Maria G. und Evelyn T. waren die letzten österreichischen Frauen im Camp, das von den kurdischen Milizen betrieben wird. Ihre Geschichten sind ähnlich. Beide hatten sich als Jugendliche dem IS angeschlossen, beide heirateten IS-Kämpfer, beide wurden Mütter. Es ist Samstagabend, 18.40 Uhr, als die Maschine aus dem irakischen Erbil mit den beiden Frauen und ihren Söhnen an Bord am Flughafen Wien-Schwechat landet. Hier endete die Parallele. Während Maria G. mit ihren zwei Kindern zu ihrer Familie zurückkehrte, wurde Evelyn T. noch am Flughafen verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Ihr siebenjähriger Sohn kam in die Obhut des Jugendamts.
Zwar laufen gegen beide Frauen Ermittlungen – auch Maria G. muss möglicherweise vor Gericht. Doch die Frage bleibt: Warum darf die eine jetzt in ihr Kinderzimmer nach Hallein zurückkehren, während die andere sofort ins Gefängnis muss?
Maria G. und Evelyn T. waren beide minderjährig, als sie sich radikalisierten. Sie nahmen den Islam an, fingen an, zunehmend nach den rigiden Regeln des IS zu leben, träumten von einem Leben im Kalifat. 2015 verließ Maria G. erstmals Österreich, Evelyn T. scheiterte zunächst, ein Jahr nach Maria gelang ihr schließlich die Ausreise. Ob sie dort Verbrechen begangen haben oder bloß Anhängerinnen des Terrorregimes waren, weiß niemand. Die Staatsanwaltschaften stützen ihre Bewertung der beiden Fälle hauptsächlich auf die Informationen, die sie von den Frauen erhalten haben. Trotzdem fallen diese unterschiedlich aus.
Zwei Entscheidungen der Justiz
Noch am Flughafen wurde Evelyn T. festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände in Wien-Alsergrund gebracht. Die Wiener Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr, das Landesgericht für Strafsachen gab dem Antrag statt – vorerst bis zum 17. März. Ihr siebenjähriger Sohn kam in die Obhut der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11). Er befindet sich in einem Krisenzentrum in Wien. Hinweise auf eine Radikalisierung des Kindes gebe es nicht, so die Behörde, doch der Bub sei „sehr traurig, weil die Mama nicht bei ihm ist“, sagte Behördensprecherin Ingrid Pöschmann.
Aktuell laufen Gespräche mit den Großeltern, dass das Kind der Familie übergeben wird. Maria G. durfte gemeinsam mit ihren beiden Söhnen zu ihrer Familie zurück. Sie stieg mit ihren Kindern ins Auto ihrer Eltern und fuhr nach Hallein – zurück in jenes Zimmer, aus dem sie vor mehr als zehn Jahren nach Syrien aufgebrochen war. Im Fall von Maria G. hat die Staatsanwaltschaft Salzburg die Haftanordnung im Dezember 2023 widerrufen. „Es gibt keine Anhaltspunkte, die eine Tatbegehungsgefahr begründen würden“, sagt Sprecherin Elena Haslinger von der Staatsanwaltschaft Salzburg. Maria G.s Rückkehrbestrebungen sind seit 2019 aktenkundig, seither habe sie keine Äußerungen gemacht, die auf eine fortwährende Nähe zum IS hindeuten würden. Auch sonst gebe es keinen Grund, der
eine Untersuchungshaft rechtfertigen würde. Anders bei Evelyn T.: „Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Festnahmeanordnung lagen vor, da Flucht- und Tatbegehungsgefahr bestehen“, teilt Nina Bussek, Sprecherin der Wiener Staatsanwaltschaft, mit. Was das genau bedeutet, welche konkreten Voraussetzungen gemeint sind, erklärt die Behörde nicht. Nur so viel: Die Ermittlungen sind im Gange.
Es sind Einzelfallentscheidungen der lokalen Staatsanwaltschaften, die das Heimkommen von Maria G. und Evelyn T. derart unterschiedlich machen. In Hallein bekommt man davon wenig mit. Die meisten der Bewohnerinnen und Bewohner im Ort, die profil kurz nach der Rückkehr von Maria G. anspricht, möchten sich nicht äußern. Der eine oder die andere freut sich für die Familie, für die Eltern, die nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit den Behörden wieder ihre Tochter in die Arme schließen können. Evelyn T. und ihre Familie müssen darauf noch warten. In der U-Haft sind keine Besuche erlaubt.