Die neuen Regierungsbüros: Weltuntergangsuhr, Relikte und Second Hand
Mit ihrem Amtsantritt Anfang März haben fast alle Regierungsmitglieder (Staatssekretär:innen sind mitgemeint) neue Büros bezogen. Deren Vorgänger haben mit ihrer Einrichtung in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt: Im Bundeskanzleramt setzte Werner Faymann (SPÖ) sein kostengünstiges Mobiliar in Szene. Unter demselben Dach beschloss Sebastian Kurz (ÖVP), das geschichtsträchtige Kreisky-Zimmer zu revitalisieren. Und im Innenministerium ersetzte Herbert Kickl (FPÖ) einen roten durch einen blauen Teppich.
Aber welche Akzente haben die neuen Regierungsmitglieder bei der Ausstattung ihrer Büros gesetzt? profil hat nachgefragt.
Arbeit vor Einrichtung
Dazu lautet der einhellige Tenor aus den Kabinetten: „Uns geht’s ums Arbeiten, nicht ums Einrichten.“ So formuliert es zumindest ein Sprecher von Staatssekretär und Regierungskoordinator Alexander Pröll (ÖVP). Für größere Veränderungen im ehemaligen Büro von Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler sei keine Zeit, man arbeite rund um die Uhr „im Maschinenraum der Republik“. Beinahe wortgleich heißt es von SPÖ-Staatssekretärin und -Regierungskoordinatorin Michaela Schmidt, ihr unvollständig eingerichtetes Büro im Haus von SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler gleiche noch einem „Maschinenraum“.
Über Prölls Hausherrn, ÖVP-Bundeskanzler und Vespa-Fahrer Christian Stocker, ist seit Längerem bekannt, dass er seine Amtsgeschäfte aus dem dunkelvertäfelten Kreisky-Zimmer erledigt. Mit Ausnahme eines Hinweises auf das Geschenk von Claudia Plakolm, einer blauen Modell-Vespa, waren weitere Details zu Einrichtung und Dekoration von Stockers Sprecher nicht in Erfahrung zu bringen.
Apropos Plakolm.
Ausschreibung per Instagram
Aufmerksamen Beobachter:innen ist wohl nicht entgangen, dass im Büro der ÖVP-Ministerin für Europa, Integration und Familie neuerdings eine aufgemalte Uhr in EU-Optik einen der Wandspiegel im Dr.-Brigitte-Bierlein-Zimmer ziert. Unter der Uhr, auf der es fünf vor zwölf schlägt, prangt außerdem der Schriftzug „Now or never“. Der Künstler selbst nennt die Installation „Doomsday Watch“ (zu Deutsch: Weltuntergangsuhr).
Ob das im Sinne der verstorbenen Bundeskanzlerin, Kunstliebhaberin und Mitautorin des Buchs „Über die Pflicht, ein Optimist zu sein“ ist, darüber lässt sich naturgemäß nur mutmaßen. Genauso über die Kriterien, nach welchen Plakolm den Schöpfer ausgewählt und beauftragt hat – eine Sprecherin äußerte sich dazu auf profil-Anfrage nicht. Gekostet habe das Kunstwerk nichts, zukünftig soll über Instagram ausgeschrieben werden. Denn für die abwaschbare Weltuntergangsuhr selbst wird die Zeit am Ballhausplatz schon bald wieder abgelaufen sein, der Spiegel werde alle drei Monate für eine neue Installation zur Verfügung stehen.
Konkurrenz im Außenministerium
Aus den Büros der drei Neos-Regierungsmitglieder, die allesamt nur einen Steinwurf entfernt vom Bundeskanzleramt am Minoritenplatz liegen, ist zu vernehmen, dass bisher noch keine Zeit für Interieur gewesen sei. Dennoch schildern zwei davon einzelne Details.
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger etwa habe die Lichtinstallation „Treaty of Amsterdam“ einer österreichischen Künstlerin von ihrem Vorgänger übernommen. Es handelt sich dabei um eine Leihgabe der im Belvedere beheimateten Artothek des Bundes, wo Regierungsmitglieder für die Dauer ihres Amtes Kunstwerke ausleihen können.
Zum Schmunzeln verleitet ein Detail eine Etage über dem Arbeitsplatz der Außenministerin. Im Büro des Staatssekretärs für Deregulierung, Sepp Schellhorn, reihen sich Fotos von Schauspielern an eine eingerahmte Auszeichnung. Demnach wurde Schellhorn von einem Gourmetratgeber zum „Internationalen Botschafter“ ausgezeichnet.
