Mölzer in Kabul
Politik

Recken auf Reisen: Die seltsame Außenpolitik der FPÖ

Besuch bei Massenmördern und Trump-Freunden, Kampf für die Einheit Tirols – die Außenpolitik der FPÖ ist erratisch.

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Wenn Herbert Kickl einen Parteifreund zur Aussprache vorlädt, ist die Lage ernst. Johannes Hübner weiß das. Dennoch ging es für den Wiener Rechtsanwalt noch einmal gut aus. Hübner habe ihm „zugesagt, künftig bei seiner Wortwahl mit besonderer Vorsicht vorzugehen, um selbst die Möglichkeit von Missinterpretationen weitestgehend zu vermeiden“. Für die FPÖ sei die Sache damit erledigt. Das war im Juli 2017, Kickl FPÖ-Generalsekretär und Hübner Nationalratsabgeordneter. Antisemitische Anspielungen, die Hübner bei einem Vortrag in Deutschland von sich gab, hatten für Empörung gesorgt.

Nun wurde Hübner, Ex-Abgeordneter und Ex-Bundesrat, abermals vorgeladen. Herbert Kickl ist mittlerweile Bundesparteiobmann. Grund für den befohlenen Rapport ist Hübners Reise nach Afghanistan, bei der er vom früheren EU-Mandatar Andreas Mölzer begleitet wurde. Der „Rentner-Ausflug“ habe nichts mit der FPÖ zu tun und sei eine „unglaubliche Dummheit“ gewesen, so Kickl.

Besonders durchdacht ist die freiheitliche Außenpolitik in ihrer Gesamtheit nicht. Besucht werden neben Islamisten vorwiegend Despoten und Vertreter autokratischer Regimes. Und reisen Freiheitliche in demokratische Länder wie die USA oder Israel, trifft man sich entweder mit politischen Randfiguren oder Radikalen. Bloß in einem Feld geht die FPÖ strategisch und professionell vor: bei der Vernetzung mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in Europa.

Außenwelt aus Innensicht

Andreas Mölzer ist gelassen, wie er profil nach seiner Rückkehr aus Afghanistan erzählt. Er müsse vor Reisen niemanden um Erlaubnis fragen, nicht seinen FPÖ-Chef, „keinen König oder Bischof“. Seine Reise sei aus journalistischem Interesse erfolgt.

Zudem habe er sich für den 84-jährigen Rechtsaußen-Publizisten („Der Völkerfreund“) Herbert Fritz eingesetzt. Dieser war im Juni nach Kabul gereist, um zu demonstrieren, wie sicher das Land für mögliche afghanische Rückkehrer aus Österreich sei. Prompt wurde er vom Sicherheitsdienst festgesetzt. Es wird gemutmaßt, auf seinem Handy seien Fotos von einer Konferenz afghanischer Oppositioneller in Wien gefunden worden.

Es war nicht die erste ungewöhnliche Reise von Mölzer und Johannes Hübner. Gemeinsam besuchten sie schon deutschsprachige Mennoniten (Angehöriger einer evangelischen Freikirche) in Paraguay, frühere Kämpfer der maoistischen Terrororganisation „Leuchtender Pfad“ in Peru und Indigene in Kanada. Schon vor Jörg Haider war Mölzer 1988 zu Besuch in Libyen. Der damalige Kärntner Landeshauptmann besuchte Diktator Muammar Gaddafi im Mai 2000, den irakischen Autokraten Saddam Hussein traf Jörg Haider im Februar 2002. Andreas Mölzer beschreibt das Konzept der freiheitlichen Außenpolitik konzis: „Ausgegrenzte fahren zu anderen Ausgegrenzten.“

Deutsche Freunde

Die „Dummheit“, dass Vertreter seiner Partei Steinzeit-Islamisten ihre Aufwartung machen, kommt für Herbert Kickl zur Unzeit. Erst vorvergangene Woche durfte er sich über einen prominenten Besuch freuen. Alice Weidel, Parteivorsitzende der AfD (Alternative für Deutschland), hielt in Wien vor begeisterten Freiheitlichen einen Vortrag über blaue Lieblingsthemen: Zuwanderung, Integration und Corona-Maßnahmen.

