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Rechtsextremismus

Rechtsextremismus-Bericht: Sorge vor Terrorismus von rechts

Erstmals seit zwanzig Jahren präsentierte das DÖW seinen Bericht zu Rechtsextremismus in Österreich. Die Szene weist zahlreiche Verbindungen zur FPÖ auf, radikalisiere sich zunehmend und Teile davon würden militanter auftreten.

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In Österreich gebe es keine Rechtsextremen, sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl bei einem Interview mit dem Fernsehsender Servus TV im September 2024. „Das wäre die einfachste Lösung“, sagte Historiker Bernhard Weidinger bei der Präsentation des Rechtsextremismus-Berichts für die Jahre 2020 bis 2023 im Wiener Presseclub Concordia. Denn wenn es in Österreich keinen Rechtsextremismus gebe, dann würde sich die Frage nicht stellen, ob die FPÖ eine rechtsextreme Partei ist.

Tatsächlich kommt die FPÖ in dem knapp 200-seitigen Bericht 231-mal vor.

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) wurde mit dem Bericht vom Innen- und vom Justizministerium bis 2028 beauftragt, der Auftrag ist nur außerordentlich vom Auftraggeber kündbar.

Rechtsextreme Einschüchterung

Das Spannungsfeld der Debatte wurde auch im Präsentationsraum sichtbar: In der ersten Reihe des Presseklubs saß ein Mitarbeiter des Senders „Auf1”, einem Linzer TV-Sender, der selbst Thema des Berichts ist. Der zugehörige Mitarbeiter war ein langjähriges Mitglied der Wiener Identitären, auch diese Bewegung ist Teil des Berichts, gilt eindeutig als rechtsextrem. FPÖ-Chef Kickl dagegen hält sie für eine „NGO von rechts”, wie er 2021 bei einem Vortrag sagte. Fragen des Mannes wurden nicht angenommen, weil er selbst Objekt des Berichts ist, er filmt den Vortrag und die Journalistinnen und Journalisten im Raum. 

Tagespolitik sei im Bericht kein Thema, erklärte DÖW-Leiter Andreas Kranebitter, aber das DÖW würde „obsessiv” verunglimpft und sein Name als wissenschaftliche Institution in Frage gestellt. Die Herabwürdigung des DÖW als „Rechtsextremismus-Macher” drücke bereits auch die Wissenschaftsfeindlichkeit dieser Kritiker aus.

Die Basis der Definition für Rechtsextremismus bilden die wissenschaftlichen Arbeiten des Historikers Willibald Holzer: Drei Kernmerkmale sind Ethnozentrismus, Verneinung der Gleichheit der Menschen und Autoritarismus. 

Rechtsextremismus: männlich und autochthon

Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl extremistischer Vorfälle konstant gestiegen. 2023 gab es laut BMI 1.208 rechtsextreme Tathandlungen. Bei einem Großteil handelte es sich um Verstöße gegen das Verbotsgesetz, Sachbeschädigung und Verhetzung. Der Großteil der Taten würde von autochthonen Österreichern begangen, linksextreme Taten habe es 97 gegeben, so die Präsentierenden.

Die Kapitel des Berichts sind den unterschiedlichen Akteuren und Akteurinnen der österreichischen rechtsextremen Szene gewidmet. Darunter Neonazis, deutschnationale Vereine, die neue Rechte und auch (post-)migrantische Nationalisten. Aber auch die rechtsextreme Publizistik wird eigens thematisiert. In der rechtsextremen Medienlandschaft gäbe es dynamische Entwicklungen, Corona sei hier das dominierende Thema, das während der Pandemie klassische rechtsextreme Erzählungen überlagert hat. Auch auf personelle Überschneidungen wird eingegangen: Die FPÖ umarmt und schützt Rechtsextremismus, es gebe kaum Unterschiede zwischen Teilen des Parteiprogramms und Vorstellungen der extremen Rechten. 

Richtung Rechtsterrorismus

„Unsere Gesellschaft ist mit mehr Rechtsextremismus aus der Coronakrise gekommen”, sagt Projektleiter Weidinger. Besorgniserregend sei auch die zunehmende Militarisierung der rechtsextremen Szene. Queerness und die LGBT-Bewegung (Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans Personen) werden zunehmend Opfer rechtsextremer Narrative und Angriffe, auch die Klimaschutzbewegung stehe zunehmend im Blick rechtsextremer Akteure.

Beobachtbar sei eine Tendenz einer grundsätzlichen Entfremdung von der österreichischen Demokratie, begleitet von der „neurechten“ Erzählung „wonach das Zeitfenster für einen gewaltfrei herbeigeführten Kurswechsel sich in absehbarer Zeit schließen werde.” Militanz sei nicht auszuschließen, heißt es im Bericht, es gebe „Anlass zur Sorge” und auch in Österreich erste Anzeichen für Sympathisanten des akzelerationistischen Rechtsterrorismus. Damit wird eine Strategie bezeichnet, mit der durch Terror eine Gewaltspirale in Gang gesetzt werden soll, um die liberale Demokratie zu zerreißen, so die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung.

Die rechtsextreme Medienlandschaft würde sich zunehmend von dem von ihr so bezeichneten „Mainstream Medien” abkapseln. Wer sich in diesen Blasen bewegt, der würde nicht in Berührung kommen mit widerstreitenden Meinungen oder Fakten und das sei ein „demokratiepolitisches Problem”, so Weidinger.

Das Dokumentationsarchiv selbst erhalte immer öfter „Fanpost” von Rechtsextremen, strafrechtlich Relevantes werde an entsprechende Stellen weitergeleitet, sagte DÖW-Chef Kranebitter im Anschluss an die Berichtspräsentation. Die Frage, ob sich das DÖW selbst geschützt fühlt, bejaht er – man habe gute Freunde.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Seit Dezember 2024 im Digitalteam.