profil-Morgenpost: Von Wänden und Wenden
Kennen Sie Würmla? Ehrlich gesagt, mich hätte wahrscheinlich nichts in das 1500 Seelen-Dorf im Bezirk Tulln gebracht, wären da nicht die von Künstlern besprayten Kellerstöckl und Stadlwände. Auf den Spaziergängen zwischen den 13 Murals im niederösterreichischen Ackerland kommt man unweigerlich ins Sinnieren. Über die Kinder, die in die Stadt gehen, um zu studieren. Über ihre Eltern, die insgeheim hoffen, dass sie zurückkommen und den Hof übernehmen. Über Generationenkonflikte und sozialen Wandel. Und darüber, dass ein paar dieser Kinder im besagten Würmla irgendwann einmal vielleicht damit herausgerückt sind, dass sie die elterliche Schweinemast nicht weiterführen und statt dessen lieber den Futtersilo bemalen würden.
Bei einem dieser Kunstwerke ergab sich eine Plauderei mit einem Bauern, bei dem es sich fast genauso verhielt, nur dass seine Tochter nun doch den landwirtschaftlichen Betrieb weiterführt. Bei den Schweinen aber will sie künftig mehr auf das Tierwohl achten. Der Bauer schien das nicht persönlich zu nehmen, denn er räumte lachend ein, dass er auch nicht alles so gemacht habe wie die Altvorderen. Nur so gäbe es Innovation.
Mit den neuen Zeiten plagen sich natürlich auch altehrwürdige Klöster. Das Stift Klosterneuburg, eines der reichsten in Europa, kommt seit Jahren nicht zur Ruhe. Der Propst trat im Mai zurück. Die Wahl des Nachfolgers wurde von höchster Stelle gestoppt. Papst Franziskus schickte einen Visitator. Gut möglich, dass Rom einen Verwalter von außen holt, der das Stift durch die stürmischen Phasen des Umbruchs lenken soll, bevor die nächste Generation übernimmt. Die ausführliche Geschichte dazu lesen Sie im neuen profil.
In Belarus hingegen schien es, als bliebe immer alles beim Alten. Doch selbst hier nimmt die Geschichte nun eine Wendung. Maria Kolesnikowa ist eine von drei Frauen, die den Langzeit-Autokraten Alexander Lukaschenko herausgefordert haben, und die einzige, die noch im Land ist. Simone Brunner sprach mit der 38-jährigen Oppositionspolitikerin über Angst, Ungewissheit und ihren unglaublich mutigen Kampf um faire und freie Wahlen. Sollte er Erfolg haben, bräche in Belarus tatsächlich eine Ära an, die bis vor Kurzem noch undenkbar schien.
Sich an alten Gewissheiten festzuhalten, ist in einer Pandemie jedenfalls ein schlechter Rat. In den vergangenen Monaten wurden ständig neue Erkenntnisse gewonnen und wieder verworfen. Alwin Schönberger fasst in der aktuellen Titelgeschichte zusammen, was wir heute über das Corona-Virus wissen und entsorgt bei dieser Gelegenheit auch gleich die unzutreffenden Annahmen von gestern.
Edith Meinhart
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