Umwelt

Salzburg: Landesumweltanwaltschaft wird entmachtet

Die Salzburger Landesregierung plant die Entmachtung der Umweltanwaltschaft. Ein neues Gesetz, das derzeit in Begutachtung ist, könnte weitreichende Folgen für zahlreiche Bauprojekte haben – auch für das Skigebiet Weißsee Gletscherwelt und die dortige Rudolfshütte.

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Vier Schlepplifte, zwei Sessellifte, zwei Gondeln: Seit den 1980er Jahren wird im Skigebiet Weißsee Gletscherwelt Ski gefahren. Heute umfasst das Familienskizentrum im Salzburger Pinzgau, 50 Autominuten von Zell am See entfernt, etwas mehr als 20 Pistenkilometer. Und vor wenigen Wochen hätten die Lifte eigentlich zum allerletzten Mal fahren sollen. Denn der Eigentümer des Skigebiets und des dortigen Berghotels Rudolfshütte, der Zeller Hotelier Wilfried Holleis, hatte genug. Holleis erwarb das Skigebiet Anfang der 2000er Jahre nach einer Pleite und investierte seither laut eigenen Angaben rund 25 Millionen Euro in die Bergbahnen und die Rudolfshütte. „Nun ist es Zeit zu gehen, weil es betriebswirtschaftlich nicht mehr rechtfertigbar ist, weiter zu investieren“, erklärte der Hotelier Ende September. Ganz entspannt geht Holleis aber nicht, vielmehr fühlt er sich schikaniert von der Landesumweltanwaltschaft (LUA) Salzburg. Sie hätte ihm Investitionen in sein Skigebiet und das dazugehörige Hotel erschwert.

Zum endgültigen Liftschluss, wie Holleis ihn noch vor wenigen Wochen ankündigte, kam es vor der Wintersaison jedenfalls nicht. Zu wichtig sind die rund 60.000 Nächtigungen für die Region rund um Uttendorf, am hoch gelegenen Skigebiet will auch die Landesregierung festhalten; weshalb Tourismuslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP) neben den bereits von Tourismusverband und Gemeinde zugesagten 200.000 Euro rückwirkend eine Investitionsförderung für bereits getätigte Maßnahmen prüfen ließ. Mit Erfolg: 150.000 Euro schießt das Land zu. Allerdings nicht ohne Auflagen: „Der Betrieb des Skigebiets muss mindestens drei Jahre weitergeführt werden“, heißt es aus dem Büro des Tourismuslandesrats.

Konflikt mit Umweltanwaltschaft

Während die Geldprobleme aufgrund der 350.000-Euro-hohen Finanzspritze vorerst vom Tisch sind, schwelt ein Konflikt mit der Umweltanwaltschaft weiter. Es geht um Umbauten an der Rudolfshütte, die 2011 begonnen wurden. Infolgedessen hat Holleis die Größe des Hotels im Laufe der Jahre fast verdoppelt, gleichzeitig aber nur 30 neue Zimmer beantragt. Bis der Hotelier im Vorjahr schließlich von 350 auf 580 Betten aufstocken wollte. Die LUA kritisiert, dass bei der Prüfung nur die Bettenzahl bewertet wurde, der Gesamtausbau des Hotels und seine Auswirkungen seien hingegen nicht geprüft worden.

Da das Land Salzburg dem Antragsteller zustimmte und keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verlangte, vermutet die LUA, dass hier in kleinen Schritten ausgebaut wurde, um eine Umweltprüfung gezielt zu umgehen – eine Praxis, die im Tourismus immer wieder für Kritik sorgt.

Holleis widerspricht: „Die LUA führt an, dass 200 Gäste mehr für die Natur um die Rudolfshütte schädlich seien. Und deshalb ist sie gegen das Hotel.“ Tatsächlich moniert die Landesumweltanwaltschaft, dass die Auswirkungen des Gesamtausbaus, die 2011 begonnene Vergrößerung der Hütte inklusive der Bettenerweiterung jetzt, nie umfangreich beurteilt wurden.

Umweltanwaltschaft vor Entmachtung

Der lokale Konflikt zwischen Unternehmer und Umweltanwaltschaft kommt aber auch der Salzburger Landesregierung nicht ungelegen, denn die ÖVP-FPÖ-Regierung möchte die LUA schon länger entmachten. Bereits im gemeinsamen Regierungsprogramm aus dem Mai des Vorjahres schrieben Schwarz-Blau fest, die Kompetenzen und Mitwirkungsrechte der Landesumweltanwaltschaft überarbeiten zu wollen. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht etwa vor, dass die LUA bei Bewilligungsverfahren im Landschaftsschutz und in jagdrechtlichen Anliegen ihre Parteistellung in Verfahren verliert. Auch das Recht, gegen Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof einzulegen, entfällt im Entwurf vollständig.

