Behalten Sie das bitte für sich!
Der Geist jener beklemmenden Zeit, die wir aktuell durchleben, munitioniert auch unsere Sprache auf. Zu den Begriffen, die zu gebrauchen eine breitere Öffentlichkeit vor einem guten Jahr noch nicht einmal entfernt in Erwägung gezogen hätte, gehört das an sich eher verdrießlich klingende Wort „Vakzin“. Man könnte stattdessen einfach auch „Impfstoff“ sagen, aber das hört, spricht und liest man dieser Tage ja ohnehin schon oft genug. In Zeiten sich ermüdend wiederholender Nachrichten braucht man dringendst Synonyme. Damit einem überhaupt noch zugehört wird.
Also: das Vakzin! Aber Achtung: Das Wort evoziert tierische Flüssigkeiten, bezeichnete es – vaccinus: „von Kühen stammend“ – doch ursprünglich die Kuhpockenlymphe, aus der in unvordenklichen Zeiten (also in den Jahren vor Rudolf Anschober) die Pockenschutzimpfung gewonnen wurde. Aus Rindersekreten werden die Impfstoffe, die man dieser Tage gegen Covid-19-Infektionen verabreicht, meiner Einschätzung nach nicht mehr hergestellt, aber ich kann mich irren. Die Assoziationen jedenfalls haben sich gewandelt: AstraZeneca, der britisch-schwedische Pharma- und Biotechnologiekonzern, erinnert im zweiten Teil seines Firmennamens beispielsweise recht markant an einen römischen Stoiker, der durch kaiserlich erzwungene Selbsttötung verfrüht aus dem Leben scheiden, somit gleichsam ad astra („zu den Sternen“) aufsteigen musste. Es ist vielleicht ganz gut, dass diese Geschichte in Zusammenhang mit den derzeit in Österreich massenhaft verteilten Impfstoffen bislang nicht erzählt wurde. Behalten Sie bitte alles, was Sie hier lesen, für sich, vielen Dank.
Zufriedenheit? Nö!
Etymologische Spitzfindigkeiten beiseite: In einem neuen History-Podcast besprechen Christa Zöchling und profil-Ex-Chefredakteur Herbert Lackner dessen jüngstes Buch, das dritte und letzte einer seit 2016 konzipierten Reihe zu den vom Naziterror „vertriebenen Dichtern und Denkern“ Europas. Es kommen in „Rückkehr in die fremde Heimat“ übrigens auch einige Dichterinnen und Denkerinnen vor. Lackners Schatz an dramatischen, zugleich alltäglichen Migrationserzählungen ist trotzdem unerschöpflich, hören Sie sich das an.
Falls Sie eher zum Schauen neigen, hier noch der Hinweis auf ein profil-Video, in dem man Wissenswertes über die aktuellen Stimmungslagen in diesem Land erfahren kann (hören muss man allerdings, wenn man dem Berichteten sinnerfassend folgen will, auch hier): Innenpolitik-Kollegin Edith Meinhart rekapituliert die Ergebnisse, die das Wiener Markt- und Meinungsforschungsinstitut Integral zur persönlichen Einschätzung der laufenden Viruskrise zusammengetragen hat. Spoiler alert: Die dramatisch gesunkene Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Kurz-Administration kommt hier relativ deutlich zur Sprache.
Ärger & Schärfe
Der nachvollziehbare Grant, den die meisten Österreicherinnen und Österreicher seit geraumer Zeit in sich aufsteigen fühlen, führt uns zurück zur Wortherkunftsforschung: Die Genese des österreichisch-bayerischen, seit dem 16. Jahrhundert bereits aktenkundigen Wortes „grantig“ – für „übel gelaunt; ärgerlich, unmutig“ – sei, so meint wenigstens der Online-Duden, „ungeklärt“, aber „eigentlich“ auf die Adjektive „spitz, scharf“ zurückzuführen. Die Wege vom „Vakzin“ zum „Grant“ sind also kurz.
Wie man all das mit dem weiterhin exklusiv gemischt-geschlechtlichen göttlichen Masterplan und einem krisengeschüttelten Feminismus vereinbaren soll, bleibt Ihnen überlassen. Niemand hat behauptet, dass es einfach sei, den Lauf der Welt zu begreifen.
Einen anti-grantigen Wochenausklang wünscht Ihnen die profil-Redaktion!
Stefan Grissemann
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