Rudolf Mayer bei einem Prozess 2016.
Terror in Wien

Rechtsanwalt Mayer: "Kreis der Sympathisanten noch viel größer als der islamistischen Gefährder"

Rechtsanwalt Rudolf Mayer kennt das Umfeld des Wien-Attentäters K. F. von einem früheren Prozess. Nun vertritt er zwei seiner Freunde.

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profil: Hätten Sie K. F. diesen Anschlag zugetraut?

Mayer: Ehrlich gesagt nein. Ich habe ihn beim Prozess 2019 als Geläuterten erlebt.

profil: Sie vertraten damals den langjährigen Freund des Attentäters, den türkischstämmigen B. K. (22). Die beiden wollten sich 2018 der Terrororganisation Islamischer Staat in Syrien anschließen. B. K. landete nach dem Attentat am Montag erneut in Haft.

Mayer: Ich vertrete ihn nun wieder. Zusammen mit einem weiteren Freund, den 20-jährigen I. B.,ebenfalls türkischstämmig. Beide haben den Attentäter noch am Tag des Anschlags getroffen. Es ging um eine Buchrückgabe. Am Abend erkannte I. B. den Attentäter auf Fotos vom Anschlag und erzählte seiner Mutter davon. Diese wandte sich an einen Deradikalisierungsexperten der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Dieser riet ihr, ihn sofort zur Polizei zu schicken. Er stellte sich.

profil: Beide bleiben in Haft. Es liegt wohl etwas vor.

Mayer: Ich bin überzeugt, dass sie mit dem Anschlag nichts zu tun haben. Sonst wäre I. B. über alle Berge, anstatt sich zu stellen. Bei B. K. stand schon in der Anklageschrift zum Prozess im Vorjahr, dass der spätere Attentäter meinen Mandanten anstiftete.

profil: Darin steht auch, dass B.K. den Treueschwur auf den damaligen IS-Chef Al-Baghdadi leistete. Das ist etwas Bindendes.

Mayer: Das stimmt. Doch Jugendliche sind schnell von etwas begeistert, das muss ihn heute nicht mehr kümmern.

profil: Kanzler Sebastian Kurz kritisierte die Justiz, weil der spätere Attentäter und dessen Freund nach der ersten Verurteilung 2019 nur zwei Drittel ihrer Strafe absitzen mussten. Wie schätzen Sie das damalige Strafmaß ein?

Mayer: Beide fassten 22 Monate unbedingte Freiheitsstrafe aus. Das war gemessen am Delikt eine immens strenge Strafe für zwei unbescholtene Jugendliche, die auch beruflich Fuß fassen wollten und die HTL besuchten. Der Schöffensenat begründete die Härte des Urteils damit, dass man sich solch extremistischen Tendenzen mit aller Kraft entgegenstellen müsse. Das letzte Straf-Drittel zu erlassen, ist völlig üblich. Hätte man ihnen das vorenthalten, wäre es für sie wohl der endgültige Beweis gewesen, dass der IS recht mit allem hat, was er über die bösen Ungläubigen sagt.

profil: Und für ewig wegsperren geht auch nicht.

Mayer: Überzeugungstäter kann ich nur ändern, wenn ich die Überzeugung ändere. Nicht durch immer längere Haftstrafen. Die meisten Dschihadisten werden in Haft noch radikaler, weil ihre missliche Lage den Hass auf Ungläubige weiter nährt. Und dann versuchen sie bald, andere zu überzeugen.

 

profil: In Österreich gibt es zahlreiche Gefährder. Was tun?

Mayer: Ich habe schon vor der Flüchtlingswelle 2015 gewarnt: Wir brauchen zusätzlich Tausende Sozialarbeiter und Psychologen, die sich intensivst um die entlassenen Gefährder kümmern, sonst werden wir dieses Problems nicht Herr. Nicht übersehen dürfen wir außerdem den viel größeren Kreis der Sympathisanten, die zwar nicht direkt gewaltbereit sind, aber offen für radikales Gedankengut. Sie können Gefährder werden.

profil: Der Attentäter ist kein Flüchtling. Er ist im beschaulichen Mödling bei Wien geboren. Mit normalen Eltern. Wie auch jener Mandant von Ihnen, der als 14-Jähriger eine Bombe am Westbahnhof zünden wollte und dafür verurteilt wurde.

Mayer: Richtig. Und dennoch leben sie zwischen zwei Welten. Einer österreichischen und einer muslimischen. Je schlechter das eigene Leben in Österreich, desto stärker wenden sie sich einem radikalen Islam zu, der ihnen Macht und Stärke über das eigene Leben hinaus verleiht. Dass muslimische Migranten-Buben von ihren Müttern zumeist wie kleine Prinzen behandelt werden, macht es auch nicht einfacher. Bei diesen Jung-Machos zählen nur Kraft, Macht und Stärke. Das macht anfälliger für Radikalisierung.

profil: Wie holt man sie zurück?

Mayer: Das soll jetzt nicht falsch rüberkommen, aber eine 20-jährige Sozialarbeiterin wird sich schwertun mit einem tschetschenischen Gewalttäter. Sie müssen die Betreuer respektieren. Am ehesten schaffen es männliche Personen aus ihren Communities, ihnen unser Wertesystem zu vermitteln. Damit sie lernen, andere Weltsichten zu akzeptieren. Und es braucht Arbeit oder Lehrwerkstätten. Keiner darf beschäftigungslos auf der Straße sein.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.