57 Prozent der geprüften Coronafälle lassen sich nach Ischgl zurückverfolgen
Die Tiroler Behörden – und das Skigebiet Ischgl – sind derzeit schlechte Nachrichten gewöhnt. Nichts Gutes verheißt auch der „Situations Report – COVID19“ der Gesundheitsagentur (AGES). In dem Dokument fasst die AGES zu Wochenbeginn alle verfügbaren Daten zum Coronavirus für die politischen Entscheidungsträger zusammen. profil liegt der 13-seitige Report vom vergangenen Montag vor.
Um zu verstehen, wie sich das Virus in Österreich ausbreitet, erstellen die Epidemiologen der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) sogenannte Cluster-Analysen. Dafür gehen die Wissenschafter den Infektionsketten nach und versuchen herauszufinden, wo sich jeder einzelne Patient angesteckt hat. Alle Infizierten, die sich auf einen Ort zurückzuverfolgen lassen, werden einem gemeinsamen Cluster zugeteilt.
Die Daten bestätigen: Ischgl und die umliegenden Skigebiete waren der mit Abstand größte Umschlagplatz für Coronaviren.
Aufwendige Ermittlungsarbeit
Mit Stand Montag konnte die Abteilung für Infektionsepidemiologie und Surveillance der AGES 1088 Infizierte einem von 47 Clustern zuordnen. Die Ermittlungsarbeit braucht Zeit, derzeit lässt sich erst für knapp zehn Prozent aller österreichischen Infizierten sagen, wo sie sich angesteckt haben.
Die Daten sind jedenfalls bemerkenswert: Im Cluster S – der für den Skiort Ischgl steht – bündeln sich mit großem Abstand die meisten Infizierten. 625 Personen stecken sich dort an oder wurden von jemandem infiziert, der das Virus von Ischgl mit nach Hause brachte. Der Ischgler Cluster entspricht damit satten 57 Prozent aller bisher ausgewerteten österreichischen Coronafälle. Von dem Tiroler Skiort aus, das zeigt die AGES-Analyse, verbreitete sich das Virus auch in alle übrigen acht Bundesländer. Ein Vergleich zur Einordnung: Der zweitgrößte österreichische Cluster zählt gerade einmal ein Zehntel der Ischgler Infizierten: In einem oberösterreichischen Gesangschor steckten sich bei einem Probewochenende insgesamt 64 Menschen an.
Die AGES wird in den nächsten Tagen und Wochen noch weitere Fälle auswerten – dadurch wird sich die Verteilung der Fallzahlen pro Cluster freilich noch verschieben. Theoretisch könnten auch Cluster zusammengefasst werden, wenn sich ein Link in den Infektionsketten finden lässt. Dennoch zeigt der Zwischenstand bereits jetzt, wie fatal die späte Reaktion der Behörden in Tirol war – sie begünstigte laut den AGES-Daten für die rasante Ausbreitung des Coronavirus in ganz Österreich maßgeblich.