Rutter, Strafen und Long-Covid: Was Niederösterreichs Corona-Fonds bezahlt
Es war eine blaue Koalitionsbedingung in Niederösterreich: Das Land müsse vom VfGH aufgehobene Verwaltungsstrafen aus den Covid-Maßnahmen zurückzahlen und für Impfschäden aufkommen. Tatsächlich installierte die Landesregierung unter Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Udo Landbauer (FPÖ) einen 31,3 Millionen Euro schweren „Hilfsfonds für Corona-Folgen“. Ein Blick auf dessen Gebarung zeigt: Impfschäden und Verwaltungsstrafen wurden daraus kaum bezahlt, dafür viel Nachhilfe und Psychotherapie, aber: Der niederösterreichische Fonds ist bei der Gewährung von „Impfbeeinträchtigungen“ deutlich großzügiger als der Bund.
Auch Martin Rutter, einer der Anführer der Impfgegner, erhielt eine Förder-Zusage des Landes, wie profil berichtete. Um Förderung können nur Vereine mit Sitz in Niederösterreich ansuchen, also kam Rutters „Verein für Impfopfer“ aus Klagenfurt nicht in Frage. Im September gründete der Verschwörungs-Verbreiter allerdings mindestens 24 Vereine in Niederösterreich – alle am selben Tag mit derselben Partnerin Bettina B. und am selben Ort, einem Co-Working-Space in St. Pölten. Laut einem Sprecher des für den Fonds zuständigen Landesrates Christoph Luisser (FPÖ) stellten Rutters Vereine bislang fünf Anträge. Dadurch könnten sie maximal 25.000 Euro vom Land Niederösterreich erhalten. Reizt Rutter die Förderschiene aus, könnten all seine 24 Vereine je drei Projekte mit einer maximalen Förderhöhe von je 5000 Euro einreichen – und insgesamt 360.000 Euro an Steuergeld erhalten. Luisser lässt die Förderzusage nun erneut prüfen.
Doch wofür gibt das blaue Vorzeigeprojekt überhaupt sein Geld aus? Bisher wurden aus dem 31,3 Millionen schweren Hilfsfonds nur 3,5 Millionen ausbezahlt. Wer einen Teil der restlichen 27,8 Millionen Euro will, hat noch Zeit bis Ende Februar 2025. Die FPÖ Niederösterreich fürchtet dennoch nicht, dass Geld übrig bleibt: Im Dezember vom „Standard“ damit konfrontiert, dass 2023 nur 2,6 Millionen Euro ausgezahlt wurden, erklärte die Partei: „Wir gehen davon aus, dass die gesamte Summe ausgeschöpft wird, da jetzt verstärkt auch Vereinsförderungen beantragt werden.“
Dazu trägt auch der Verschwörungstheoretiker Rutter seinen Teil bei. Im riesigen Fördertopf machen die Vereine dennoch nur einen kleinen Anteil aus, wie aktuelle Daten aus Luissers Büro zeigen: Der größte Budgetposten sind die Behandlungen psychischer und seelischer Störungen, für die bisher Bewilligungen von mehr als 1,6 Millionen Euro erteilt wurden. Hilfen bei Long-Covid macht eine weitere Million aus – und für Nachhilfe wurde mit rund 370.000 Euro mehr bezahlt als für die Rückerstattung von Corona-Strafen und Impfschäden zusammen.
Dabei ist der Corona-Topf unter Niederösterreichs FPÖ-Landesrat gerade bei Impfschäden deutlich großzügiger als der Bund: Der Covid-Hilfsfonds bewilligte bisher 44 Prozent aller Anträge auf Entschädigung wegen „Impfbeeinträchtigungen“ nach einer Covid-Impfung. Eine Entschädigung nach dem bundesweit geltenden Impfschadengesetz wegen der Corona-Impfung erhielten bislang nur 19 Prozent der Antragsstellenden.
Einen Unterschied muss es schon aufgrund der niederösterreichischen Förderdefinition geben: Eine „Impfbeeinträchtigung“ ist laut Verordnung „schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf eine COVID-19 Impfung“, die eben nicht unter das Impfschadensgesetz fallen. Die Ärztekammer Niederösterreich sah den Begriff zunächst kritisch, da es in der Medizin nur die Begriffe der Impfnebenwirkungen bzw. Impfreaktionen (bei der Corona-Impfung zum Beispiel Kopfweh, Schwäche oder Fieber) auf der einen und seltene, langfristige Impfschäden auf der anderen Seite gibt. Die vom Land Niederösterreich erfundene „Impfbeeinträchtigung“ liegt irgendwo dazwischen. Mittlerweile bietet die Ärztekammer ein "Musterformular" an. Es ist eine Seite lang und betont: „Die Beurteilung, ob eine 'Beeinträchtigung' im Sinne der Richtlinien des NÖ Covid- Hilfsfonds für Corona-Folgen vorliegt sowie die Umsetzung der gegenständlichen Förderrichtlinie obliegt der zuständigen Behörde.“