profil vor 25 Jahren: Thomas Klestil, starker Mann
Nach der Angelobung von Thomas Klestil fragte sich nicht nur profil, ob der neue Bundespräsident "die verfassungsrechtlich engen Grenzen seines Amtes sprengen" werde. Es schien klar, dass er sein Amt "dynamisch" ausüben und sich nicht auf das Repräsentieren beschränken wolle. Am Ende werde wohl "eine österreichische Melange" herauskommen, "aufgekocht nach dem Vorbild des deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, garniert mit einem Schuss Bush", schrieb profil in der Titelgeschichte vom 13. Juli 1992. In der rot-schwarzen Koalition wusste man den neuen Mann in der Hofburg "noch nicht so recht einzuschätzen". "Samma no im Amt?", habe Vizekanzler Erhard Busek Kanzler Franz Vranitzky scherzhaft gefragt, nachdem die Regierung dem neuen Staatsoberhaupt formell ihren Rücktritt angeboten hatte.
"Auseinandergelebt"
Die Regierung war auch nach Klestils Angelobung im Amt, hatte sich aber "auseinandergelebt". SPÖ und ÖVP "dürfen nicht gegeneinander, können nicht miteinander und arbeiten aneinander vorbei. Die Koalition tritt auf der Stelle", analysierte profil. Kleinhickhack um Gesetzesformulierungen und Streit um "Kinkerlitzchen" häuften sich. "Wenn solche Heckenschießereien Schule machen, kann das tatsächlich zur Zerrüttung einer Ehe führen", klagte SPÖ-Staatssekretär Peter Kostelka. "Wozu Scheidung?", fragte Busek schlagfertig. "Es war ja keine Liebesheirat."