Zu Konflikten in und um Europa hat die FPÖ offenbar nicht viel Meinung. Weder zum Massenexodus von ethnischen Armeniern aus Bergkarabach noch zum eskalierenden Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo finden sich Aussendungen. Die Attacken der Hamas auf Israel verurteilte Herbert Kickl allerdings als „heimtückische terroristische Angriffe“. 

Das Außenpolitik-Kapitel im freiheitlichen Parteiprogramm firmiert unter „Weltoffenheit und Eigenständigkeit“ – und ist relativ kurz. Die blaue Außenpolitik orientiert sich „an der Sicherung der Souveränität Österreichs und dem Ziel des Schutzes der Freiheit seiner Bürger“. Grundlage der blauen „Weltoffenheit“ sind „die Liebe zu unserer Heimat, die Pflege unserer Traditionen, unserer Identität und unserer Kultur“ – die Außenwelt aus Innensicht. Dazu sieht sich die FPÖ als Vertreterin „der Interessen für alle Altösterreicher deutscher Muttersprache aus dem Bereich der ehemaligen k. u. k. Monarchie“. Und: „Wir streben die Einheit Tirols an.“

Formal verfügt der FPÖ-Parlamentsklub derzeit über keinen außenpolitischen Sprecher. Ihr bisheriger, Axel Kassegger, wollte ursprünglich mit nach Afghanistan und trat deswegen von seiner Funktion zurück. „Einen Akt tätiger Reue“ nannte es Kickl. Neue außenpolitische Sprecherin wurde die Abgeordnete Susanne Fürst.

Russische Freundschaften

Folgt man Mölzers These, dass „Ausgegrenzte Ausgegrenzte besuchen“, wird auch das freiheitliche Interesse an Russland verständlicher. Im Jahr 2016 schloss die FPÖ einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei „Einiges Russland“ ab. Veröffentlicht wurde dieser nie. Mittlerweile ist der Vertrag ausgelaufen, die blaue Russophilie allerdings nicht. Die „kriegslüsterne Sanktionspolitik“ (Kickl) des Westens gegen Russland lehnt die FPÖ – wie die AfD – ab. An Reisen österreichischer Delegationen nach Kyiv (Kiew) nehmen Freiheitliche prinzipiell nicht teil.

Zu anderen einstigen Staaten der untergegangenen UdSSR pflegen Freiheitliche umso lieber Kontakte. Im Jahr 2018 besuchte der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache den aserbaidschanischen Machthaber Ilham Aliyev und unterschrieb in Baku eine unverbindliche Wirtschaftserklärung. Vor allem für die österreichische Skindustrie sei Aserbaidschan interessant, so Strache, da Aliyev „ein begeisterter Skifahrer“ sei. Zur Vertiefung der Beziehungen wurde in der Folge das „Austrian-Azerbaijani Cooperation-Council“ in Wien gegründet. Nennenswert in Erscheinung getreten ist es nie. Mittlerweile dürfte das Council seine Aktivitäten überhaupt eingestellt haben.

Wahlen beobachten für Putin

Die wohl fragwürdigste Reise in die Russische Föderation führte FPÖ-Funktionäre, darunter Hübner und den damaligen Wiener FPÖ-Chef Johann Gudenus, im Februar 2012 zu „Putins Folterknecht“, dem Präsidenten der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow. Man habe über Gefahren gesprochen, die von tschetschenischen Flüchtlingen in Österreich ausgehen.

Johann Gudenus – er verfügt über ausreichende Russisch-Kenntnisse – gilt als Einfädler der freiheitlichen Beziehungen zu Russland. Nach Putins Invasion der Krim dienten sich Hübner und Gudenus im März 2014 den russischen Behörden als „Wahlbeobachter“ an, die den Ablauf des Pseudo-Referendums über die Zugehörigkeit der Krim zur Russischen Föderation überwachen sollten. Das Ergebnis der blauen Beobachtungen: Alles sei „seinen korrekten Weg gegangen“.

