Rauch kritisiert Nationalbank: Daten zu Reichen fehlen
Von Max Miller
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Andreas Babler will die Reichen zur Kasse bitten. 100 Millionen Euro würden durch sein Modell der Reichensteuern wöchentlich ins Bundesbudget fließen, behauptet der SPÖ-Chef. Mit den Geldern sollen das Gesundheitssystem und die Kinderbetreuung verbessert werden. Doch der rote Vorschlag hat eine entscheidende Schwäche: Wie reich die Reichsten in Österreich sind, weiß niemand genau. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) will das ändern. Doch die Nationalbank blockiert.
Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz, die Familie Porsche und Piëch oder KTM-Gründer Stefan Pierer sind Milliardäre, so viel ist bekannt. Eine genaue Aufstellung ihrer Vermögen gibt es aber nicht.
Die Nationalbank erhebt lediglich als Teil eines EU-Projekts seit 2010 in unregelmäßigen Abständen, wie das Immobilien- und Geldvermögen in Österreich verteilt ist. Für die „Household Finance and Consumption Survey (HFCS)“ wurden in mehreren Wellen je 8000 Haushalte nach ihrem Einkommen und Vermögen befragt.
Milliardenschwere Schwankungsbreite
Das Problem dabei wird in der Fachsprache „fat tail“ („Fetter Schwanz“) genannt: Besonders reiche Menschen haben einen besonders großen Einfluss auf die Vermögensverteilung – und es gibt sie besonders selten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet der reichste Österreicher, Mark Mateschitz, in der Stichprobe landet, ist verschwindend gering. Dass er die Fragen zu seinem Vermögen freiwillig beantwortet, umso mehr: Reichere Haushalte nahmen bisher seltener an der Befragung teil.
Als die Studie 2021 zuletzt in Österreich durchgeführt wurde, hatte sie daher eklatante Lücken: Der höchste angegebene Vermögenswert lag bei rund zwölf Millionen Euro – es war also quasi ein „armer Reicher“. Mark Mateschitz soll mit über 39 Milliarden Euro mehr als das 3000-Fache besitzen.
Die Folge ist eine extrem ungenaue Schätzung der Vermögensverteilung: Laut HFCS besitzt das reichste Prozent in Österreich mehr als 15 Prozent des Vermögens. Das klingt viel, dürfte aber viel zu wenig sein: Eine andere Studie der Nationalbank aus dem Jahr 2022 schätzt, dass das reichste Prozent der Bevölkerung bis zur Hälfte des nationalen Wohlstandes sein Eigen nennt. Ein milliardenschwerer Unterschied.
Das von ÖVP und FPÖ besetzte Direktorium der Nationalbank weigert sich, aussagekräftige Vermögensdaten auch für die Reichen in Österreich zu erheben.
In 17 europäischen Staaten wird zum HFCS daher ein sogenanntes „Oversampling“ durchgeführt: Statistisch schwer erfassbare Gruppen wie etwa besonders reiche Haushalte am oberen oder obdachlose Menschen am unteren Ende der Vermögensverteilung werden zusätzlich befragt, um ein genaueres Bild zu erhalten. Das sei „prinzipiell sehr einfach durchführbar“ und wäre „absolut notwendig“, betonte Wilfried Altzinger, Co-Leiter des Forschungsinstituts „Economics of Inequality“ an der WU Wien, bereits im September des Vorjahres gegenüber profil.
„Politisches Manöver“ …
Wenige Wochen nach Erscheinen des profil-Artikels bot das Sozialministerium der Nationalbank an, die Kosten eines solchen „Oversamplings“ zu übernehmen. Doch trotz mehrmaliger Urgenz habe man keine inhaltliche Rückmeldung bekommen, heißt es nun aus dem Sozialministerium: „Das von ÖVP und FPÖ besetzte Direktorium der Nationalbank weigert sich, aussagekräftige Vermögensdaten auch für die Reichen in Österreich zu erheben“, kritisiert Sozialminister Rauch.
Die Zeit läuft: Das Institut für empirische Sozialforschung GmbH (IFES) führt derzeit die fünfte Welle der Befragung im Auftrag der Nationalbank durch – derzeit ohne „Oversampling“. Dass die Nationalbank keine genaueren Daten erhebt, sei „ein politisches Manöver, um der Debatte über eine Vermögensbesteuerung auszuweichen“, ist Rauch sicher.
… oder fehlender Mehrwert
Die HFCS sei etabliert worden, um Analysen und Entscheidungen der Nationalbank rund um Geldpolitik und Finanzmarktstabilität zu unterstützen, heißt es indes vonseiten Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann. „In der Vergangenheit haben wir, das Direktorium der OeNB, keinen signifikanten Mehrwert eines Oversamplings besonders vermögender Haushalte für die Geldpolitik oder die Finanzmarktstabilität erkennen können“, sagt Holzmann im profil-Interview. Das Direktorium der Nationalbank habe Rauch allerdings eine neuerliche Prüfung des Oversamplings zugesagt.
Für die laufende Erhebung scheint die Prüfung zu spät zu kommen. Der Reichtum der reichsten Österreicherinnen und Österreicher dürfte folglich auch im Superwahljahr unterschätzt bleiben.
Das Geld bleibt in Österreich vorerst ein scheues Reh. Mit ganzjähriger Schonzeit.
Max Miller
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.