Riccardo Muti als Dirigent des Neujahrskonzerts 2018
#2020

Neujahrskonzert 2021: "Sollen wir nach einem fröhlichen Pestwalzer suchen?"

Die gute Nachricht: Es gibt ein Neujahrskonzert 2021, trotz allem. Aber ohne Publikum, im leeren Goldenen Saal des Musikvereins. Und zum sechsten Mal steht Riccardo Muti, einer der berühmtesten Dirigenten der Welt, am Pult.

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profil: Was bedeutet Ihnen das Neujahrskonzert?

Muti: Es ist eine Ehrenbezeugung des Orchesters, das mir neben dem Chicago Symphony Orchestra, das ich leite, am meisten bedeutet. Die Wiener Philharmoniker sind mir eine musikalische Heimat. 2021 feiere ich meinen 80. Geburtstag, und es wird 50 Jahre her sein, dass ich dieses Orchester zum ersten Mal dirigiert habe. Und nun wurde ich zum sechsten Mal von ihnen zum Neujahrskonzert eingeladen. Nur Clemens Krauss, Willi Boskovsky und Lorin Maazel haben es öfter dirigiert. Es ist eine wunderbare Geste, das neue Jahr mit dieser herrlichen wienerischen Musik zu beginnen -ein traditionsgesättigter Gruß hinaus in die Welt. Den können wir gerade besonders gut brauchen.

profil: Mögen Sie überhaupt Walzer?

Muti: Ich komme ja aus Neapel, wo ich mich dem Österreichischen stets viel näher empfunden habe als, sagen wir, Mailand. Und nicht nur, weil einst eine Habsburgerin, Maria Theresias Tochter Maria Karolina, auf dem neapolitanischen Thron saß. Sie hat dort sehr viel für die Musik getan, obwohl sie mit Ferdinand I. einen besonders dummen Bourbonen zum Mann hatte. Natürlich habe ich, als mich die Philharmoniker 1993 für mein erstes Neujahrskonzert einluden, gefragt, ob sie mir Walzer wirklich zutrauen. Aber wir haben uns über Franz Schubert, seine Lebenslust und Melancholie, sehr natürlich bis zu Johann Strauß vorgearbeitet.

profil: Was zeichnet einen Muti-Walzer aus?

Muti: In dieser Musik liegt bei aller Heiterkeit auch eine gewisse Traurigkeit, sie hat zwei Gesichter. Das macht sie viel wertvoller. Und diesmal wird uns die andere, bisweilen ein wenig übergangene Seite der Wiener Musik wohl noch stärker beschäftigen.


profil: Es wird erstmals ein publikumsloses Neujahrskonzert werden. Haben Sie darüber nachgedacht abzusagen?

Muti: Natürlich nicht! Gerade jetzt ist die Verpflichtung besonders groß, mit einem live spielenden Orchester ein wenig Freude zu übersenden. Das ist eine meiner Aufgaben als Musiker. Ich hoffe, wir finden noch Lösungen für den Applaus und das Mitklatschen beim Radetzkymarsch. Die Balletteinlagen wurden ja zum Glück schon im Sommer aufgezeichnet. Und heimlich wünsche ich mir natürlich, dass vielleicht doch ein paar Zuschauer in den Saal dürfen.

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profil: Wurde über Programmänderungen nachgedacht?

Muti: Keine Sekunde. Sollen wir jetzt noch nach einem fröhlichen Pestwalzer suchen? Es soll stets auch Novitäten wie den Walzer "Bad'ner Mad'ln" von Karl Komzák geben. Und es freut mich, dass wir gleich zweimal Franz von Suppè ehren, dessen 200. Geburtstag wir freilich schon 2019 erlebten. Vielleicht hat man eigens auf meinen Auftritt gewartet, denn Suppè wurde ja in Split geboren, und die Stadt war von der Republik Venedig an die Habsburger übergegangen.