profil-Morgenpost: Europäische Asylpolitik in Flammen
Nun ist es also geschehen. Ein menschenunwürdiger Zustand geht in Flammen auf. Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch abgebrannt. Verkohlte Zelte, Decken und Container. Viel besaßen die Menschen nicht, auch wenn viele von ihnen Monate, wenn nicht Jahre dort ausharren mussten. 15.000 Menschen lagern jetzt im Freien. Vollkommen ungeschützt. Im vergangenen Jahr protestierten Einheimische gegen das Flüchtlingslager, das sich mit immer mehr Menschen auf umliegende Hügel und Haine ausbreitete. Internationale Hilfsorganisationen schrien um Hilfe. Europaabgeordnete, Politiker, Rotes Kreuz, Ärzte ohne Grenzen machten auf die beschämende Situation im Süden Europas aufmerksam. Es geschah wenig. Griechenland wurde allein gelassen. Mit Moria steht jetzt auch die europäische Flüchtlingspolitik in Flammen.
Shiobán Geets und Martin Staudinger haben sich im aktuellen profil mit dem Thema Flucht und Migration als „Dauerausnahmezustand“ auseinandergesetzt, mit landläufigen, aber falschen Annahmen: etwa, dass es die Ärmsten der Armen sind, die sich auf den Weg machen, dass vor allem junge Männer flüchten, oder die ganze Welt vor den Toren Europas steht. Über die europäische Flüchtlingspolitik sagen sie: „Es gibt sie nicht“. Nach Berichten der „New York Times“ führe Griechenland mittlerweile illegale „pushbacks“ durch, weil sich das Land nicht mehr in der Lage sieht, mit einer immer größer werdenden Anzahl an Hilfesuchenden umzugehen. Demnach würden Flüchtlinge auf unbewohnten Inseln ausgesetzt und auf Booten ohne Motor ihrem Schicksal überlassen. Das klingt archaisch, wie aus dem Mittelalter, geschieht aber heute, in Europa. Demnächst werde die EU-Kommission, so Geets und Staudinger, ihren neuen Plan zu Migrations- und Ayslrecht vorlegen. Vielleicht schneller als geplant. Es brennt.
Oscar Bronner war 27 Jahre alt, als er 1970 das unabhängige Nachrichtenmagazin „profil“ gründete. Der ersten Ausgabe lag eine Präambel bei, wonach profil „unabhängig, überparteilich, aber nicht neutralistisch“ agieren werde. Recherchieren, sich von Recherche leiten lassen, auch wenn es Freunde und Bekannte betraf, - Bronner hat selbst erleben müssen, dass darüber auch Freundschaften zerbrachen. Im Interview mit Eva Linsinger und Wolfgang Paterno sagt Bronner, der 1988 den „Standard“ gegründet hat: „Ich entfremdete mich nicht nur einmal Menschen, die ich für Freunde gehalten hatte, weil sie als selbstverständlich annahmen, dass profil nichts Negatives über sie schreiben darf. Als würde ich als profil-Herausgeber eine Liste mit Namen aufliegen haben, wer verschont bleiben müsse. Diese Freundschaften ließen sich übrigens verschmerzen.“
Christa Zöchling
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