Ratlos in Klagenfurt
Manchmal sagen die Abwesenden am meisten über den Ausgang einer Wahl aus. In der SPÖ-Zentrale in Klagenfurt vermisste man kurz nach Wahlschluss einige – und auch einiges: Eigentlich hätte Landeshauptmann Peter Kaiser hier vor die Kameras treten sollen. Er ließ sich jedoch nicht blicken. Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner reiste zwar an und wurde in der Zentrale erwartet, trat aber nicht auf. Schuld daran war ein weiterer Abwesender: Es fehlte der Vierer an der ersten Stelle im Ergebnis. Als der Balken kurz nach 16 Uhr in die Höhe wuchs und bei 38,4 Prozent stehen blieb, war nur Landesgeschäftsführer Andreas Sucher da. Er atmete frustriert aus, ein Mitarbeiter seufzte: „Das tut echt weh.“
Noch klammerten sich die Genossinnen und Genossen an die Schwankungsbreite bei den Prognosen wie Ertrinkende an einen Strohhalm. Der Sprung über die 40-Prozent-Marke schien noch möglich. In Wirklichkeit änderten ein paar Stimmen mehr oder weniger kaum etwas daran, dass mit einem so deutlichen Absturz hier niemand gerechnet hatte: Bei der Landtagswahl 2018 fuhr die SPÖ in Kärnten fast 48 Prozent ein, und damit beinahe die absolute Mehrheit. Fünf Jahre später geht das damalige Plus von zehn Prozentpunkten fast zur Gänze wieder verloren.
Nur kurz ist ein einsamer Klatscher in der SPÖ-Zentrale zu hören. Als die Hochrechnung vom Team Köfer zeigt: Gerhard Köfer, ehemals SPÖ, ehemals Team Stronach, hat zwar an Stimmen gewonnen - aber bei Weitem nicht so viele, wie von ihm selbst erhofft und von der SPÖ befürchtet. Doch das bleibt eine winzige Genugtuung und erspart den Genossen in Klagenfurt nicht die schmerzliche Frage: Warum diese Verluste?
Manche überlegten, ob es am Thema Flughafen gelegen haben könnte. Die ÖVP forderte den Rückkauf, die SPÖ wehrte sich dagegen. Andere fragen sich, ob nicht auch der Populismus Schuld sein könnte. Gemeint war das Team Kärnten, aber auch die FPÖ. Beide Parteien gewannen leicht dazu. Einige widersprachen der These, dass das eine Protest-Wahl war, mit der Begründung, dann hätte der Koalitionspartner, die ÖVP, nicht dazugewinnen dürfen. Später am Abend kam Kaiser in die Parteizentrale und übernahm die „volle Verantwortung“ für das Ergebnis.
2018 hatte die SPÖ noch von der Schwäche einer anderen Partei profitiert: Die Grünen befanden sich gerade am Ende ihrer Talfahrt, nachdem sie 2017 aus dem Nationalrat geflogen waren. Die Wählerstromanalysen zeichneten damals den Wechsel von den Grünen zu den Sozialdemokraten nach. Fünf Jahre später kehrten die Wählerinnen und Wähler nicht zu den Grünen zurück, zumindest nicht genug.
Lange hatte die Partei am Wahltag keine Klarheit darüber, ob sie in den Landtag einziehen kann. Am Ende stand fest: Sie kann nicht. Den Neos wurde die schlechte Nachricht früher und deutlicher überbracht: Sie scheiterten an den fünf-Prozent-Hürde für den Landtag.
Das verengt auch die Optionen für die SPÖ: Kaiser will Landeshauptmann bleiben, zwar mit allen Parteien sondieren - als einzig realistischer Koalitionspartner bleibt aber wohl die ÖVP. Denn die FPÖ scheidet wegen inhaltlicher Differenzen aus, das Team Köfer wegen persönlicher Animosität.
Fragt man die Funktionärinnen und Funktionäre, die in der SPÖ-Zentrale noch ein Bier trinken, gibt es eigentlich nur eine Antwort auf die Koalitionsfrage: Rot-Schwarz. Aber auch diese Aussage schmerzt die Partei, mit Namen zitiert werden möchte man nicht. Offiziell will die SPÖ „mit allen reden“ und sich alle Optionen offen lassen. Wenn man diesen überraschenden Wahltag verarbeitet hat, sollen die Gespräche beginnen.