Richterin Shalima im Gespräch mit profil-Redakteurin Christa Zöchling
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Fünf Tage noch - höchstens

Das Zeitfenster für eine Flucht aus Afghanistan schließt sich.

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Fünf Tage – so groß ist das Zeitfenster, in dem Menschen noch aus Kabul ausgeflogen werden können. Ab kommenden Mittwoch, dem 1. September, wird es keinen einzigen amerikanischen Helikopter mehr geben, der besonders gefährdete Menschen aus der Stadt heraus und zum Flughafen bringt. Es werden keine Spezialeinheiten mehr da sein, die versuchen, auf Zugangswegen zum Flughafen Geleit und Feuerschutz zu geben. Es werden nur die Kontrollposten der Taliban dastehen und sie werden keinen einzigen ihrer Landsleute mehr durchlassen - keine Richterinnen, keine Journalistinnen, keine Frauenrechtsaktivistinnen, keinen der bisherigen Beamten und Helfer des Westens beiderlei Geschlechts. Auch für die Richterin, die sich - wie im vergangenen profil beschrieben - mit ihren Schwestern, ihrer Mutter und ihrem halbblinden Bruder in einem Keller versteckt hält und voll Todesangst den nächsten Tag erwartet, geht das Zeitfenster zu.

Ich habe unzählige Anrufe, Nachrichten und Mails bekommen von Menschen, die da nicht zuschauen wollen. Entsetzen und Ungeduld. Man will helfen, was kann man tun? Ich weiß es auch nicht. Es haben sich österreichische Regierungsmitglieder bzw. deren Mitarbeiter bei mir gemeldet. Justizministerium, Vizekanzleramt, Außenamt. Selbst das Bundeskanzleramt, das nach außen hin die harte Nummer gibt - keine afghanischen Flüchtlinge aufnehmen - setzt sich im konkreten Fall doch ein, will Menschenleben retten. Allerdings hat Wien in diesem Fall nicht viel zu sagen. Österreich verfügt in Kabul über keine Spezialkräfte, die eine Frau in einer Geheimaktion zum Flughafen lotsen könnten.

„Die Richterin ist auf der Liste

Die Frauenrechtsaktivistin Alice Schwarzer hat, von profil auf den Fall aufmerksam gemacht, innerhalb kürzester Zeit die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer alarmiert. Man möge die Richterin auf die Liste der zu Rettenden setzen. Der Schriftsteller Joachim Lottmann hat CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet persönlich gebeten, sich einzuschalten. Dienstag spätnachts eine Nachricht von Laschets Mitarbeiterin: „Die Richterin ist auf der Liste.“ Doch die Lage sei schwierig, die Zeit knapp. Man brauche auch Glück. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigt ein Ende der Luftbrücke  „in einigen Tagen“ an.

Die Zustände um den Flughafen in Kabul sind selbst in diesen Tagen, an denen westliche Sicherheitskräfte noch vor Ort sind, chaotisch und lebensgefährlich. Zwei junge Burschen aus Österreich, die am 24. Juli 2021, als sich die Katastrophe schon anbahnte, gegen alle Warnungen ihre alte Heimat besuchten, erzählen im kommenden profil von ihrer Flucht aus Kabul, einer gefährlichen Odyssee.  

Von einem Existenzkampf ganz anderer Natur erzählt die Schriftstellerin Eva Menasse. (Die in ganz jungen Jahren zu unserer Redaktion gehörte - das muss erwähnt werden, denn darauf sind wir maßlos stolz.) Kulturredakteur Stefan Grissemann hat mit ihr über ihren neuen Roman „Dunkelblum“ gesprochen, der sich „obwohl freihändig fiktionalisierend, mit einem Schreckensbild österreichischer NS-Geschichte auseinandersetzt: mit der Hinrichtung von 200 ungarischen Juden im burgenländischen Rechnitz im März 1945.Eva Menasse sagt in diesem Gespräch kluge Dinge über die Katastrophen der Menschheit und ihre Freude am Denken, Fabulieren und Schreiben.

Lesen Sie. Das hilft. Auch angesichts trauriger Bilder am Fernsehschirm. 

Ihre Christa Zöchling

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Christa   Zöchling

Christa Zöchling

war bis 2023 in der profil-Innenpolitik