Österreich

Rechnungshof-Kritik an Social-Media-Accounts von Nehammer und Kogler

Die Profile von Regierungspolitikern wurden vom Rechnungshof geprüft. profil liegt der Rohbericht vor. Darin wird eine „Vermischung von Regierungs- und Parteiarbeit“ festgestellt – und ein möglicher Verstoß gegen das Parteiengesetz.

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Wenn sich Bundeskanzler Karl Nehammer an seine 58.000 Follower auf Facebook wendet, hat er dabei wechselnde Hüte auf: Mal ist Nehammer als ÖVP-Parteichef zu sehen, der mit dem Bauernbund nach Mariazell pilgert. Mal inszeniert er sich als Bundeskanzler der Republik Österreich und streamt das Pressefoyer nach dem Ministerrat auf seiner Seite. Offizielle Pressefotos aus dem Kanzleramt wechseln sich mit türkisen Parteisujets ab.

Diese Verquickung von Partei und Amt bei den Social-Media-Auftritten von Regierungspolitikern hält der Rechnungshof in einem bisher unveröffentlichten Rohbericht für „problematisch“.

Für den 55-seitigen Bericht (Titel: „Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern“), der profil vorliegt, wurden die Accounts von Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), dem oberösterreichischen Vizelandeshauptmann Manfred Haimbuchner (FPÖ) und Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) geprüft. Damit wählte der Rechnungshof von jeder im Nationalrat vertretenden Partei einen Regierungspolitiker aus.

Regierungs- und Parteiarbeit vermischt

Bei Nehammer, Kogler, Doskozil und Wiederkehr hielt der Rechnungshof „kritisch fest“, dass die Social-Media-Accounts durch Mitarbeiter der Kabinette mitbetreut wurden, obwohl die Accounts laut Impressum von den Parteien oder von den Politikern selbst verwaltet wurden. Die Prüfer sehen darin eine „Vermischung der Sphären von Regierungs- und Parteiarbeit – indem Bedienstete der öffentlich-rechtlichen Körperschaften parteipolitische Social-Media-Accounts betreuten“. Das äußere sich auch daran, „dass anhand der Postings und Veröffentlichungen nicht ersichtlich war, ob die jeweiligen Inhalte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der überprüften Stellen und somit Ressourcen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder von der jeweiligen politischen Partei erstellt, bearbeitet bzw. veröffentlicht wurden“.

Klar: Nehammer und Kogler sind beides – die Chefs ihrer jeweiligen Parteien und Amtsträger. Ihre Facebook-Fanpages werden laut Impressum allerdings von der jeweiligen Bundespartei verwaltet.

Rechtlich „problematisch“

Aus Sicht des Rechnungshofes stellt der öffentliche Ressourceneinsatz für diese Pages nicht nur einen „Vorteil gegenüber Nicht-Regierungsmitgliedern“ dar, sondern könnte auch in rechtlicher Hinsicht „problematisch“ werden, heißt es in dem Bericht wörtlich. Konkret „könnte eine unzulässige Spende nach dem Parteiengesetz vorliegen“. Denn laut dem Gesetz dürfen Parteien keine Spenden (auch keine Sach- oder Personalspenden) von öffentlich-rechtlichen Körperschaften wie Ministerien annehmen. Der Rechnungshof wählte im Bericht den Konjunktiv, weil es noch keine Rechtsprechung in Bezug auf die Nutzung von öffentlichen Personalressourcen für parteipolitische Accounts gibt.

Allerdings kam es in einem ähnlich gelagerten Fall bereits es zu einer Verurteilung der FPÖ durch den Unabhängigen Parteien- und Transparenzsenat (UPTS): Der damalige Innenminister Herbert Kickl bewarb auf seiner Facebook-Seite ein Gewinnspiel zum Neujahrstreffen der FPÖ, was der UPTS als unzulässige Spende des Innenministeriums an die Partei wertete. Dem Posting wurde damals ein läppischer Werbewert von 500 Euro zugeschrieben.

Personalkosten für Mitbetreuung

Im Falle der Social-Media-Mitarbeiter von Kanzler, Vize und Landespolitikern könnte es für die Parteien beträchtlich teurer werden: Alleine im ersten Halbjahr 2022 fielen im Bundeskanzleramt für die Mitbetreuung von Nehammers Social-Media-Accounts Personalkosten von 25.000 Euro an, heißt es in dem Bericht. Bei Kogler waren es knapp 29.000 Euro, bei Doskozil knapp 20.000 Euro und bei Wiederkehr knapp 35.000 Euro. Nur bei Haimbuchner fielen laut dem Bericht keine Personalkosten an.

