Spiel, Satz, Sexismus
„Mit Sport ham Sie’s nicht so“, resümierte einst der Chef einer großen Tageszeitung, bei der ich mich während meines Studiums beworben hatte, den Test meines Allgemeinwissens. Ja, stimmt. Als Journalistin sollte man sich zwar potenziell für jedes Thema interessieren, das in der Redaktionssitzung den Weg auf die eigene To-do-Liste findet, bei Sport müssten meine Recherchen aber ganz von vorne anfangen. Ich kann mich schon selbst kaum zu sportlichen Leistungen motivieren, anderen dabei zuzusehen deprimiert mich dann eher.
Starke Frauen wie die Kunstturnerin Sarah Voss, die sich gegen sexistische Konventionen im Sport wehren, faszinieren mich aber auf einer ganz persönlichen Ebene. Die Deutsche trug bei den Europameisterschaften in Basel kürzlich einen Ganzkörperanzug. Wenn Sie sich jetzt fragen, was daran rebellisch sein soll: Die Anzüge der Turnerinnen sind üblicherweise kurz und knapp geschnitten, was für sie oft enormen Stress bedeutet, könnte bei den extrem anspruchsvollen Routinen doch etwas verrutschen. Um das zu verhindern, nutzen die Sportlerinnen sogar Sprühkleber, um den Stoff am richtigen Platz an der Haut festzukleben. Voss brach nun mit dieser Tradition - was laut Regelwerk erst seit 2013 überhaupt erlaubt ist - als erste Athletin in Europa.
Ähnliches versuchte Serena Williams im Tennis bei den French Open 2018: Ihr Ganzkörperanzug, den sie vor allem zur Vermeidung von Thrombosen nach ihrer Schwangerschaft trug, wurde vom französischen Tennisverband sogleich verboten.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt wieder als Laiin oute: Sollte es beim Sport nicht um die Leistung gehen? Natürlich muss Sportkleidung bei Bewerben reglementiert werden, um gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Aber warum sollten (oft noch sehr junge) Frauen in knappen Anzügen turnen, in kurzen Röcken Tennis spielen müssen, wenn dies rein gar nichts mit dem Bewerb zu tun hat? Die Diskussion fügt sich nahtlos in eine größere gesellschaftliche Debatte darüber ein, was Frauen zu tragen haben, die weltweit geführt wird und auf die es nur eine richtige Antwort gibt: Was immer sie wollen.
Auch im kommenden profil werden wir uns wieder in vielen Facetten dem Thema Sexismus und Gleichberechtigung widmen - rechtzeitig zum Muttertag - wir freuen uns auf Ihr Interesse!
In diesem Sinne wünsche ich vor allem den Leserinnen einen entspannten Rest der Woche!
Ines Holzmüller
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