profil-Morgenpost: Titelhuberei
Mich ereilte eine Presseaussendung der Wirtschaftskammer Wien, wonach Handwerker und Gewerbetreibende ab August ihren Meistertitel in den Pass eintragen lassen können. Bislang war das ja nur Akademikern vorbehalten. „Der Weg zum Meistertitel ist kein leichter, er erfordert viel Durchhaltevermögen, harte Arbeit und natürlich handwerkliches Know-how für einen erfolgreichen Weg in die Selbstständigkeit“, wird Maria Smodics-Neumann, Spartenobfrau Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Wien, zitiert. Gar keine Frage. Und tatsächlich erfahren handwerkliche Berufe oft nicht die Wertschätzung, die sie verdienen. Aber ob das Ansehen der Handarbeiter dadurch gesteigert werden kann, in dem man der in Österreich ohnehin schon ausufernden Titelhuberei noch eins draufsetzt, darf bezweifelt werden. „Meister“ wird im Pass übrigens mit „Mst.“ abgekürzt. Bei flüchtigem Lesen kann das schnell als „Mist“ rezipiert werden. Wohl auch nicht im Sinne des Erfinders.
Andererseits fällt mir jetzt wieder die Anekdote eines mir bekannten Arztes ein. Dieser praktizierte einige Jahre in einem Spital im Norden Deutschlands. Ausflüge führten ihn auch in die Niederlande. Bei der Rückfahrt wurde er an der Grenze regelmäßig rausgewunken, sein Auto gefilzt. Sein unkonventionelles Äußeres ließ die Grenzbeamten wohl vermuten, dass er sich in holländischen Coffeeshops mit einer Jahresration Cannabis eingedeckt hatte. Nachdem er, der Schikanen überdrüssig, „Dr.“ in den Pass eintragen ließ, verzichteten die Grenzer fortan auf die Durchsuchung seines Fahrzeugs. Titel können also doch wirken.
In der aktuellen Ausgabe können wir beispielsweise mit Dr. Wolfgang Paterno (kein Arzt) auftrumpfen, der sich Dr. Melitta Breznik widmet. In den Werken der steirischen Autorin (und Ärztin) „kondensiert sich so viel über Dunkelösterreich und die Schreckenskammern des Familiären, dass man diesen Büchern möglichst viele Leserinnen und Leser wünscht“, schreibt Paterno.
Dr. Christian Rainer wiederum sprach seinen polarisierenden Leitartikel „Mundschutz macht unmündig“ ein, den Sie nun als Podcast hier hören können.
Und Michael Nikbakhsh, der zwar völlig titellos, aber dafür ein Meister seines Faches ist, schrieb die „Akte Mattersburg“ auf und protokolliert das Versagen der Behörden in der Causa um die burgenländische Commerzialbank.
Eine anregende Lektüre wünscht
Mag. Christina Hiptmayr
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