Entmachtung durch ÖVP-FPÖ: War die Umweltanwaltschaft zu lästig?
Wer von Salzburg mit dem Zug oder dem Auto Richtung Kärnten fährt, dem ist die Großbaustelle bestimmt schon aufgefallen: Unmittelbar nach dem Pass Lueg entsteht an der Salzach derzeit ein Flusskraftwerk, das ab dem kommenden Sommer rund 20.000 Haushalte pro Jahr mit Strom versorgen soll. Bereits vor Baubeginn im Juni 2023 stand das Salzachkraftwerk Stegenwald im Zentrum von Konflikten – auch mit der Salzburger Landesumweltanwaltschaft (LUA), die bald entmachtet werden könnte. Ein Schritt, von dem sich die Landesregierung wohl auch erhofft, solche Auseinandersetzungen in Zukunft zu verhindern.
Sommer 2021. Die Naturschutzbehörde des Landes Salzburg erteilt ihre Bewilligung zum Bau des Kraftwerks. Kurz darauf legt die LUA Beschwerde gegen den Baubescheid ein. Denn sie sieht die ökologische Bedeutung dieses Flussabschnittes gefährdet und den Umgang mit gefährdeten Arten nicht entsprechend gewürdigt. Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) sieht das anders und weist die Beschwerde im Juli 2022 als unbegründet ab. Die Umweltanwaltschaft ließ sich davon nicht bremsen und beantrage Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGh) – mit Erfolg.
Projekt mit Gegenwind
Der Bau des Kraftwerks Stegenwald führte seit den ersten Planungen im Jahr 2008 immer wieder zu Konflikten – auch mit der Landesumweltanwaltschaft. Für die längste Phase der Verzögerung sind die Projektwerber allerdings selbst verantwortlich. Denn der Antrag im Naturschutzverfahren wurde bereits 2016 gestellt, weil die Unterlagen aber unvollständig waren, erreichte das Projekt erst 2020 Verhandlungsreife.
Teile der Baustelle standen daraufhin für einige Wochen still. Nicht aber wegen der potenziell gefährdeten Haselmauspopulation, auf die der Baustopp vielfach reduziert wurde, der LUA ging es um Mängel im Verfahren. „Es ist unser Auftrag, auf solche Mängel hinzuweisen“, sagte Umweltanwältin Gishild Schaufler damals. Man dürfe Artenschutz nicht auf einzelne Tiere reduzieren, „es geht um das Funktionieren der Ökosysteme, die für das Überleben der Menschen notwendig sind. Intakte Lebensräume sind widerstandsfähiger und wichtig – zum Beispiel für Klimawandelanpassung und Ernährungssicherheit“, so Schaufler.
Nach ein paar Wochen wurde aber weiter gebaut, weil die aufschiebende Wirkung der Beschwerde der LUA vor Gericht nicht hielt.
Dort, wo die LUA Rechtsmittel eingelegt hat, hat sie sehr, sehr effektive Arbeit geleistet.
Das Recht der LUA, ein Verfahren wie jenes des Kraftwerks Stegenwald beim Höchstgericht prüfen zu lassen, soll laut einem aktuellen Gesetzesentwurf der ÖVP-FPÖ-Landesregierung künftig entfallen. Der Einrichtung sollen außerdem sämtliche Kompetenzen, etwa beim Landschaftsschutz und in Naturschutzverfahren, entzogen werden. Und das, obwohl die LUA in ihrem mehr als 30-jährigen Bestehen keinen schlechten Track-Record hat. War die Behörde zu erfolgreich und damit zu lästig?
Bilanz der Umweltanwaltschaft Salzburg
Der Salzburger Rechtsanwalt Rainer Lukits hat für profil einen Blick auf die Bilanz der Landesumweltanwaltschaft vor dem Landesverwaltungsgericht (LvWG) geworfen. „Von 23 Entscheidungen über Beschwerden der LUA, die ich im RIS (Rechts- und Informationssystem des Bundes; Anm.) gefunden habe, waren nur drei erfolglos, vier davon waren Versagungen und in 16 Fällen ist es zu teilweisen Änderungen gekommen“, sagt der auf Umweltrecht spezialiserte Jurist Lukits.