Im benachbarten Innenministerium wird bald ein Dekorationsgegenstand einziehen, den man mitunter eher im Außenministerium vermutet hätte. Staatssekretär Jörg Leichtfried, der derzeit noch in einem Übergangsbüro weilt, möchte sein finales Büro künftig mit einer dreidimensionalen Weltkarte ausstatten. Vom Hausherrn und mehrjährigen ÖVP-Innenminister Gerhard Karner erreichte profil übrigens keine Antwort. Dasselbe gilt für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (beide ÖVP).
Segelboot, Sparsamkeit und Second Hand
Auch die weiteren SPÖ-Mitglieder der Bundesregierung sind wie die meisten ihrer Kolleg:innen gegenüber profil darauf bedacht, Sparsamkeit als oberstes Gebot bei der Einrichtung ihrer Büros zu vermitteln. Allen voran Vizekanzler Andreas Babler, der in seinem Büro in unmittelbarer Nähe von Donaukanal und Wienfluss bislang wenig geändert habe. Ein roter Soft-Fußball sorge für einen freien Kopf, meint Bablers Sprecher zu einem Dekorationsgegenstand des deklarierten St.-Pauli-Fans. Welchen Gemütszustand der neu ins Pressebüro eingezogene Delfin-Tisch (profil berichtete) beim Vizekanzler auslöst, ist unterdessen nicht bekannt.
Hummer und Delfin waren zuvor im nunmehr SPÖ-geführten Infrastrukturministerium untergebracht. In Peter Hankes Büro weilen mittlerweile etwa Modelle von Segelboot, Zug, Satellit und dem „Lieblingsprojekt“ des ehemaligen Wien Holding Chefs und Stadtrats – dem (laut Rechnungshof zu teuren) Twin City Liner.
Sparsam geht es bei Parteifreund und Finanzminister Markus Marterbauer zu, der laut einer Sprecherin auf die Büroeinrichtung seines Vorgängers setzt. Dazu zählt auch ein dunkelbrauner Schreibtisch, belegt mit dem Monatsbericht des Wirtschaftsforschungsinstituts und einem Buch im Arbeiterkammer-Design.
Es handle sich dabei um ein Notizbuch, das der ehemalige Chefökonom der Arbeiterkammer Wien bereits vor seiner Amtszeit verwendet habe und jetzt noch ausfüllen wolle, lässt eine Sprecherin auf Nachfrage wissen. Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) lässt sich noch kaum in die Karten blicken, das Budget sei derzeit prioritär, das Büro noch fast leer.
Für mehr Platz auf ihren Tischen sorgen hingegen die SPÖ-Ministerinnen für Frauen- und Wissenschaft, Eva-Maria Holzleitner, sowie für Soziales und Gesundheit, Korinna Schumann. Letztere lässt ausrichten, man stelle sich auf „viele Verhandlungsrunden“ ein und habe den Besprechungstisch auf die Länge von acht Metern verdoppelt. Mittels zusätzlichem „Tisch aus dem Bestand des Ministeriums“. Platznehmen wird an diesem Tisch mitunter auch Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig, die ihr Sprecher als „recht unprätentiös“ einschätzt, wenn es um Einrichtungsfragen geht.
Heimat großer Töchter
Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), zu dessen Kernaufgaben eigentlich die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums gehört, setzt größtenteils auf Second-Hand-Möbel. Allzu sehr in die Karten blicken lässt man sich dort aber noch nicht. Ein Gemälde aus der Artothek des Bundes soll jedenfalls ausgetauscht werden. Im selben Haus befindet sich das Büro von Parteikollegin und Tourismus-Staatssekretärin Elisabeth Zehetner, die auf „Schätze“ des hauseigenen Bundesmobiliendepots zurückgreifen möchte.
Bemerkenswert: Von Familienfotos in ihren Büros berichten uns drei der 21 Regierungsmitglieder. Konkret handelt es sich dabei ausschließlich um Mutter-Tochter-Fotos in den Büros von Zehetner, Meinl-Reisinger und SPÖ-Justizministerin Anna Sporrer. In deren holzvertäfeltem Büro findet sich außerdem ein Relikt aus den 1960er Jahren, als SPÖ-Justizminister Christian Broda seinen Mitarbeiter:innen per Signalanlage seine Verfügbarkeit zu verstehen gab.
Zu Zeiten der Signalanlage wäre den weiblichen Regierungsmitgliedern (und deren Töchtern) ein Regierungsamt noch verwehrt geblieben. Aus einer Genderperspektive also gut, dass sich die Zeiten mittlerweile geändert haben. Ebenfalls dem Zeitgeist entsprechend ist aus Budgetsicht auch die Tendenz zu Second Hand.
Ob die 21 Minister:innen und Staatssekretär:innen sich tatsächlich so sparsam einrichten, wie profil gegenüber kommuniziert, werden erfahrungsgemäß parlamentarische Anfragen der Opposition zeitnahe in Erfahrung bringen.
Alle verwendeten Fotos wurden auf Anfrage von profil von den jeweiligen Kabinetten übermittelt.