Das Ziel: „Der Entfall des Revisionsrechtes der Landesumweltanwaltschaft wird unseren Informationen zufolge zu einer wesentlichen Verkürzung der Verfahrensdauern führen“, heißt es aus dem Büro des Landeshauptmanns Wilfried Haslauer (ÖVP). Die Salzburger Umweltanwältin Gishild Schaufler sieht das anders: „Wir können nach wie vor zwar zum Landesverwaltungsgericht gehen, aber die Entscheidung vom Landesverwaltungsgericht können wir nicht mehr beim Höchstgericht überprüfen lassen. Diese Revisionen sind ohnedies auf Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt und erfolgten durch uns durchschnittlich nur ein bis zweimal pro Jahr.“ Schaufler ortet im Gesetzesentwurf vielmehr, dass „die Verfahrensgleichheit für die Natur dann nicht mehr gegeben ist“. Denn im Gegensatz zur Landesumweltanwaltschaft können Antragsteller – wie etwa Hotelier Holleis – den Rechtsweg zum Verwaltungsgerichtshof auch künftig bestreiten.

Generell geht die Umweltanwältin nicht davon aus, dass der Gesetzesentwurf zu kürzeren Verfahren und zur Verwaltungsvereinfachung führen wird. „Das verkompliziert die Verfahren enorm, weil die Behörde ja dadurch einen Mehraufwand hat. Bisher hat sie uns in laufenden Verfahren beteiligt, uns den Antrag der Projektwerber geschickt, und wir haben dann die Parteistellung wahrgenommen oder darauf verzichtet“, sagt Schaufler. Künftig müsse die Behörde Projekte in ihre Einzelteile zerlegen und überlegen, ob und wo die Umweltanwaltschaft beteiligt werden muss oder nicht. Anders sieht das die zuständige Landesrätin und Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ). Zu einem Mehraufwand soll es nicht kommen, „da gesetzlich eindeutig geregelt sein wird, bei welchen Verfahren die LUA eine Zuständigkeit hat und bei welchen nicht“, so ein Sprecher von Svazek.

Auswirkungen könnte das Gesetz auf künftige Projekte im Skigebiet Weißsee Gletscherwelt haben. Konkret: Wenn es um Ausbauten an der Rudolfshütte geht. Denn diese befindet sich im Landschaftsschutzgebiet Felbertal-Ammertal-Dorferöd. Und in ebenjenen Gebieten würde die LUA künftig keine Parteistellung in Bewilligungsverfahren mehr haben. „Außer, es sind – und das macht es komplizierter – geschützte Lebensräume oder Arten betroffen“, sagt Schaufler.

Unbekannter Investor

Die Frage nach den Mitwirkungsrechten der Umweltanwaltschaft könnte sich bald stellen. So steht ein von Landeshauptmann Haslauer vermittelter Investor bereit, der Holleis´ Betriebe übernehmen soll. Wer der Unternehmer ist, der künftig mit weniger Widerstand der Umweltanwaltschaft rechnen darf, ist, will Holleis nicht verraten. „Erste Unternehmenszahlen sind ausgetauscht, die Gespräche laufen an“, sagt er. Der Hotelier hält gegenüber profil aber fest, dass er nicht vorhabe, gemeinsam mit einem neuen Geschäftsführer weiterhin wirtschaftlich tätig zu sein.

„Ich werde mich spätestens nach dieser Wintersaison von der Weißsee Gletscherwelt und vom Hotel zurückziehen“, sagt Holleis. Noch früher möchte die Salzburger Landesregierung die Umweltanwaltschaft entmachtet wissen. Bis 14. November läuft die Begutachtungsfrist zum Gesetzesentwurf, vor Weihnachten soll noch abgestimmt werden, ist aus dem Büro von Landeshauptmann Haslauer zu vernehmen: „Die letzte Landtagssitzung in diesem Jahr findet jedoch am 18. Dezember statt und das Ansinnen der Landesregierung ist, hier möglichst zeitnah Klarheit zu schaffen.“

Was ist eine Umweltanwaltschaft?

Die Umwelt- und Naturschutzanwaltschaften sind unabhängige Einrichtungen der Bundesländer. Sie werden in der Regel von der jeweiligen Landesregierung bestellt, sind in ihrem Handeln aber weisungsfrei. In umweltrelevanten Bewilligungsverfahren wie zum Beispiel einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) haben sie Parteistellung. In behördlichen Genehmigungsverfahren treten sie besonders dann auf, wenn Naturschutzbelange, Landschaftsschutz oder Wasserrecht betroffen sind.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.