Ähnlich sieht auch die Bilanz der LUA vor dem Verwaltungsgerichtshof aus. „Dort habe ich 31 Entscheidungen über Rechtsmittel der Umweltanwaltschaft Salzburg gefunden und davon waren 20 Aufhebungen der von der LUA bekämpften Entscheidungen.“ Zwei Verfahren seien eingestellt worden, weil die jeweilige Angelegenheit hinfällig wurde (Gegenstandslosigkeit; Anm.). „Das zeigt aus meiner Sicht, dass die LUA – dort, wo sie Rechtsmittel eingelegt hat – offensichtlich sehr, sehr effektive Arbeit geleistet hat“, sagt Lukits.
Aber genau diese Rechtsmittel sind der ÖVP-FPÖ-Landesregierung ein Dorn im Auge. Denn dadurch würden wichtige Infrastruktur- oder Energieprojekte in die Länge gezogen werden, meist „ideologisch“ getrieben, wie Landeshauptmann-Stellvertreterin und Umweltlandesrätin Marlene Svazek (FPÖ) in der Vergangenheit immer wieder betonte.
Dass von der Planung bis zur Umsetzung eines Projektes aufgrund der Gesetzesänderung künftig weniger Zeit vergeht, denkt Lukits nicht: „Ich könnte mir vorstellen, dass die LUA schon oft im Vorhinein eingebunden war (beim Kraftwerk Stegenwald wurde die LUA 2020 eingebunden; Anm.), weil sie ja Parteistellung hat. Und bereits da kann darauf hingewirkt werden, dass das Projekt gleich so eingereicht oder modifiziert wird, dass es genehmigungsfähig ist“, sagt der Jurist. Gebe es die LUA nun als Partei im Verfahren nicht mehr und ginge ein Projekt in erster Instanz durch „dann kriegen Naturschutzorganisationen den Bescheid erst dann. Und legen diese dann eine Beschwerde dagegen ein, kann das dazu führen, dass ein Verfahren in Summe sehr viel länger dauern könnte“, vermutet der Salzburger Rechtsanwalt.
Wie viel bleibt von der LUA übrig?
Wann aus dem Entwurf eine Regierungsvorlage wird und diese dann beschlossen wird, ist noch nicht klar. Vor Weihnachten möchte man das Gesetz aber beschließen, heißt es aus dem Büro von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Zuvor sollen noch die eingelangten Stellungnahmen gesichtet werden.
Wie viel aber bleibt von der LUA übrig, sollte dieser Entwurf ohne Änderungen beschlossen werden? „Nicht mehr allzu viel. Schon alleine, wenn man jemandem den Gang zum Höchstgericht nimmt, entschärft man eine Partei ordentlich“, sagt Lukits.
Die Landesumweltanwaltschaft könnte also in wenigen Wochen von der Landesregierung Haslauer jun. III entmachtet werden. 37 Jahre nachdem Landeshauptmann Wilfried Haslauer sen., der Vater des amtierenden Landeshauptmanns, den Grundstein für ihr Bestehen gelegt hat.
Was ist eine Umweltanwaltschaft?
Die Umwelt- und Naturschutzanwaltschaften sind unabhängige Einrichtungen der Bundesländer. Sie werden in der Regel von der jeweiligen Landesregierung bestellt, sind in ihrem Handeln aber weisungsfrei. In umweltrelevanten Bewilligungsverfahren wie zum Beispiel einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) haben sie Parteistellung. In behördlichen Genehmigungsverfahren treten sie besonders dann auf, wenn Naturschutzbelange, Landschaftsschutz oder Wasserrecht betroffen sind.