profil-Morgenpost: Foschingtog im Juli
Breaking News gestern: Oberösterreich ab morgen wieder mit Maskenpflicht.
Diese Nachricht könnten wir schnell als Verdachtsfall qualifizieren: In weiten Teilen Oberösterreichs werden ohnehin jahrein, jahraus Masken getragen. Foschingtog – für nur der Hochsprache mächtige: die Faschingtage – sind mehr ein Gemütszustand, als sie den kalendergemäßen Karneval, die Vorfastenzeit nach dem 11. November jeden Jahres beschreiben.
Andererseits lässt sich die Präzision dieser Verallgemeinerung dann doch wieder in Frage stellen, sogar falsifizieren. Schließlich beginnt das oberösterreichweit, nein in ganz Oberösterreich, nein, was sage ich denn: global bekannteste Faschinggstanzl so: „Foschingtog, Foschingtog kemts na boi wieda, won ma koa göd ned hom schean ma die nieda.” Wenn also die Urheber dieses Satzes postulieren, dass die Faschingszeit bald wieder kommen werde, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Faschingszeit eben kein permanenter Zustand ist, davon abgeleitet, dass die Maskenpflicht nur zu bestimmten Zeiten gilt.
Überdies, die Maskenpflicht weiter relativierend: Nur im inneren Salzkammergut südlich des Löwendenkmals am Westufer des Traunsees wird das Foschingtog-Brauchtum so gepflogen, dass es diesen Namen auch verdient. (Disclosure als journalistische Hygienemaßnahme: Der Autor dieser Zeilen kommt natürlich exakt aus jener Gegend und ist äußerst voreingenommen, wenn es um lokale Ausbrüche von bedeutungsschwerem Provinzialismus geht.)
Wer genaueres über Foschingtog wissen will kann hier nachlesen. Und er/sie wird überrascht sein, dass es Wikipedia auch in Mundart gibt (beziehungsweise fassungslos auf eine Sprache stoßen, die in ihrer Verständlichkeit jenseits der finno-ugrischen Sprachfamilie angesiedelt ist). Dieser Link ist wiederum eine Unterseite von wikipedia.org/Hoamseitn: Wikpedia auf bayrisch-österreichisch. Oder nach Selbstdefinition: „Des is de Wikipedia in Boarischa Sproch (Austro-Bavarian language, Austro-Bairische Sprache) und in de boarischn Dialekt in Bayern (Bayerisch), Östareich (Östareichisch), Südtirol usw.”
Sollten Sie in den nächsten Tagen und Wochen irrtümlich in Oberösterreich urlauben, weil Sie die Seen und Berge für anziehend gehalten und die örtliche Virusvirulenz unterschätzt haben, empfehle ich Ihnen als Alternative zu den nun wieder maskenpflichtigen Wirtshäusern, ein paar Stunden auf jenem Dialekt-Wikipedia zu verbringen. Alternativ dazu rate ich zur kommenden Ausgabe von profil, damit Sie wissen, wo Sie jetzt auch sein könnten (oder nicht sein wollen – etwa in Attnang-Puchheim) – ab Sonntag auf Papier und ab Samstag 17.00 Uhr als E-Paper.
Ihr Christian Rainer
Herausgeber und Chefredakteur