Die mündliche Matura: Ein Albtraum?
In regelmäßigen Abständen wache ich schweißgebadet auf, muss tief durchatmen und mir selbst laut vorsagen: „Es ist vorbei, nichts und niemand kann sie dir je wieder nehmen.“ Die mündliche Matura, mag sie bei mir auch schon ein paar Jahre zurückliegen, schafft es nicht selten, Gegenstand meiner bittersten Träume zu werden. Das Horrorszenario, das mich aus dem Schlaf reißt: Die Reifeprüfung wird mir aus unerfindlichen Gründen aberkannt und ich muss nochmals antreten. Vor versammelter Maturakommission kann ich meinem Chemielehrer schließlich nicht plausibel erklären, wie eine Ionenbindung funktioniert und rassle durch die Prüfung.
Die große Chance?
Während mir die mündliche Matura weiterhin Albträume irrationalen Ausmaßes beschert, sieht ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm die Prüfung hingegen als „riesengroße Chance“, wie sie im „ZIB 2“ Interview erklärt. Sie spricht sich für eine verpflichtende mündliche Reifeprüfung 2022 aus, gleich wie von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) angekündigt. Genau um diese Frage ist jedoch ein ziemlicher Streit entbrannt, bei der sich auch ÖVP und Grüne nicht ganz einig scheinen.
Bei der von der Coronapandemie schwer geplagten Jugend stößt die Wiedereinführung der verpflichtenden mündlichen Matura freilich auf Widerstand. Schon letzte Woche machten Schülerinnen und Schüler dagegen mobil. Für heute hat die SPÖ-nahe „Aktion kritischer Schüler_innen“ (AKS) einen Großstreik in ganz Österreich angekündigt. Schließlich habe der Abschlussjahrgang 2022 am längsten unter der Pandemie gelitten, war am öftesten im Homeschooling und habe damit sogar noch dringender als in den Vorjahren eine Sonderregelung verdient – in Form einer freiwilligen mündlichen Reifeprüfung auch im dritten Corona-Frühsommer.
Einen Punkt, den Österreichs Jugendstaatssekretärin nicht nachvollziehen kann: Das Comeback der verpflichtenden mündlichen Matura verteidigt Claudia Plakolm als „Schritt zurück in die Normalität“, jungen Menschen solle man „wieder etwas zutrauen“. Alles über Plakolm, das neue Gesicht im ÖVP-Regierungsteam, lesen Sie, so viel sei bereits verraten, im kommenden profil.
Um sich die Zeit bis dahin sinnvoll zu vertreiben, möchte ich Ihnen noch unbedingt unsere aktuelle Titelgeschichte ans Herz legen. Mein Kollege Sebastian Hofer geht dem Reiz des Skifahrens, seiner Bedeutung hierzulande und der Zukunft der Skination Österreich eindrucksvoll nach. Aus eigener Erfahrung sei gesagt: Nach einem Tag auf der Piste steigen die Chancen, eher von Tiefschnee, Schlepplift und Germknödel (mit Vanillesoße!) zu träumen, als von einer nichtbestandenen Prüfung.
Einen schönen Mittwoch,
Katharina Zwins
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