Impfen unter der Pummerin
Guten Morgen!
Bald soll im Wiener Stephansdom nicht nur gebetet und gebeichtet, sondern auch gestochen werden – und zwar mit Injektionsnadeln. Im „Steffl“ wird eine eigene Corona-Impfstation eingerichtet. Heute findet die Eröffnung statt, morgen startet der Betrieb. Jeweils Donnerstag bis Sonntag zwischen 10 und 21 Uhr steht der Dom dann nicht nur Gläubigen, sondern auch Impfwilligen zur Verfügung. Für die erhoffte Immunisierung sorgt ein Team aus Maltesern und Johannitern in der Barbarakapelle im Erdgeschoss des Nordturms – das ist der Turm mit der Pummerin, feierlicher geht es in Österreich eigentlich gar nicht.
Die Aktion im Stephansdom, die nicht nur den Segen der Kirchenführung, sondern auch jenen der Wiener Stadtregierung genießt, ist ein weiterer Versuch, Menschen zu erreichen, die sich bisher zu keiner Covid-Impfung durchringen konnten. Die Liste der - mal mehr mal weniger originellen - Aufrufe und Aktionen ist mittlerweile lang und reicht vom Villacher „Sommerspritzer“ bis zur Impfbox beim Filmfestival am Wiener Rathausplatz.
Bratwurst oder Pflicht?
Während es hierzulande in erster Linie um den Abbau organisatorischer und mentaler Hürden geht (zum Beispiel keine komplizierte Anmeldung bei gleichzeitiger Vorab-Bekanntgabe des Impfstoffs), ist man anderswo längst einen großen Schritt weiter: Positive Anreize sollen die impfmüden Teile der Bevölkerung munter machen. In einigen US-Bundesstaaten versuchte man es in den vergangenen Monaten etwa mit Lotterien, bei denen mitunter Millionengewinne winkten. In manchen Ländern erhalten Geimpfte Geld, in anderen Sachleistungen. Tschechien überlegt, Staatsbedienstete mit zusätzlichen Urlaubstagen zu motivieren. In Thüringen experimentierte man zuletzt mit Gratis-Bratwurst – und das durchaus mit gewissem Erfolg, wie ein Faktencheck der Rechercheplattform „Correctiv“ zeigt.
Fruchtet das alles nicht, geht die Debatte längst in Richtung negativer Anreize (keine kostenlosen Corona-Tests mehr) und teilweiser Impfpflicht (etwa in Gesundheitsberufen). Während die Infektionszahlen wieder steigen, bereitet die Regierung jedenfalls den nächsten Schritt vor: eine Auffrischungsimpfung, damit jene, die immunisiert wurden, es auch bleiben. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein verkündete, dass Mitte Oktober damit begonnen werden soll. Bisher wurden in Österreich insgesamt knapp mehr als zehn Millionen Impfungen durchgeführt, etwa 60 Prozent der Gesamtbevölkerung haben zumindest eine Teilimmunisierung erhalten. Nicht geimpft ist hingegen der Großteil jener Corona-Patienten, die auf den Intensivstationen österreichischer Spitäler behandelt werden müssen. Dies hat Jakob Winter recherchiert.
Nicht immun gegen Polit-Posten
Noch keine taugliche Impfung hat die Wissenschaft gegen politische Postenbesetzungen entwickelt – zumindest keine, die in Österreich zugelassen wäre. Gestern wurde der künftige ORF-Chef bestimmt (profil-Herausgeber Christian Rainer hat klargestellt, warum das Wort „Wahl“ diesbezüglich fehl am Platz wäre). Mit einer deutlichen Mehrheit im ORF-Stiftungsrat setzte sich wenig überraschend Roland Weißmann durch. Der bisherige stellvertretende kaufmännische Direktor des ORF galt vielen als der Wunschkandidat des türkisen Kanzleramts für den Posten des Generaldirektors. Thomas Zach, Sprecher des ÖVP-„Freundeskreises“ im offiziell parteiunabhängigen Stiftungsrat, würdigte Weißmann sogleich für seine „journalistische, programmwirtschaftliche und digitale Kompetenz“. Vor allem sei er „ein Teamplayer“.
Wie profil-Wirtschaftsressortleiter Michael Nikbakhsh im Februar berichtete, hat Zach eine Firma nebst Landschlösschen in Südfrankreich, wo exklusive Seminare für Führungskräfte veranstaltet werden. Im Jahr 2019 war Weißmann einer der Referenten. Sein Thema: „Die Zukunft des ORF – die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten am Scheideweg“.
Man wird sehen, welche Abzweigung der ORF unter seiner Führung nimmt.
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Stefan Melichar
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