Rote Ohren? Nicht bei den Türkisen!
Guten Morgen!
Mit der Peinlichkeit verhält es sich ähnlich wie mit einem Pickel auf der Nase, schlechtem Wetter oder Lärm aus der Nachbarwohnung: Was den einen völlig fertig macht, ist für den anderen bloß ein kleines Ärgernis. Ich weiß nicht, ob man die Schmerzgrenze für Peinlichkeiten aller Art durch spezielles Training nach oben versetzen kann. Ich vermute aber, dass die Empfindsamkeit genetisch bedingt ist und sich nur sehr schwer modellieren lässt. Es gibt Menschen, die sich am liebsten dauerhaft irgendwo eingraben würden, nur weil sie festgestellt haben, dass sie (mutmaßlich mehrere Stunden lang) mit einem Blatt Petersilie zwischen den Vorderzähnen unterwegs waren. Und es gibt Menschen, die hoch erhobenen Hauptes durchs Leben spazieren, obwohl gerade ganz Österreich über sie spottet. Letztere sind in der Politik besser aufgehoben als die Sensibelchen. Vor allem im Dunstkreis der türkisen ÖVP kann eine gewisse Scham-Resilienz derzeit nicht schaden.
Kindische Emojis und niedriges Niveau
Unabhängig von allfälligen strafrechtlichen Konsequenzen sind die Handy-Chats zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, Finanzminister Gernot Blümel und ÖBAG-Boss Thomas Schmid ja vor allem eines: wahnsinnig peinlich. Gut bezahlte, mächtige Männer schicken einander via Mobiltelefon kindische Emojis und kommunizieren auf einem Niveau, das selbst unter Teenagern in strukturell herausgeforderten Wohngebieten für gewöhnlich überschritten werden dürfte. Und ganz Österreich darf mitlesen. Geht es noch schlimmer?
Dem Vernehmen nach ist bisher weder der Kanzler, noch der Finanzminister oder der ÖBAG-Vorstand mit roten Ohren in die Einsamkeit einer Waldhütte ohne Wlan und Mobilnetz geflüchtet. Die stecken das weg. Einfach so. Als wär nix. Wir anderen könnten daraus den Schluss ziehen, dass wir uns wegen viel kleinerer Fauxpas nicht unnötig Gedanken machen sollen. Aber wie gesagt: Die Sache dürfte genetisch sein. Man kommt aus seiner Haut nicht raus.
Wer was wann an wen geschickt und mit Emojis verziert hat, beschreiben die Kollegen Michael Nikbakhsh und Stefan Melichar derzeit laufend auf profil.at und ganz ausführlich in der nächsten Print-Ausgabe des profil am kommenden Freitag.
Viel Spaß beim Lesen und Fremdschämen wünscht
Rosemarie Schwaiger
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