Zusätzlich zu den Personalkosten gab das Land Burgenland weitere rund 1400 Euro aus, um die Accounts von Doskozil zu bewerben. Die Stadt Wien bezahlte 4100 Euro, damit Wiederkehr eine Softwarelizenz und technisches Equipment anschaffen konnte. Der Rechnungshof: „Auch diese Kosten vergüteten die Medieninhaber (Parteien oder Politiker, Anm.) den überprüften Stellen (Ländern, Anm.) nicht.“

Mangelnde Vorgaben

Obwohl Regierungspolitiker seit über einem Jahrzehnt auf Social-Media-Kanäle setzen, gibt es dafür teilweise keine Richtlinien: Das grün-geführte Ministerium für Kunst, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) unter Kogler hatte zum Zeitpunkt der Prüfung „keine Vorgaben zur Trennung von Regierungs- und Parteiarbeit in Zusammenhang mit Social Media“. Das Ressort verwies darauf, dass erfahrene Kollegen neue Mitarbeiter dahingehend „einweisen“ würden. Der parteipolitische Content werde von Parteimitarbeitern, die regierungsrelevanten Postings von Kabinettspersonal gestaltet. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.

„Im Land Burgenland gab es ebenfalls keine Vorgaben zur Trennung von Regierungs- und Parteiarbeit im Bereich Social Media; das Land verwies diesbezüglich gegenüber dem RH auf die Compliance-Richtlinien und Dienstvorschriften des Landes. In diesen war jedoch das Thema nicht geregelt.“

Fehlerhafte Impressen

Für die Frage, ob es zu unzulässigen Personalspenden öffentlicher Stellen an Parteien kam, ist die Medieninhaberschaft entscheidend. Nur bei den Accounts des grünen Vizekanzlers Kogler war der Medieninhaber – die grüne Bundespartei – einfach auffindbar. Bei Wiederkehr und Haimbuchner konnte der Rechnungshof erst durch eine Nachfrage bei den Bundesländern klären, wem die Accounts gehören. Fehlerhaft war auch das Impressum von Doskozils Facebook-Page: Sie verlinkte bis September 2022 zu seiner persönlichen Website, die wiederum der SPÖ gehörte. Auf Nachfrage der Prüfer erklärte das Land, der Link sei „übersehen, mittlerweile aber korrigiert worden“. Nun wird das Land Burgenland als Medieninhaber angeführt.

Im Bundeskanzleramt lagen zwar seit einem Ministerratsbeschluss im Jahr 2010 Richtlinien für die Öffentlichkeitsarbeit der gesamten Bundesregierung vor, darunter der Punkt, dass bei Kommunikationsmaßnahmen der „Eindruck einer werbenden Einflussnahme zugunsten einer politischen Partei [zu] vermeiden“ sei. Diese Vorgaben waren aber weder der hauseigenen Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit noch dem BMKÖS bekannt.

Im Gegensatz zu allen anderen geprüften Stellen verfügte das Bundeskanzleramt zum Zeitpunkt der Prüfung über keine eigene Social-Media-Strategie zu Zielgruppen, Kanälen und Inhalten.

Wie es besser ginge

Wie aber kann Regierungs- und Parteiarbeit auf Social Media sauber getrennt werden? Der Rechnungshof zeigt in seinem Bericht zwei Lösungswege auf. Erstens verweisen die Prüfer auf den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, der auf Kanälen wie Instagram oder Twitter zwei Accounts betreibt – einen als Amtsträger und einen als Parteipolitiker. Den Account „bundeskanzler“ übernahm Scholz von seiner Vorgängerin Angela Merkel. Eine saubere Trennung von Regierungs- und Parteiarbeit könnte aber auch so aussehen, dass keine öffentlichen Mittel in die Accounts fließen, sondern „die politische Partei die Kosten der Betreuung trägt“. Und zwar ausschließlich.

Im Social-Media-Bericht versteckt sich auch eine Passage, die in den Parteizentralen für Panik sorgen könnte: Der RH will „die Feststellungen der gegenständlichen Gebarungsprüfung im Rahmen seiner Kontrolle der Rechenschaftsberichte der politischen Parteien berücksichtigen“. Sollten die Prüfer dabei auf Widersprüche stoßen, würden sie das dem UPTS melden, der in der Folge Strafen verhängen könnte.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.