profil-Morgenpost: Schnappschüsse und Atemholen
„Bitte, bleiben Sie stehen“, sagte profil-Fotograf Philipp Horak. Es war einer dieser Hier und Jetzt-Momente: das Licht des späten Nachmittags, Rudolf Anschober hielt inne, um eine seiner grün-gemusterten Stoffmasken abzunehmen und kurz durchzuatmen. Im Gesicht des Gesundheitsministers spiegelte sich die Anspannung der Interviews, die er an diesem Tag bereits abgespult hatte, neben den Anstrengungen eines irren Jahres, das fast zu Ende war, vielleicht auch schon die Aussicht, bald lockerlassen und im privaten Refugium in Oberösterreich ein wenig auftanken zu können, bevor es 2021 wieder weitergeht – so wie bei einem Bergsteiger, der die ärgsten Etappen geschafft hat, noch nicht ganz am Ziel ist, die Berghütte aber schon sehen kann.
„Er ist im Türstock gestanden und hat kurz gezögert“, sagt Christa Zöchling, die sich mit profil-Innenpolitik-Chefin Eva Linsinger zwei Tage vor Silvester im Ministerium einfand, um ein „etwas anderes“ Gespräch mit dem Grünen-Politiker zu führen. „Was will der Fotograf? Was sieht er?“, scheint Anschobers Blick zu fragen. Keine Pose. Keine Inszenierung. Genau diesen Schnappschuss in dieser Sekunde wollte Philipp Horak „Alles war ein Alptraum“, titelte profil der Vollständigkeit halber. Horaks Bild hätte aber eigentlich schon alles gesagt. Das Interview und die dazugehörige Geschichte im Blattinneren sind natürlich trotzdem höchst lesenswert!
Apropos Atemholen: „Manchmal habe ich das Gefühl, wenn ich nach zwei freien Tagen ins Spital komme, dass ein halbes Jahr vergangen ist, weil sich die Dinge sehr rasch ändern“, sagte Stephanie Neuhold vergangenen April zu profil. Die 47-jährige leitet die Intensivstation der Klinik Favoriten (ehemals Kaiser-Franz-Josef-Spital). Es ist das Corona-Krankenhaus Nummer eins in der Millionen-Metropole Wien. Sie sah den ersten Covid-19-Intensivpatienten – er hat überlebt! - fieberte bei allen Wellen der Pandemie mit – nach den gutsituierten Kreuzschiff-Touristen kamen die Paketzusteller – sie erlebte schöne Erfolge und zermürbende Rückschläge. Zeit, nachzufragen, wie es der Intensivmedizinerin heute geht, persönlich und als Ärztin. „Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die nicht alles schrecklich gefunden haben“, sagt sie.
Hinter ihr liege ein trauriges Jahr, für ihre Sparte aber sei es aufregend gewesen, „eine Herausforderung, die auch Spaß gemacht hat“. 220 schwer Erkrankte sah Neuhold auf ihrer Station inzwischen kommen und gehen, viele von ihnen leider auch sterben. profil erzählte sie, was sie über die Krankheit gelernt hat, warum Intensivmediziner über ein Phänomen namens „Happy Hypoxemic“ staunten, wie groß ihre Angst vor Ansteckung ist, was ihr den größten Stress bereitet und wie es weiter geht. Das ganze Interview mit ihr können Sie auf Apple Podcasts, Spotify, YouTube und profil.at/podcasts nachhören.
Ich wünsche ihnen eine angenehme Woche mit vielen, kleinen Atempausen.
Edith Meinhart
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