Bewaffnetes Netzwerk terrorisierte schwule Männer
Am Freitagvormittag informierte die steirische Polizei die Öffentlichkeit über Hausdurchsuchungen, die in sieben Bundesländern stattfanden. Es gehe um „schwerste Straftaten“ im Zusammenhang mit der sogenannten „Pedo-Hunter"-Szene. Allerdings: Niemand der Opfer ist pädophil. Das Netzwerk wollte Selbstjustiz üben, so ein Sprecher der Polizei Steiermark, „Vorurteilsmotiv" sei die sexuelle Orientierung der Opfer gewesen. Also deren Homosexualität.
Im Zuge der Razzia bei den mutmaßlichen Tätern wurden auch NS-Devotionalien, Drogen und Waffen gefunden. profil-Informationen zufolge dürften die Täter aus der militanten Neonazi-Szene rund um die Gruppen „Division Wien" und „Tanzbrigade Wien" stammen.
Selbstjustiz gegen Homosexuelle
Aufmerksam wurden die Behörden durch systematische Raubüberfälle im Raum Graz auf Homosexuelle. Dabei wurden Treffen auf einschlägigen Dating-Plattformen mit Fake-Accounts initiiert. Statt sexuellen Handlungen kam es zu „schwerer absichtlicher Körperverletzung" bis zu „versuchtem Mord". Am Ort des Treffens lauerten den Opfern vier bis acht Maskierte auf, die sie beraubten, filmten und verletzten. So wurden die Opfer zum Beispiel durch Tänze mit den Tätern erniedrigt, diese wurden in täterinternen Gruppen geteilt. Die Taten seien immer brutaler geworden und hätten ein „überdurchschnittliches Ausmaß angenommen", so Generalmajor Joachim Huber und Brigadier Michael Lohnegger vom Landeskriminalamt Steiermark. Um welche Online-Plattformen es sich handelt, das wollte die Polizei nicht bekannt geben.
400 Beamte und Beamtinnen der Cobra sowie der Wega befanden sich Freitagfrüh im Einsatz. Insgesamt wurden 15 Personen wegen des Verdachts auf „Hatecrime" festgenommen. Laut „Standard" sind elf der Verdächtigen Österreicher, die zwölf Männer und drei Frauen sind zwischen 14 und 26 Jahren alt. Auch in der Slowakei kam es zu einer Festnahme. Bei den Opfern der Durchsuchten handelt es sich um Homosexuelle, denen Pädophilie unterstellt wird.
Die Polizei geht von einer weitaus höheren Zahl an Opfern der Gruppe aus. Mögliche weitere Opfer der Gruppe ersucht die Polizei sich zu melden.
Feindbild LGBTIQ+
Das aggressive Auftreten von Rechtsextremen gegenüber der queeren Szene ist nicht neu. Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) sagt: „Wir beobachten seit einigen Jahren einen verstärkten Fokus rechtsextremer Feindbildpflege auf queere Personen, wobei Homo- und Transsexualität systematisch in die Nähe von Pädokriminalität gerückt wird. Dabei ist eine Allianzbildung zwischen Identitären, Neonazis, Freiheitlichen, religiösen Fundamentalisten und Ausläufern der Corona-Protestbewegung feststellbar, die sich etwa in wiederholten Protesten gegen Drag-Queen-Lesungen oder Pride-Paraden realisiert hat. Während Homo- und Transphobie hier die gemeinsame ideologische Grundlage liefern, passen die Aktionen, die nun Anlass zu Razzien gegeben haben, aufgrund ihrer physischen Brutalität dezidiert ins neonazistische Aktionsspektrum.“
Erst vor zwei Wochen wurde die Wohnung einer Wiener Drag Queen verwüstet und die Wände mit Hakenkreuzen besprüht. Gestern wurde ein Teilnehmer einer Demonstration gegen eine Dragqueen-Lesung für Kinder verurteilt, der vor der Türkis Rosa Lila Villa einen Hitlergruß gezeigt hatte. Das Urteilt ist noch nicht rechtskräftigt.
NGO fordert Nationalen Aktionsplan gegen Hassverbrechen
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien zeigt sich zu dem Vorfall entsetzt. „Für Lesben, Schwule, Bisexuelle, transgender, intergeschlechtliche und queere (LGBTIQ-)Menschen waren Hass und Gewalt immer schon ein Teil der Lebensrealität“, sagt Ann-Sophie Otte, Obfrau der HOSI Wien. „Aber dass es ein österreichweites Netzwerk mit Verbindungen bis in die Slowakei gibt, nur mit dem Zweck, unschuldigen Menschen Gewalt anzutun, ist eine neue Stufe des Hasses. Sowas ist kein Einzelfall mehr.“ Derartige Hetze ist Gewalt, so Otte weiter.