Putin in Wien: Van der Bellen sieht keine Vertrauenskrise mit Moskau
Der russische Präsident Wladimir Putin hat Österreich am Dienstag seinen sechsten offiziellen Besuch abgestattet. Angesichts des schwierigen Verhältnisses zwischen Russland und der EU wurde der Besuch von Beobachtern als symbolisch gesehen. Putin zeigte sich offen für eine Verbesserung der Beziehungen zur EU.
Auch wenn "heute fast alles auf Eis gelegt" sei, "sind wir offen und bereit für Zusammenarbeit", sagte Putin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Van der Bellen. Es gebe Dialog mit Vertretern aus Brüssel, um die auf Eis gelegten Mechanismen und Instrumente der Kooperation wieder aufzunehmen, so der russische Präsident. Diese Konsultationen seien "sehr konstruktiv, aber nicht einfach".
Van der Bellen sagte, dass er "keine grundsätzliche Vertrauenskrise" mit Russland sehe. "Glaubwürdigkeitsfragen treten in der Politik immer wieder auf." Angesprochen auf ein scheinbares Glaubwürdigkeitsproblem Russlands sagte Putin: "Ich denke nicht, dass es ein Glaubwürdigkeitsproblem gibt. Das ist ein Problem für jene, die wollten, dass die Situation mit Russland so aussieht." Russland sei offen und bereit, zusammenzuarbeiten. Die Wiederherstellung guter Beziehungen sei in beiderseitigem Interesse.
Wladimir Putin im Interview
Ein breites Feld wurde auch dem Thema Sanktionen eingeräumt, die wegen des Ukraine-Konflikts gegen Russland 2014 verhängt wurden. Putin betonte, "Sanktionen sind schädlich für alle." Und er ergänzte: "Wir sind alle daran interessiert, dass die Sanktionen aufgehoben werden." Er verstehe, dass es für jedes einzelne EU-Land "ziemlich schwierig" sei, das Thema anzusprechen. Van der Bellen und auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), den Putin im Anschluss traf, erklärten, dass Österreich in der Sanktionenfrage im Einklang mit der EU bleibe.
Putin sprach mit Kurz und Van der Bellen auch über internationale Krisenherde. Kurz nannte Russland eine "Supermacht". Russland habe eine große Bedeutung in Krisenherden wie Syrien und der Ostukraine, aber auch eine "starke Verantwortung": "Wir hoffen und erwarten uns auch, dass Russland seinen Beitrag leistet, dass die Menschen dort endlich das erleben können, was sie sich so sehnlich wünschen, nämlich Frieden", betonte Kurz. Er sprach von nötigen Lösungen am Verhandlungstisch und nicht durch kriegerische Auseinanderaussetzung.
Er erhoffe sich auch Fortschritte in der Ostukraine im Rahmen des Minsker Abkommens, so dass "wir Zug um Zug die Sanktionen abbauen können", sagte Kurz: "Wir glauben daran, dass eine Win-Win-Situation für beide Seiten besser ist als eine Lose-Lose-Situation." Putin erwiderte, dass Russland und Österreich sich dafür einsetzen würden, dass "alle Konfliktparteien sich an die Minsker Vereinbarungen halten".
In den Gesprächen Putins wurde auch der Anlass der Visite erwähnt: das 50. Jubiläum der Unterzeichnung eines Energieliefervertrages zwischen Österreich und der Sowjetunion. Putin betonte, dass Russland in diesen 50 Jahren die österreichischen Verbraucher "zuverlässig und stabil" mit Gas versorgt habe. 200 Milliarden Kubikmeter Gas seien an Österreich geliefert worden. Putin nannte Österreich ein Schlüsselland und wichtigen Transportknoten. Als "Energiehub" habe es die Energiesicherheit für ganz Europa gewährleistet.
Im Bundeskanzleramt wurde von OMV und Gazprom ein Kooperationsvertrag zur Verlängerung russischer Gaslieferungen bis 2040 unterzeichnet. Dadurch seien die Gaslieferungen bis 2040 "gesichert", sagte Putin.
Van der Bellen sagte auf eine Journalistenfrage, ob es Druck von Seiten des Westens gäbe: "In letzter Zeit gibt es Vorhalte mancher US-Politiker, dass die Abhängigkeit der EU in dieser Beziehung von Russland zu groß ist. Es wird dabei übersehen, dass der Preis für amerikanisches Flüssiggas zwei- oder dreimal höher ist." Aus ökonomischer Sicht mache ein Wechsel des Gaslieferanten "wenig Sinn".
Viel gesprochen wurde auch über die Wirtschaft. Putin erklärte, dass ihm die österreichische Regierung bestätigt habe, das umstrittene Gaspipelineprojekt Nord Stream 2 "positiv" zu sehen und als "privatwirtschaftliches Projekt". Putin betonte außerdem, dass Russland der Nummer-2-Investor in Österreich nach Deutschland sei. Er nannte die Zahl von 24 Milliarden Euro. Der Handel sei um 40 Prozent angewachsen und es gebe einen starken Aufwärtstrend. Russland sei ein großer Markt mit 146 Millionen Menschen. Der eurasische Markt umfasse sogar 170 Millionen Menschen.
Putin war auch mit Vizekanzler Christian Strache (FPÖ) zu einem Gespräch zusammengekommen. Strache postete im Anschluss Fotos des "persönlichen Gedankenaustauschs im Österreichischen Bundeskanzleramt" auf Facebook. Im Vorfeld des Treffens hatte er sich für eine Aufhebung der "leidigen" Sanktionen ausgesprochen. Seine Partei hat seit 2016 einen Freundschaftsvertrag mit der Kreml-Partei Einiges Russland.
Am Abend legte Putin am Schwarzenbergplatz einen Kranz nieder, um an die Rolle der Roten Armee bei der Befreiung von Wien im April 1945 zu erinnern. Begleitet wurde Putin von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sowie der Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP). Nach kurzem Innenhalten brach Putin zum nächsten Termin Richtung Wirtschaftskammer auf. Dort wollte er mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern zusammentreffen. Im Anschluss stand die Eröffnung einer Ausstellung mit Werken aus der Eremitage in St. Petersburg im Kunsthistorischen Museum auf dem Programm. Noch am Dienstagabend wollte Putin, der von zahlreichen Regierungsmitgliedern begleitet wurde, wieder zurück nach Moskau fliegen.
Der Besuch fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt: 800 Soldaten und 800 Polizisten sowie 17 Militärluftfahrzeuge beschützten das russische Staatsoberhaupt. Es wurden Flugbeschränkungsgebiete über Teilen Wiens, Niederösterreichs und des Burgenlands errichtet. Es gabt drei Platzverbote. Zwei Demonstrationen waren angemeldet: rund zwei Dutzend Putin-Anhänger und etwa 50 -Gegner protestierten am Rande des Besuchs.
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