profil vor 25 Jahren: Drama Zeugnis

Werden unsere Kinder dümmer? Das profil vom 28. Juni 1993.

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"Unsere Schüler haben nur Scheiße und Videoclips im Hirn", schimpfte ein Wiener AHS-Lehrer - und war mit dieser Meinung nicht allein. Aus Gymnasien und Universitäten, von der Industriellenvereinigung bis zur Handelskammer hagelte es Kritik an Schulabgängern, deren Leistung vor allem im Rechtschreiben und Kopfrechnen "katastrophal" sei.

Die einen orteten die Schuld in den Volksschulen, "die ihre Zeit zu viel für soziales Lernen und zu wenig für das Training des Hirnschmalzes" verwendeten, das Lehrpersonal in den Volksschulen hingegen ärgerte sich, dass viele Kinder zu Hause "dem Fernseher, Videorekorder und Videospielen überlassen" würden. "Jahr für Jahr beklagen Eltern, Lehrer und Lehrherren chronischen Leistungsabfall der fernsehgeschädigten Jugend", resümierte profil in der Titelgeschichte vom 28. Juni 1993.

"Sabbernde Affen"

Es gab natürlich auch fachlich fundierte Gegenstimmen. Die Universitätsprofessorin und Kinderpsychologin Brigitte Rollett etwa verwies auf seit den 1950er-Jahren international durchgeführte Tests: Die dabei gemessene Intelligenz sei "seither im Durchschnitt um sechs bis sieben Punkte gestiegen. Tatsächlich sind die Kinder nicht dümmer, sondern intelligenter geworden."

Und Wiens Stadtschulratspräsident Kurt Scholz war überzeugt, dass die Klage über sinkende Leistungen jahrhundertelange Tradition habe: "Wenn das Jammern der älteren Generation über den Niveauverlust zutreffen würde, wären wir heute sabbernde Affen, die an den Bäumen turnen."