerle, politische Korrektheiten und deren ProtagonistInnen zu verspotten. Heute sind Kleinkunst-Witze über Feminismus, Gutmenschen, Gendergerechtigkeit, Linke und Binnen-I eigentlich schon Mainstream.
Sogar die deutsche Verteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer machte sich 2019 in einer Fastnachtsrede beim Stockacher Narrengericht über Intersexuelle auf Toiletten lustig. Für einen Stand-up-Comedian wäre es bald wieder ein Alleinstellungsmerkmal, ein Programm allein mit Gags über Rechte zu bestreiten. Derzeit mach das nur noch Lukas Resetarits.
In der Krise sind Satiriker wichtige Frustableiter. Der mehrfache Staatsmeister in dieser Disziplin schreibt im profil: Rainer Nikowitz, Erfinder der lesbaren Doppelconférence. Witze über Donald Trump werden 2021 maximal noch beim Stockacher Narrengericht ziehen. Unterhaltsamer ist ohnehin der profil-Podcast „Supertuesday“ zur US-Wahl. In der 50. Ausgabe sagen die profil-Außenpolitikchefs Robert Treichler und Martin Staudinger Goodbye.
An dieser Stelle seiner Glosse fällt Ihrem Morgenpostler der Übergang dramaturgisch leicht, emotional aber umso schwerer. Denn Goodbye sagen wir auch unserem Kollegen Martin Staudinger (Foto oben), der profil mit Jahresende verlässt. Er ist einer unserer Besten. Im Vorjahr erhielt er als erster Österreicher den Herbert-Riehl-Heyse-Preis, den sich ansonsten Kollegen von „Spiegel“, „Zeit“, „SZ“ und „FAZ“ untereinander ausmachen. Ausgezeichnet wurde Staudingers Text „In vier Schritten zur Alleinherrschaft“ Ach ja: Die profil-Morgenpost hat er auch erfunden.
Halten Sie Abstand zum Nikolaus!
Gernot Bauer
P.S. Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie sich von einem Newsletter auf jeden Fall erwarten? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.