Die Babyrelevanten
Zwei Wochen und ein Tag noch, dann endet dieses Jahr. Endlich, werden manche sagen - denn das bedeutet, dass die Veröffentlichung des traditionellen profil-Jahresrückblicks unmittelbar bevorsteht. Dieser wird am kommenden Sonntag wieder im beliebten XXL-Format erscheinen, erstmals inhaltlich betreut von der – auch sonst gut beschäftigten – journalistischen Allzweckwaffe dieses Magazins, Sebastian Hofer, der seinen inzwischen vermutlich chronischen Schlafmangel auf geheimnisvolle Weise in reine Arbeitsenergie umzuwandeln versteht. (Die biochemischen und psychodynamischen Prozesse, die hinter dieser Leistungsoptimierung stecken, sind derzeit, so hört man, Gegenstand relativ geheimer Untersuchungen an renommierten britischen und japanischen Universitäten.)
Seltsames geschieht in diesem Land
Andere Frage: Waren Sie eigentlich schon im Museum, seit das wieder möglich ist? Während Kulturinstitutionen eigentlich auf unbestimmte Zeit, sicher aber bis 7. Jänner 2021, geschlossen halten müssen, darf man, infolge einer leicht inkonsequenten Regierungsentscheidung, doch Kunstausstellungen aller Art nach Lust & Laune besuchen – gemeinsam mit anderen Menschen (aus Sicht der Damen und Herren in den Museumsdirektionen am liebsten mit vielen anderen Menschen), die aber selbst auf Sicherheitsabstand und mit FFP2-Maske vor Mund und Nase keinesfalls ein Theater, Opernhaus oder Kino betreten dürfen. In anderen Worten: Seltsames geschieht in diesem Land, wovon unter anderem ein neuer innenpolitischer Podcast zeugt, den IPO-Chefin Eva Linsinger gemeinsam mit profil-Herausgeber Christian Rainer bestreitet. Es geht darin beispielsweise um die Massentests und das Gespenst der Impfpflicht. Und weil durch die Museen dieser Welt ja nicht selten die Gespenster überwunden geglaubter Ideologien streifen: Ein Interview mit dem Kurator und Gegenwartskunstspezialisten Jasper Sharp, in dem dieser kenntnisreich über die Zukunft jener schwer angeschlagenen Institution, die wir Museum nennen, spekuliert, finden Sie hier. Mit konstruktiven Gegenvorschlägen!
Schutz vor Antipathie und Rufknacks
Der etwas erratisch gesetzte Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Eindämmung der Viruskrise hat, wenn man jüngsten Umfragen glauben darf, keineswegs zu einer Popularitätsminderung von Kanzler, Vizekanzler und flankierendem Personal geführt, als schützte das Plexiglas, hinter dem sie zur Verlautbarung ihrer Verordnungen gewöhnlich zu stehen haben, zuverlässig vor Antipathie und Rufknacks. Wenn Sie sich für dieses Performance-Reputations-Paradoxon näher interessieren, könnten Sie sich die langfristige Datenanalysen des Meinungsforschers Peter Hajek zu Gemüte führen; die Ergebnisse seiner Sonntags- und Kanzlerfrage hat profil hier interaktiv aufbereitet.
Gerade erreicht mich per elektronischer Post eine Zuschrift, die nicht direkt an mich gerichtet ist (eine Art Massenmailtest), mich aber doch ein wenig nachdenklich stimmt: "434 Insolvenzen in den letzten 2 Wochen und weitere hochrelevante News für Top Leader" steht in der Betreffzeile. Das Online-Magazin "Top Leader" (Untertitel: "Entscheider unter sich") stellt da Schuldner aus ganz Österreich, die mit ihren Unternehmen Konkurs anmelden mussten, an den digitalen Pranger. "Insolvenz-Radar" heißt das im Branchenjargon, im neuen Führungskraftausdruck sehr griffig: "Hier versorgen wir Sie exklusiv mit Insolvenzdaten in Echtzeit aus ganz Österreich, kostenfrei!". Hochrelevant! Man sieht: Auch für Spitzenentscheider und ihre Unternehmensbabys sind die Zeiten offenbar nicht mehr die allerbesten.
Einen formidablen Donnerstag wünscht Ihnen die profil-Redaktion!
Stefan Grissemann