Schützi und das kleine Ganze
Ein ehernes Gesetz der ÖVP lautet: Gegen den vereinigten Willen der drei großen Landesparteien von Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark geht nichts. Das musste selbst der allmächtige Obmann Sebastian Kurz anerkennen. In Niederösterreich und Oberösterreich wurde der Generationenwechsel bereits vollzogen. Nun geht auch Hermann Schützenhöfer. Von den altgedienten Landeshauptleuten ist nur noch Günther Platter im Amt.
Vor einem Jahr hätte niemand gedacht, dass Schützenhöfer länger in der Politik bleiben würde als Sebastian Kurz. Dieser hatte den steirischen Langzeit-Obmann bedrängt, endlich den Generationenwechsel zu vollziehen. Schützenhöfer passte mit seinem rustikal-altmodischen Habitus nicht in die schöne neue türkise Welt. Der Landeshauptmann war dann auch einer der ersten, der Kurz 2021 nach Bekanntwerden der peinlichen Chats der ÖVP-Jungherren-Riege kritisierte. 2017, zu Beginn der türkisen Jahre, hatte Schützenhöfer Kurz noch als „Trumpf-Ass der ÖVP“ bezeichnet.
Hermann „Schützi“ Schützenhöfer verkörpert den klassischen Landeshauptmann-Typus. In der Steiermark setzte er auf Konsens. Wenn die nobelste Aufgabe eines Landeshauptmanns darin besteht, das kleine Ganze, nämlich das eigene Bundesland, im Auge zu behalten, hat Schützenhöfer seine Pflicht erfüllt. Der real existierende Föderalismus ist auch in der Steiermark die österreichische Weltformel. Als Karl Nehammer zum Kanzler aufstieg, forderte Schützenhöfer ein Ministeramt für sein Bundesland. Der bisherige Wissenschaftsminister Heinz Faßmann musste gehen. Nachfolger wurde der Steirer Martin Polaschek.
„Enge und Mief“
Im Gegensatz zu Kurz war Schützenhöfer Hybris fremd. Er kannte auch die Schmerzen, die Niederlagen verursachen. Bei der Landtagswahl im Oktober 2005 musste er mitansehen, wie ÖVP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic ihren Posten an die SPÖ verlor. Ein Jahr später verspielte Wolfgang Schüssel das Kanzleramt.
Prägend für Schützenhöfers Politik war seine Zugehörigkeit zum ÖVP-Arbeitnehmerbund ÖAAB. Wann immer er den Eindruck hatte, dass die Volkspartei – wie unter Schüssel – zu sehr von den Interessen der Wirtschaft geleitet wurde, versuchte er dagegen zu halten. Dann sagte er zum Beispiel: „Das soziale Erscheinungsbild der ÖVP hat ein Leck.“ Manchmal kritisierte er auch pauschal „Enge und Mief“ in der Volkspartei.
Steirischer Herbst statt Ausseer Kirtag
Auch Schützenhofers Nachfolger Christopher Drexler, 51, stammt aus dem ÖAAB. Der designierte Landeshauptmann steht für den traditionellen Anspruch der steirischen Landespartei, das intellektuelle Kraftzentrum der ÖVP zu sein. Das zeigt er auch gern. Drexler ist mehr Steirischer Herbst als Ausseer Kirtag, mehr Stadt als Land. Aber nicht jeder Landeshauptmann muss ein Landesvater mit Breitenwirkung sein, um Erfolg zu haben, zumal die politische Konkurrenz in der Steiermark derzeit nicht besonders stark ist.
In die Bundes-ÖVP, deren Parteivorstand er in Zukunft angehört, könnte Drexler nach den wenig geistreichen Kurz-Jahren wieder etwas Intellektualität einbringen. Auch Nehammer ist – im Gegensatz zu Kurz – an politischer Ideenlehre interessiert. Eine Unart des scheidenden Landeshauptmanns sollte Drexler nicht übernehmen. Hermann Schützenhöfer verließ Sitzungen des ÖVP-Parteivorstands regelmäßig sehr früh, um als erster den wartenden Journalisten Auskunft zu geben. Zuletzt tat er das im Dezember 2021. Da marschierte er aus der Vorstandssitzung schnurstracks zu den Berichterstattern, um die frohe Botschaft noch vor dem Betroffenen zu verkünden: Nehammer werde Parteichef und Kanzler, und ein Steirer Minister.
Schützenhöfer hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Nur eines muss ihn im Abgang schmerzen. Seine stolze Landeshauptstadt Graz wird seit 2021 nicht mehr von der ÖVP regiert, sondern von einer kommunistischen Bürgermeisterin