Extremwetter

Sanfter Regen, kühle Nächte: Was wir bereits an den Klimawandel verloren haben

Starkregen und Hagel im Waldviertel: Die jüngsten Extremwetterereignisse sind die sichtbarsten Facette des Klimawandels. Es kommen aber nicht nur neue Phänomene dazu, wir verlieren auch welche – meist ohne, dass es uns bewusst ist.

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In Linz drohte die Donau im Laufe dieses Sommers gleich mehrfach über die Ufer zu treten. Der Schweizer Ferienort Zermatt wurde binnen einer Woche gleich zwei Mal überflutet und erst am Samstag vor einer Woche musste das EM-Achtelfinale zwischen Deutschland und Dänemark wegen eines heftigen Unwetters inklusive Starkregen unterbrochen werden. Auch am gestrigen Samstag gab es in Oberösterreich wegen orkanartigen Sturmböen und Starkregen fast 200 Feuerwehreinsätze.

Regen ist aber nicht das einzige Wetterphänomen, das sich aufgrund der Klimakrise zunehmend verändert. Auch die österreichische Hagelversicherung betont die Auswirkungen der Klimakrise regelmäßig: Im Vorjahr haben Überschwemmungen, Stürme und Hagel zu einem Gesamtschaden von 250 Millionen Euro Gesamtschaden in der österreichischen Landwirtschaft geführt.

Gehagelt hat es auch im Waldviertel, vier Gemeinden wurden zum Katastrophengebiet erklärt. Mehr als 500 Helferinnen und Helfer waren bis zum Ende der Aufräumarbeiten am Dienstagabend im Einsatz.

Hagelschäden

Ein schweres Hagelunwetter hat am vergangenen Wochenende in den Gemeinden Waldkirchen an der Thaya (im Bild; Anm.) und Dobersberg enorme Schäden verursacht. Rund 80 Prozent der Gebäude in den Gemeinden Waldkirchen, Gilgenberg, Rappolz und Lexnitz wurden teils schwer beschädigt.

Neben diesen Ereignissen, die meist mit sichtbaren Schäden einhergehen, gibt es aber auch einige Phänomene, die uns aufgrund der Erderhitzung seltener werden und uns in Zukunft vielleicht gänzlich abhandenkommen.

Lauer Sommerregen

„Es ist kein subjektives Empfinden, sondern lässt sich auch wirklich beobachten, dass Niederschläge bei einem wärmeren Klima heftiger sind, unregelmäßiger und von kürzerer Dauer sind”, sagt Georg Pistotnik, Klimaforscher bei der GeoSphere Austria (vormals ZAMG; Anm.). Stundenlanger moderater Regen im Sommer, ohne dass es unmittelbar danach zu einem Hochwasser kommt, sei bereits jetzt „merkbar seltener geworden und wird in Zukunft wahrscheinlich noch seltener werden“, so Pistotnik. Das spürt vor allem die Landwirtschaft: Fehlen moderate Niederschläge, dann fehlt dem Boden auch die Flüssigkeit und die Vegetation setzt früher ein als gewollt. Kommt es zu längeren Dürreperioden, begünstigt das den Befall von Schädlingen wie Borkenkäfer, Drahtwürmer oder auch Rüsselkäfer an.

„Im dicht bebauten, städtischen Gebiet, wird Hitze ein immer größeres Problem und die Abende, an denen man wirklich durchlüften kann, wo sich die Wohnung auch wieder abkühlt, werden seltener.”

Klimaforscher Georg Pistotnik, GeoSphere Austria

Kühle Sommerabende und erholsame Nächte

Wirft man einen Blick auf die Aufzeichnungen der vergangenen 30 Jahre, „dann hätten wir jetzt im Juli an den Nachmittagen Temperaturen von ungefähr 26 Grad”, sagt der ORF-Meteorologe Manuel Oberhuber. Im kollektiven Empfinden nehme man diese Temperaturen, wie wir sie auch in der vergangenen Woche erlebt haben, aber eher als „frisch” oder als „Abkühlung” wahr. Abkühlung, die im Sommer abends oft fehlt.

„Im dicht bebauten, städtischen Gebiet, wird Hitze ein immer größeres Problem und die Abende, an denen man wirklich durchlüften kann, wo sich die Wohnung auch wieder abgekühlt, werden seltener”, sagt der Klimaforscher Pistotnik. Dies bestätigt auch der Blick auf die Statistik: In Wien wurden im Vorjahr etwa 16 Tropennächte gemessen (wenn die Lufttemperatur nicht unter 20 °C fällt; Anm.), im langjährigen Mittel der Jahre 1991-2020 waren es noch sechs Nächte.

Jahreszeiten, wie wir sie kennen

Zugefrorene Teiche und tagelange Schneedecken im Winter – „das sind vor allem Assoziationen, die wir von früher gewohnt sind”, meint Pistotnik. Das werde künftig zwar nicht gänzlich verschwinden, „aber der Winter wird ein sehr langer Herbst werden, der irgendwann in einen sehr langen Frühling übergeht”, sagt der Klimaforscher der GeoSphere Austria. „Wir dürfen gleichzeitig aber nicht den Fehler machen und glauben, dass es nicht mehr schneien wird. Es wird weiterhin Wetterlagen geben, wo die Bedingungen passen werden, aber langfristig geht die Temperatur nach oben und es wird in den Landeshauptstädten immer weniger Tage mit einer Schneedecke geben”, sagt der Meteorologe Oberhuber.

Extremwetterereignisse sind medial meist präsenter als die Phänomene, die uns schleichend verlassen. Dabei sind die Folgen dieser Veränderung langfristig nicht weniger drastisch. Präsenter sind zumeist die hitzigen Debatte, die über die zunehmenden Extreme geführt werden. Dass sich das Klima verändert, bezweifelt heutzutage kaum jemand mehr. Ob die Erderhitzung menschengemacht ist oder nicht, daran wird jedoch gezweifelt. Etwa erst jüngst in der ZIB2, als der FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker im Studio bei der Frage, ob der CO2-Ausstoß von Autos den Klimawandel beschleunigt, auf Sonnenstürme verwies. Welche Rolle solche Sonnenstürme im Zusammenhang mit dem Klimawandel spielen, ist wissenschaftlich bisher nicht bekannt.

Meteorologe Oberhuber sieht im Umgang mit der Diskussion rund um die Klimakrise zwei Lösungswege: Zum einen gehe es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse besser zu kommunizieren „und zu versuchen, Forschungsergebnisse sachlich zu erklären, wie sie sind und was die Wissenschaft weiß und was sie nicht weiß.”

Zum anderen gehe es aber auch um ein Mindestmaß einer gemeinsamen Diskussionsgrundlage. „Ich war erst vor Kurzem zu einer Feier eingeladen und habe dort einen Neurochirurgen kennengelernt”, erzählt Oberhuber. „Ich habe dort einiges über seinen Berufsstand erfahren und welche Entwicklungen es dort gerade gibt und die habe ich dann nicht gleich pauschal in Zweifel gezogen, weil ich schon davon ausgehe, dass der weiß, wovon der spricht”, sagt der Meteorologe.

Tropennächte in Sicht

Zumindest Starkregen wird für die kommenden Tage nicht vorhergesagt. Die Temperaturen steigen in der kommenden Woche aber wieder über das langjährigen Mittel an, bis zu 35 Grad sind möglich. Innerstädtisch sind dadurch nicht nur weitere Tropennächte möglich, nach heißen Nächten werden wohl auch die Debatten hitziger. Nicht nur bei Gesprächen rund um die Klimakrise.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.