Die Rückkehr der Wölfe: Schießen oder schützen?
Die einen wollen sie, die anderen nicht. Die Rückkehr der Wölfe ist ein umstrittenes Thema in Österreich. Jäger und Bauern befürchten eine Bedrohung für die Almwirtschaft und Viehhaltung. Für Umweltaktivisten ist die Rückkehr des Wolfs wiederrum ein Symbol für die Rettung der Natur.
Seit dem vergangenen Jahr gibt es erstmals wieder ein Wolfsrudel in Österreich – am Truppenübungsplatz Allensteig in Niederösterreich. Etwa zehn Wölfe soll es derzeit in Österreich geben – genau kann man es nicht sagen. Laut Georg Rauer, Wolfsbeauftragter und Bärenanwalt, weiß man von acht Wölfen in Österreich sicher – dem Rudel in Allensteig und einem weiteren im Burgenland. Es könnten bald ein paar mehr werden, denn in Allensteig werden derzeit zum zweiten Mal Junge erwartet.
Möglicherweise ist auch in Tirol ein Wolf am Weg. In der Tiroler Gemeinde Fulpmes im Stubaital sind im April drei tote und vier verletzte Schafe auf einer Weide gefunden worden. Es besteht der Verdacht, dass ein Wolf diese Schafe gerissen, also angefallen und getötet, hat. Damit ist gemeint, dass ein Wolf die Tiere angefallen und getötet hat. Drei der verletzten Tiere mussten getötet werden. Genetische Proben der gerissenen Tiere soll klären, ob es sich bei dem Angreifer tatsächlich um einen Wolf gehandelt hat. Mitarbeiter der Kühtaier Bergbahnen hatten von einer Wolfssichtung berichtet.
Bauern fürchten Bedrohung für Almwirtschaft
Vor zwei Jahren hat Bauer Josef Zandl zum ersten Mal einen Wolf in der Nähe seines Guts im Bezirk Zell am See in Salzburg am Berg entdeckt. Dieser einzelne Wolf bereitete dem Bauern in den darauffolgenden Monaten erhebliche Schäden. In vier Monaten waren von 127 aufgetriebenen Schafen 68 tot oder vermisst und fünf Kälber tot – so die Bilanz des Bauern. „Die meisten Schafe sind nicht gerissen worden, sondern sind vor Panik abgestürzt. Hundertprozentig kann man nicht sagen, dass alle Schafe wegen dem Wolf gestorben sind, aber die Indizien sprechen dafür“, sagt Zandl von der Salzburger Gutsverwaltung Fischhorn im Gespräch mit profil.
Rauer betrachtet dies jedoch eher als Einzelfall. „Das kann auch andere Ursachen gehabt haben. Der Zusammenhang mit diesem Wolf ist da, aber ob alle 68 tote Schafe auf diesen Wolf zurückzuführen sind, weiß man nicht“, sagt der Wolfsbeauftragte im Gespräch mit profil. „Mir wurde davon kein einziger Riss gezeigt, von dem ich DNA Proben hätte nehmen können.“
Wenn die Gesellschaft die Wölfe zurückhaben will, muss sie sich etwas überlegen.
Rauer versteht, dass es für den persönlich betroffenen Bauern ein Problem ist, wenn dieser Schafe verliert. Seiner Meinung nach sind die Wölfe im derzeitigen Ausmaß aber noch kein Problem. „Letztes Jahr sind auf Almen keine 15 Nutztiere durch einen Wolf umgekommen. Wenn ich Tiere auf die Alm stelle, gibt es auch andere Gefahren“, betont Rauer. Zandl weiß jedoch: „Für den Betroffenen ist es egal, ob es einer oder zehn Wölfe sind. Schon ein Wolf kann große Schäden anrichten.“
2015 gab es laut Rauer 160 entschädigte Tiere, das bedeutet gerissene oder vermisste Tiere, welche einem Wolf zuzuordnen sind.
Die heimischen Bauern befürchten eine Bedrohung für die Almwirtschaft. Ein wolfsicherer Schutz für die Viehhaltung auf den Almen würde viel kosten und mehr Personal erfordern. „Die Hirten müssten ganztägig bei den Tieren sein. Es müssten wolfsdichte Elektrozäune gemacht werden, die die anderen Wildtiere ausschließen würden. Das Vieh müsste über Nacht in einem wolfssicheren Pferch eingesperrt werden. Für die Hirten müssten zusätzliche Hütten errichtet werden“, schildert Zandl. „Das Thema wird derzeit auf den wirtschaftlichen Faktor reduziert, der körperliche Mehraufwand und die emotionale Bindung der Bauern sind jedoch das größere Thema.“
Entwicklung der Wolfspopulation ungewiss
„Das wird jetzt sehr schnell gehen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden immer mehr Wölfe zuwandern“, ist sich Zandl sicher. Österreich sei für europäische Wölfe sehr schnell zu erreichen, zudem bekämen Wolfspaare immer wieder Junge. Rauer sieht dies etwas differenzierter. Er glaubt nicht, dass die Wolfspopulation in Österreich in den nächsten Jahren steil ansteigen wird, „aber es werden durchaus mehr werden“. Es sei schon ein Thema, „aber im Moment eher eine Sorge, als ein Problem.“
Eine Prognose, wie schnell Wölfe in den nächsten Jahren in Österreich zuwandern werden, wollen sowohl der Wolfbeauftragte, als auch Peter Lebersorger, Generalsekretär der Zentralstelle der Österreichischen Landesjagdverbände nicht geben. Demnächst werden zwei Wolfspaare in Bayern und eines in Südtirol Junge bekommen und Jungtiere bleiben nicht im Rudel, erklärt Rauer.
