Sagt Ihnen der Name „Carl Nehammer“ etwas?
Carl Nehammer war stets ein loyaler Diener. Sein junger Chef, Kronprinz Rudolf, hielt das Herrschaftssystem der Altvorderen für überholt. Er wusste, seine Zeit würde kommen, konnte sie aber trotzdem kaum erwarten. Am Ende ging er als tragische Figur in die Geschichte ein. Sein Kammerdiener, Carl Nehammer, findet darin gar keine Erwähnung. Am 30. Jänner 1889, als Kronprinz Rudolf auf Schloss Mayerling erst Baroness Mary Vetsera und dann sich selbst erschoss, war er nicht anwesend.
Im Redoutensaaltrakt der Wiener Hofburg, wo vielleicht Kronprinz Rudolf als kleiner Bub herumtollte, erkundigte sich Ihr Morgenpostler vergangenen Donnerstag bei Karl Nehammer, ob er mit Carl Nehammer, dem Kammerdiener, verwandt sei. Treffer! Es handelt sich um einen direkten Vorfahren. Aus Nehammer, dem Kammerdiener, wurde Nehammer, der Bundeskanzler. So muss Republik! Junge Habsburger sind heute keine Kronprinzen mehr, sondern Autorennfahrer, wenn auch nicht die Allerschnellsten. Gelegentlich darf der Ex-Adel – mit Ausnahme derer von Gudenus – noch politisch mitreden. Graf Schallenberg war sogar, wenn auch nur kurz und eher unwillig, Bundeskanzler.
Platzsuche im Parlament
Vergangenen Donnerstag stellte Karl Nehammer sein frisch angelobtes Team dem Nationalrat vor. Die neuen Minister wirkten etwas unsicher und suchten auf der langen Regierungsbank ihre Plätze wie Gäste zu Beginn einer Hochzeitsfeier. Nur der neue Innenminister aus Niederösterreich, Gerhard Karner, fühlte sich gleich wie ein Fisch in der Traisen. Im Gegensatz zu Engelbert Dollfuß schätzt Karner das Parlament. Schließlich wimmelt es dort vor niederösterreichischen ÖVP-Abgeordneten. Was die Oscar-Verleihung, ein Laufhaus und Carabinieri mit dem Nationalrat zu tun haben, erfahren Sie in der dritten Folge der neuen profil-online-Kolumne „Bauer sucht Politik“, aus der sich Ihr Morgenpostler hier schon üppig bedient hat. In der zweiten Folge können Sie nachlesen, wie die Geburt eines Kindes im Advent die türkise Welt veränderte und warum der Wiener SPÖ-Politiker Peter Hanke der Donaudampfschifffahrtsgesellschaftsstadtrat ist.
Das Ding des Jahres
Von Karl Nehammer ist überraschend wenig bekannt. Die behauptete Demut vor dem Amt nimmt man ihm im Gegensatz zu Sebastian Kurz durchaus ab. Der Kanzlerposten sei noch eine Etage höher als ein Ministeramt, man müsse alles überblicken und nicht nur den eigenen Fachbereich, so Nehammer gegenüber profil.
Als Innenminister war er der Mann, der den Lockdown exekutierte und die Infektionsketten „mit der Flex“ durchschneiden wollte. Als Kanzler muss er das Krisenmanagement der gesamten Regierung dirigieren. Flexibilität ist gefragt, nicht die Flex. Bisher erfüllte Nehammer stets, was andere von ihm erwarteten. Nun muss der neue ÖVP-Obmann zeigen, dass er Bundeskanzler der Republik Österreich und nicht Befehlsempfänger der schwarzen Länder ist. Ob er dazu das Zeug hat, lesen Sie hier.
Wie alljährlich im Advent, kürt profil die Person des Jahres. Heuer machen wir eine Ausnahme und rufen das Ding des Jahres 2021 aus, nämlich das Handy von Thomas Schmid. Immerhin führte dieses Mobiltelefon letztlich zum Rücktritt von Sebastian Kurz und zum Aufstieg von Karl Nehammer zum Bundeskanzler.
Bleiben Sie flexibel!
Gernot Bauer
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