Prüfung in Niederösterreich: Inserate für Parteimedien und offene Fragen
Haben parteinahe Medien Inserate von Unternehmen im Eigentum des Landes Niederösterreich bekommen? Und wenn ja: Waren die Preise für diese Einschaltungen gerechtfertigt? Fragen wie diese sollte der niederösterreichische Landesrechnungshof klären – die ersten drei Berichte liegen der Landesregierung seit Dienstag vor. Ins Rollen war die Sonderprüfung durch eine gemeinsame Initiative der Landtagsabgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und Neos gekommen.
Der ORF Niederösterreich und die Austria Presse Agentur zitierten erste Auszüge aus den Prüfberichten, profil und „Der Standard“ bringen nun weitere Details. Fest steht: Medien im Parteieigentum bekamen Inserate. Andere Fragen bleiben trotz Prüfung offen.
Parteimedien als Inseratenempfänger
Im Bericht über die PR-Ausgaben der Familienland GmbH, er liegt profil und „Standard“ vor, scheinen zwei Medien als Inseratenempfänger auf, die von Parteiorganisationen herausgegeben werden. Zum einen die Zeitschrift „endlich Frei-Zeit“ vom ÖVP-Seniorenbund, zum anderen das Magazin „NÖ Gemeinde“ vom ÖVP-Gemeindebund. Inserate gab es auch für das „Familie“-Magazin des ÖVP-nahen Familienbundes. Medien anderer Parteien werden in dem Bericht nicht genannt, wobei die Aufzählung nicht taxativ ist. Bemerkenswert ist jedenfalls: Über die Summen, die an die parteinahen und parteieigenen Medien geflossen sind, macht der Bericht keine Angaben.
Mediengruppen wurden anonymisiert
Offene Fragen bleiben auch nach der Lektüre des Berichts über die Landesgesundheitsagentur, also jener Gesellschaft, in der das Land Niederösterreich alle Spitäler und Pflegeheime gebündelt hat. Aus der Prüfung des Landesrechnungshofs geht zwar hervor, dass die Landesgesundheitsagentur von Anfang 2020 bis Mai 2022 insgesamt 1,95 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit investierte. Welche Medien – und vor allem: welche Parteimedien – von den Inseratengeldern profitiert haben, weisen die Prüfer allerdings nicht aus. In einer Tabelle wurden die Ausgaben pro Mediengruppe aufgelistet – doch die Unternehmen wurden anonymisiert. „Mediengruppe 1“ erhielt im geprüften Zeitraum 233.146,54 Euro, „Mediengruppe 2“ bekam 229.381,62 Euro, „Mediengruppe 3“ nahm 216.079,45 Euro ein. Ob sich hinter diesen Mediengruppen auch Parteimedien befinden? Dazu macht der Prüfbericht keine Angaben.
Warum die Anonymisierungen? Die Überprüfungen des Landesrechnungshofs hätten „so zu erfolgen, dass keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse verletzt werden“, erklärt die Direktorin des Kontrollorgans, Edith Goldeband, auf Anfrage von profil und „Standard“. Die Vertraulichkeit betreffe nicht nur die überprüften Unternehmen, sondern auch deren Geschäftspartner, also die Inseratenkunden, so Goldeband. Denn für die Medien bestehe keine Prüfungszuständigkeit und sie stünden „im Wettbewerb um Inserate und Werbung“.
Gesetzeskonform, aber mit Streuverlust
Der Landesrechnungshof hält an mehreren Stellen fest, dass die Anzeigenschaltungen der geprüften Unternehmen im Einklang mit deren gesetzlichen Aufträgen standen. Die bezahlten Summen hätten den Inseratenpreislisten entsprochen. An anderer Stelle lassen die Prüfer Kritik an der freihändigen Inseratenvergabe der Landesgesundheitsagentur durchklingen: „Gründe für die thematische und die finanzielle Aufteilung der Ausgaben für Inserate und Werbung waren nicht dokumentiert“, heißt es in dem Bericht. „Auch vertiefende Analysen zur Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der getroffenen Aufteilung der Inserate und Werbung lagen nicht vor.“ Und: Die Prüfer stellten fest, dass die Buchungen überwiegend auf „Erfahrungswerten“ der Kommunikationsabteilung beruhten. Vermeidbare Streuverluste seien deshalb nicht auszuschließen. Empfehlung der Prüfer: Die Wirksamkeit und die Zweckmäßigkeit der Öffentlichkeitsarbeit sollten in Zukunft gemessen werden.
Starke Preisschwankungen
Denn die bezahlten Inseratenpreise schwankten stark. Um Preise vergleichen zu können, hat sich in der Medienbranche der Preis für tausend Leser-Kontakte, der sogenannte TKP, etabliert. Bei den Inseraten, die von der Landesgesundheitsagentur geschalten wurden, lag dieser Preis zwischen 14 Euro und 1800 Euro.
Während Mediengruppen in den Berichten weitgehend anonymisiert werden, sind Vereine, die Sponsoringgelder erhielten, namentlich angeführt: So überwies die Landesgesundheitsagentur dem Europa-Forum Wachau 30.000 Euro für eine Veranstaltungskooperation. Die Geschäfte des Forums werden von der Schwester von ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler geführt, Präsident ist ein ÖVP-Landesrat, Obmann Ex-ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger. Als Gegenleistung wurde die Landesgesundheitsagentur auf dem Event prominent beworben: Bannerwerbung, Logos auf Flyern und so weiter.
Wie es jetzt weitergeht
Der Landesrechnungshof empfahl der Landesgesundheitsagentur, eine Richtlinie für Sponsorings anzudenken – eine solche besteht derzeit nicht.
Die geprüften Unternehmen und die Landesregierung wurden vom Landesrechnungshof zu einer Stellungnahme eingeladen. Darin haben sie angekündigt, die Verbesserungsvorschläge umsetzen zu wollen. Den SPÖ-Mitgliedern der Landesregierung geht das nicht weit genug, sie fordern, dass die geprüften Stellen angeben, „in welcher Form und bis wann diese Empfehlungen umgesetzt werden“.
Nachdem der Landesrechnungshof die Stellungnahmen eingearbeitet hat, wandern die Berichte in den Landtag. In welche Richtung die politische Debatte gehen wird, ist bereits abzusehen: Während die ÖVP die Vorwürfe als „entkräftet“ ansieht, werden die Oppositionsparteien auf detailliertere Untersuchungen drängen.
Die drei Berichte sind allerdings erst der Anfang: Denn der Prüfauftrag umfasste noch acht weitere Unternehmen, die ganz oder teilweise dem Land gehören. Darunter potente Anzeigenkunden wie der Energieversorger EVN oder die Hypo Niederösterreich. Gut möglich, dass diese Berichte erst nach den Landtagswahlen am 29. Jänner öffentlich werden.
Staatsanwaltschaft Wien ermittelt
Wie das Online-Medium ZackZack heute berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt zu den Inseraten-Buchungen niederösterreichischer Landesunternehmen eingeleitet. Grundlage dafür soll eine anonyme Anzeige sein.