Jäger wollen Bejagung der Wölfe – in bestimmten Gebieten
„Wenn die Gesellschaft die Wölfe zurückhaben will, muss sie sich etwas überlegen. Es kann nicht sein, dass nur einzelne Personen die Belastungen tragen müssen“ sagt Lebersorger im Gespräch mit profil. „Diese Diskussion ist frühzeitig zu führen, damit es dann kein böses Erwachen gibt. Wenn die Gesellschaft ‚Ja’ zum Wolf sagt, dann muss sie auch ‚Ja’ zu Entschädigung für entstandene Schäden sagen.“
Ich glaube, dass der Wolf großflächig bejagt werden muss, dass er die natürliche Scheu vor den Menschen nicht verliert.
Die heimischen Bauern und Jäger sind dafür, dass der Wolf in Österreich in bestimmten Gebieten bejagt werden darf. „Ich glaube, dass der Wolf großflächig bejagt werden muss, dass er die natürliche Scheu vor den Menschen nicht verliert“, sagt Zandl.
Die Bauern und Jäger schlagen vor, einen Managementplan aufzustellen. Zandl wäre für ein Wolfsmanagement auf europäischer Ebene. „Der Wolf kennt ja keine Staatsgrenzen. Außerdem müsst es wolfsfreie Zonen geben, wie das alpine Weideland. Dort müsste der Wolf ganz intensiv bejagt werden, weil dort können die viehhaltenden Bauern nicht mit Wölfen zusammen leben“, schlägt Zandl vor. Auf der anderen Seite müsse man schauen, wo es in Europa Gebiete gäbe, wo Mensch und Wolf möglichst konfliktfrei zusammen leben können.
„Ich glaube, dass eine gewisse Anzahl von Wölfen in Österreich Platz hat. Es müssen beide Blickwinkel betrachtet werden, der des Menschen und der des Wolfes. Wo könnte der Wolf sein, wo er keine Probleme macht“, sagt Zandl. „Aus Sicht des Wolfes wären circa 30-40 Rudel, also etwa 100 Wölfe in Österreich möglich – aus der Sicht des Menschen ist dies nicht möglich.“
Der Schutz der Wölfe bedeutet nicht nur, dass die Wölfe nicht geschossen werden dürfen, sondern auch, dass sie den potenziellen Lebensraum zur Gänze besiedeln dürfen.
Mit der Rückkehr der Wölfe nach Österreich würde laut dem Bauern auch die Bevölkerung eingeschränkt werden – beispielsweise durch eine Landschaft aus Elektrozäunen. Laut Zandl könnten auch Herdeschutzhunde ein Problem darstellen. Diese könnten auch für Menschen gefährlich werden, weil sie darauf trainiert werden, die Schafe zu beschützen. Zandl glaubt, dass in Zukunft viele Almen aufgelassen werden müssen und daraus wieder Wald entstehen werde, da ein wolfssicherer Schutz zu teuer sein wird.
Dass sich die Wölfe nur in bestimmten Gebieten aufhalten und die Alpen wolfsfrei gehalten werden sollen, ist für Rauer nur schwer vorstellbar. „Der Schutz der Wölfe bedeutet nicht nur, dass die Wölfe nicht geschossen werden dürfen, sondern auch, dass sie den potenziellen Lebensraum zur Gänze besiedeln dürfen“, betont der Wolfsbeauftragte. „Der Mensch ist in irgendeiner Form überall präsent. Der europäische Weg ist ein Zusammenleben mit diesem Tier.“
In Medien wird immer wieder über neue Wolfsbeobachtungen berichtet und darüber, dass die Wölfe in Österreich nicht scheu seien. Dem steht der Wolfsbeauftragte skeptisch gegenüber. Sichtbeobachtungen sind nie eindeutig überprüfbar. Manchmal könne es sich dabei auch lediglich um einen Hund handeln. Ebenso, findet er, sei die Erwartungshaltung der Bevölkerung oft falsch: „Es ist nicht so, dass der Wolf sofort in Panik wegläuft, wenn er einen Menschen sieht. Viele Menschen beobachten Wölfe aus dem Auto heraus. Da sind auch viele andere Wildtiere nicht scheu.“