Profiteure der Flüchtlingskrise: Der Bulle von Parndorf

Die Regierung wartet ab, ein Polizist macht einfach seinen Job. Damit kann man im Chaossommer 2015 schon ein Star werden.

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Der kometenhafte Aufstieg des Hans Peter Doskozil beginnt mit einer Nichtzuständigkeitserklärung. Eigentlich spricht immer zuerst der Chef - diese Usance gilt für Versammlungen von kleinen Kegelvereinen genauso wie für große Pressekonferenzen. Demnach sollte Doskozil am 27. August 2015 erst einmal still dasitzen und sich anhören, was seine Vorgesetzte, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, über die 71 toten Flüchtlinge von Parndorf sagt. Doch Mikl-Leitner lässt ihrem burgenländischen Landespolizeidirektor den Vortritt.

Mit dem unwürdigen Prinzip, Verantwortung weiterzureichen, hat die Regierung in den Monaten zuvor reichlich Routine gesammelt. Für Flüchtlingsquartiere sind immer andere zuständig: andere Ministerien, andere Parteien, andere Bundesländer, andere Gemeinden, andere EU-Staaten. Asylwerber mussten im Lager Traiskirchen auf dem Boden schlafen, im Dreck, zugedeckt mit Pappdeckeln. Die Regierung zauderte, zögerte und wartete ab, stümperte auf offener Bühne, zum Fremdschämen handlungsunfähig.

Klartext in Flüchtlingskrise

Nur vor dieser Folie politischer Apathie ist verständlich, dass jemand wie Hans Peter Doskozil zum Star werden kann. Er macht einfach seinen Job, das reicht als Gegenentwurf. Vor der Flüchtlingstragödie von Parndorf beschränkte sich seine Medienerfahrung auf die lokale ORF-Plaudersendung "Mahlzeit Burgenland“, nun spricht der bullige Polizist unerschrocken Klartext in den Mikrofonwald, den Medien von CNN abwärts vor ihm aufbauen. Und hört wochenlang nicht damit auf. Der Hüne avanciert zum TV-Cheferklärer der Völkerwanderung; jeden Abend rapportiert er, ruhig und ohne Schachtelsätze, wie viele Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich drängen, wie Erstbetreuung und Weiterreise organisiert werden. Und vermittelt dabei stets das tröstliche Gefühl, Überblick und Handlungsfähigkeit zu bewahren - oder es zumindest zu versuchen.

Rasend viel Unterstützung bekommt er dabei nicht: "Ich hatte in der Nacht, als Ungarn begann, Flüchtlinge über die Grenze zu schicken, keinen Kontakt zum Innenministerium“, erzählt er heute: "Im Nachhinein muss ich sagen: Gott sei Dank bekam ich keine Vorgaben.“ Über einen Polizeikollegen, der im Nebenberuf bei einem Busunternehmen arbeitet, besorgt Doskozil 40 Reisebusse ("Wer das bezahlt, hat mich damals nicht gekümmert“) und formuliert einen klaren, knappen Einsatzbefehl: "Humanität ist oberste Einsatzdevise.“ Bis heute ist er überzeugt: "Es wäre damals nicht möglich gewesen, die Grenzen dichtzuhalten oder die Menschen zu kontrollieren. Dann wäre es zu Tragödien gekommen.“

Seit 26. Jänner 2016 ist Doskozil Verteidigungsminister und unter anderem dafür zuständig, mit Bundesheer-Fliegern die Abschiebung jener Menschen zu organisieren, die er damals ins Land winkte. Er wird, ganz hemdsärmelig-pragmatischer Zupacker, auch den undankbaren Job machen, ohne lange herumzusinnieren oder sich den Druck anmerken zu lassen.

Vor Kurzem hat er wieder zu rauchen angefangen.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin