Rechte Allianzen: Was hat Trump mit den Identitären zu tun?
Beobachter der Szene waren verwirrt. Als vergangenen Juni einige Hundert Identitäre mit Lambda-Fahnen in Wien durch die Straßen zogen, blitzte in ihren Reihen das eine oder andere Donald-Trump-Shirt auf. Was, fragten sich Außenstehende, haben österreichische Rechtsextreme mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu tun?
Mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Die Identitären und Trump teilen ein Faible für die Medienplattform "Breitbart News", die unter ihrem Gründer Andrew Breitbart angetreten war, die Macht traditioneller Medien zu brechen. Nach Breitbarts Tod 2012 führte Stephen Bannon dessen Mission zunächst fort, baute das Online-Medium aber sukzessive zu einem Sprachrohr Trumps um. Breitbart heiße jetzt "Trumpbart", spotten Kritiker. Vor allem aber wurde es zu einem Einfallstor der sogenannten "Alternative Right" in das konservative Lager.
Den Begriff "Alt-Right" prägte Richard Spencer, selbst ernannter Verteidiger "weißer Rasseninteressen" in den USA. Seine Websites "Alternative Right" und "Radix Journal" strotzen vor rechtsradikalem Gedankengut in modischer Aufmachung: von Exkursen zu europäischer Identität bis hin zu rassischer Überlegenheit. Auf den "Genozid an Weißen" laufen in der Vorstellungswelt der amerikanischen Rechtsextremen Masseneinwanderung, gesellschaftliche Vielfalt und Feminismus hinaus. Konservative, die auch nur einen Millimeter von ihren rassistischen, frauenverachtenden, fremdenfeindlichen, antisemitischen und islamophoben Positionen abrücken, werden als "Cuckservatives" vorgeführt - eine derbe Anspielung auf einen gehörnten Ehemann ("cuckold").
Signal an Rassisten
Der politische Held des Abwehrkampfes, zu dem das Alt-Right-Lager aufruft, heißt Donald Trump. Hier schließt sich einer von mehreren Kreisen. Mitte August holte der republikanische Präsidentschaftskandidat den Breitbart-Chef Bannon als Kampagnenmanager in sein Team. Ehemalige Breitbart-Mitstreiter wie Ben Shapiro, der die Online-Plattform aus Protest gegen die radikale Ausrichtung im März verlassen hatte, waren entsetzt: Wie konnte sich Trump einem Mann ausliefern, "der mitgeholfen hat, eine klassische konservative Website zu einer Kloake der Altrechten zu machen"? Die personelle Rochade war ein Signal an Rassisten und wurde in einschlägigen Zirkeln entsprechend freudig beklatscht: Jared Taylor, Herausgeber des rechtsextremen Online-Mediums "American Renaissance", befand, damit verschaffe Trump den Positionen der Alt-Right die verdiente Popularität.
Einen ähnlichen Dienst hatte Breitbart.com zuvor jungen Rechtsextremen aus Österreich erwiesen. Wer hier nach "Identitarians" und "Austria" sucht, wird schnell fündig. Die Online-Berichte lesen sich teilweise wie Pressemeldungen der patriotischen Jugendbewegung, die sich am italienischen und französischen Faschismus ausrichtet, mit dem Hitlerismus der alten Recken bricht und nicht von Rasse, sondern von Identität redet: Jeder soll bleiben, wo er hingehört. Das entspricht ihrer Idee von "Ethnopluralismus" und klingt fast schon nett. Doch in Internet-Videos beschwört die Identitären-Bewegung die Gefahren des "großen Austausches" des Volkes und spielt unverhohlen mit der Symbolik des Dritten Reichs.
Auf Breitbart.com werden sie als "hipster right Identitarians" oder - noch harmloser - "Austrian Identitarian youth group" bezeichnet. Die Berichte über ihre Aktionen sind wie Heldengeschichten verfasst, ausgeschmückt mit Videomitschnitten und reißerischen Tweets des Wiener Identitären Martin Sellner. "Da habe ich mich gerade abgeseilt", twitterte er mit Foto am 27. April 2016, nachdem Identitäre am Burgtheater ein Banner angebracht hatten. "Heuchler!" stand darauf.
Zwei Wochen zuvor hatten Vertreter der rechtsextremen Bewegung an der Uni Wien die Aufführung des Jelinek-Stücks "Die Schutzbefohlenen" gestürmt. Als im Juni Identitäre eine Vorlesung an der Universität Klagenfurt störten, ließ der "Breitbart"-Journalist Chris Tomlinson einen der beteiligten Identitären erklären, die Aktivisten seien vom Rektor angegriffen worden. Im Juni 2016 verbreitete die Plattform die Geschichte eines Identitären, der bei einer Demo von einem Stein getroffen wurde, nebst einem Tweet vom Krankenbett, den die Identitären-Bewegung abgesetzt hatte: "Wir haben Max im Spital besucht. Trotz seinem Zustand ist er ungebrochen. #defendeurope". Neben tendenziösen Huldigungen finden sich auf "Breitbart" auch Reuters-Meldungen und seriös recherchierte Berichte.
Rechtsextreme Kontakte nach Russland
"Breitbart" pflegt jedenfalls ein Faible für "weiße Männer, die Angst haben, zu einer hellbraunen Rasse umgevolkt zu werden, und sich als die letzte wehrhafte Generation verstehen", wie es der Klagenfurter Philosoph Josef Mitterer ausdrückt. Hier schließt sich ein noch viel größerer Kreis. Die rechtsextreme identitäre Bewegung in Wien unterhält enge Kontakte nach Russland. Auch Trump kann bekanntlich ganz gut mit Wladimir Putin. Gibt es etwas, das so unterschiedliche Persönlichkeiten und Bewegungen wie Trump, Marine Le Pen in Frankreich, die AfD und Pegida in Deutschland, den britischen Rechtspopulisten Nigel Farage, seinen niederländischen Kollegen Geert Wilders und die österreichische FPÖ bis hin zu den Identitären eint? Ja, meint Mitterer: "Sie sind politische Borderliner, die nicht nur um die nationalen Grenzen fürchten, die sie zu-und aufmauern möchten; sie haben auch Angst um ihre eigene Identität." So sehr sie sich in der Wahl der Worte und der Mittel unterscheiden, sie alle zielen auf kulturelle und ethnische Homogentität.
Grenzüberschreitende Allianzen gab es schon lange vor Breitbart.com. Einer der eifrigsten Netzwerker ist David Ernest Duke, und auch er hat Verbindungen nach Österreich. Als führendes Mitglied des Ku-Klux-Klans knüpfte er in den 1970er-Jahren Kontakte zwischen amerikanischen Neonazis und ihren europäischen Verbündeten. 2009 wurde Duke aus Tschechien ausgewiesen, weil er in seinem Buch "The Awakening" den Holocaust geleugnet hatte. Deutschland verwehrte ihm den Aufenthalt. Ein italienisches Verwaltungsgericht stufte ihn als Gefahr für die öffentliche Sicherheit ein.
Laut Recherchen der Plattform "Stoppt die Rechten" zog er sich nach Zell am See zurück und dirigierte von hier aus seine rechtsextremen Aktivitäten. Auch in Salzburg-Stadt war er eine Weile polizeilich gemeldet. Unklar ist, wann Duke zuletzt in Österreich war. "Jedenfalls war er früh ein Verbinder zwischen weißen Rassisten in Amerika und russischen Rechtsextremen", sagt Karl Öllinger, einer der Betreiber der Plattform "Stoppt die Rechten".
"Excellent speech"
Im März dieses Jahres warb Duke für Trump, der sich einige Tage später und unter öffentlichem Druck jedoch von ihm distanzierte. Das hindert den berüchtigten Rechtsradikalen nicht daran, weiter für seinen Kandidaten zu werben. "Excellent speech", twitterte Duke vor wenigen Tagen, nachdem Trump wieder einmal gegen Einwanderer ausgeholt hatte.
Zu Trumps Unterstützern gehört auch "Vdare", eine Hass-Site weißer Nationalisten. Ihr Gründer, Peter Brimelov, sitzt einer gleichnamigen Stiftung vor, die gegen die "Verschmutzung Amerikas durch Nicht-Weiße, Katholiken und spanischsprachige Einwanderer" wettert. Auch die Neonazi-Site "The Daily Stormer", laut Eigendefinition die meistbesuchte Alt-Right- Website der Welt, steht hinter dem rabiaten Republikaner; ebenso der Radiosender "The Political Cesspool", dessen Agenda es ist, die Geburtenrate der Weißen in die Höhe zu treiben, oder "The Right Stuff", ein antisemitischer Blog nebst Podcast "The Daily Shoah". Mike Enoch, der Mann hinter der Website, erklärte gegenüber dem britischen "Guardian" seine Schwäche für "Breitbart News": Die eigenen Positionen seien hier so gut wie in keinem anderen Mainstream-Medium vertreten.
Im illustren Kreis der Trump-Anhänger darf Sellner nicht fehlen. Vor wenigen Monaten konstatierte der Wiener Identitäre auf dem Internet-Blog der rechtskonservativen Zeitschrift "Sezession":"Wir befinden uns in einer Art identitärer Achsenzeit." Wie auf ein geheimes Zeichen tauche in verschiedenen nationalen Ausprägungen die eine große Frage nach "unserer Identität" auf. In Amerika stehe dafür "der Trump-Train", der alle "geistig agilen und rebellischen Kräfte des konservativen Lagers in einer Front vereint, die den ,cultural war' gegen die Linksliberalen gewinnen könnte."
"The Donald", schwärmt Sellner, habe ihm den Glauben an "das andere Amerika zurückgegeben, den ich nie hatte".
Alle Mann an Bord.