Für politische Vernetzungen auf EU-Ebene ist der Delegationsleiter der FPÖ in Brüssel, Harald Vilimsky, verantwortlich. Im EU-Parlament ist Vilimsky Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und in der Delegation für die Beziehungen zu den USA. Dorthin zieht es ihn auch in parteipolitischer Mission. Mit dem Chef der Wiener Freiheitlichen Jugend, Maximilian Krauss, nahm Vilimsky im Dezember 2022 laut einem „Standard“-Bericht an der Jahresgala des „New York Young Repub-lican Club“ in Manhattan teil. Superstars der Veranstaltung waren Donald Trumps Stratege Steve Bannon, der frühere Bürgermeister von New York und Trump-Anwalt Rudy Giuliani und die neue Heldin unter den rechtsreaktionären Republikanern, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia.

Trumpismus statt Antiamerikanismus

In der FPÖ der Altvorderen herrschte noch ein strammer Antiamerikanismus. Jörg Haider war vom US-Verständnis von Freiheit allerdings fasziniert und absolvierte Kurse an der Harvard University. Doch politische Kontaktaufnahmen glückten der FPÖ selten – bis Donald Trump Präsidentschaftskandidat wurde. Dessen Wahlsieg im November 2016 erlebte eine FPÖ-Delegation um Vilimsky, mit der Salzburger Landesparteiobfrau Marlene Svazek und dem damaligen FPÖ-Klubobmann im steirischen Landtag, Mario Kunasek, im Trump Tower in New York. Verbindungen pflegen die Freiheitlichen auch zur „Conservative Political Action Conference“, einer Plattform rechtskonservativer Politiker der Republikaner. Losen Kontakt gab es überdies zum früheren republikanischen Gouverneur von Arkansas, Mike Huckabee, einem überzeugten Trump-Unterstützer.

Schwierig gestalten sich seit jeher die freiheitlichen Annäherungsversuche an die israelische Politik. Das offizielle Israel will mit der FPÖ nichts zu tun haben. Mit freiheitlich geführten Ministerien wurde häufig nur auf Beamten-Ebene konferiert. Während der ÖVP-FPÖ-Koalition suchte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu allein Kontakt zum damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Austro-Hungaro-Nostalgie

Heinz-Christian Strache reiste mehrmals nach Israel, auch in Begleitung von Andreas Mölzer. Im Juni 2017 ließ Strache dem israelischen Premierminister über diverse Kanäle einen Brief zukommen, in dem er ihm versprach, sich dafür einzusetzen, die österreichische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen.

Die FPÖ-Außenministerin in der türkis-blauen Koalition, Karin Kneissl, berichtete im Februar 2019 von einem „angenehmen Gespräch“ mit Netanjahu am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Das Büro des Premiers korrigierte wenig später: Kneissl habe Netanjahu zwar abgefangen, ein Gespräch aber nicht stattgefunden.

Auch Kneissl rangiert aus Kickls Sicht mittlerweile in der Kategorie „Rentner“. Der FPÖ-Obmann konzentriert sich in seinem außenpolitischen Engagement auf rechte EU-Partner. Im Juni empfing er von der Öffentlichkeit unbemerkt in den Räumlichkeiten des FPÖ-Klubs in Wien eine hochrangige Delegation des französischen Rassemblement National. An einem Treffen von rechtspopulistischen und rechtsextremen Politikern aus den USA und Europa bei der „Conservative Political Action Conference“ in Budapest nahm er im Mai zwar nicht persönlich teil, übermittelte aber eine Video-Grußbotschaft, in der er Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán lobte: Dessen Land sei „eine stolze Festung“ in Europa, Österreich den Ungarn daher verbunden.

Die „k. und k.“-Nostalgie findet sich nicht von ungefähr im FPÖ-Programm.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.