Schauspieler Manuel Rubey: "Wir beurteilen nur mehr Charisma“
Interview: Franziska Tschinderle/Fotos: Martin Valentin Fuchs
profil: Was ging Ihnen am ersten Wahlabend durch den Kopf? Manuel Rubey: Ich habe gedacht, es gibt ein 30 Prozent-Limit an rechtem Lager. Dass es offensichtlich weiter steigt, ist eine Erkenntnis, die mich schockiert hat. Dazu kommt, dass sich die Fronten immer mehr verhärten. Ich habe das Gefühl, man kann über fast alles sprechen, solange es nicht politisch wird. Mir geht es so mit meinen Nachbarn im Waldviertel. Ich würde das gerne überwinden, aber es gelingt mir nicht. Man ist sofort der arrogante Wiener, der glaubt, alles besser zu wissen. Das ist keine Diskussion, das sind Fronten.
profil: Sie haben sich auf Facebook offen für Van der Bellen ausgesprochen. Haben Sie lange nachgedacht, ob Sie sich in diesem Wahlkampf positionieren wollen? Rubey: Das war sicher keine leichtfertige Entscheidung. Ich bin das erste Mal im Personenkomitee eines Kandidaten. Für mich geht es eben auch um die Zukunft meiner Töchter. Ich glaube, dass sich Österreich gerade an einem Scheideweg befindet. Für mich war es ein Gebot der Stunde, weil ich Van der Bellen mehr glaube als einer Partei. Ich fand es gerade jetzt wichtig sich zu bekennen. Aber ich ertappe mich selbst dabei daran zu zweifeln, ob man mit einem Personenkomitee so viel mehr Leute erreichen kann.
profil: Dabei wird an Kulturschaffende oft der Anspruch gestellt, sich politisch zu äußern. Rubey: Man sollte eine Haltung in der Öffentlichkeit haben. Wenn man in den 90er Jahren ins Kabarett gegangen ist, war klar – der Oben ist links, die Unten sind auch links und es ist „a gmade Wiesen.“ Rein rechnerisch stimmt das nicht mehr. Heute habe ich im Publikum Leute, die politisch ganz anderer Meinung sind. Im Idealfall komme ich nachher mit ihnen ins Gespräch und man hört einander zu. Aber wenn man mit Veranstaltern spricht, merkt man, dass die Leute immer weniger politische Sachen auf Bühnen sehen wollen. Sie sind so fertig von ihrem eigenen Leben, dass sie am Samstag, wenn überhaupt, berieselt werden möchten. Das kommt rechter Politik sehr entgegen.
Wir sollten versuchen, in keine arrogante Position zu rutschen. Sonst liefern wir uns nur aus.
profil: Kulturschaffende können aber auch Aufklärung schaffen. Rubey: Das finde ich ein bisschen schwierig. Weil wir sind Kabarettisten und keine Experten. Am schlimmsten finde ich, wenn man von der Bühne herunter belehrend wirkt und den Anspruch stellt: Ich bin klüger als ihr da unten. Mich interessiert mehr, wie sich die Politik an den Menschen zeigt. Diese Menschen werden dann zu den Figuren in den Stücken.
profil: Wenn der FPÖ-Wähler einer ihrer Figuren wäre, wie würden Sie ihn beschreiben? Rubey: Den Leuten geht es nicht mehr so gut. Das hat viele Gründe. Ich fühle mich nicht befähigt, alle zu nennen. Aber die Leute haben Angst. Angst, dass ihnen noch mehr weggenommen wird als ihnen vielleicht schon weggenommen wurde. Dazu gibt es ein klares Feindbild, den Flüchtling, mit dem man genau diese Ängste bedient. Aber Angst ist immer berechtigt und das macht die Diskussion so schwierig. Deswegen sollten wir versuchen, in keine arrogante Position zu rutschen. Sonst liefern wir uns nur aus.
profil: Die Willkommenkultur rund um die Flüchtlingskrise scheint abzuebben. Wie haben Sie den vergangenen Herbst erlebt? Rubey: Ich finde, dass sich die viel zitierte Zivilgesellschaft wunderbar erhoben hat. Aber natürlich gibt es Schwierigkeiten. Vor allem, wenn es um ein Frauenbild geht, das nicht nach Europa zu passen scheint. Aber sobald Menschen aufeinander treffen, gibt es Unstimmigkeiten. Das ist in jeder Dorfgemeinschaft so.
Ich halte es für problematisch zu glauben, dass man in den neuen Medien politisch etwas lösen kann.
profil: Sie leben mit Ihrer Familie im 15. Wiener Gemeindebezirk, ihre Töchter gehen in öffentliche Kindergärten und Schulen. Wie erleben Sie die Stimmung in den Klassenzimmern? Rubey: Ich bin selber in eine Waldorfschule gegangen. Aber in diesen Zeiten tue ich mir schwer mit diesem linken Siebter-Bezirk-Bobo-Getue. Grün wählen, aber BMW fahren. Für Ute Bock spielen, aber die Kinder in eine katholische Privatschule schicken. In der Klasse meiner Tochter sprechen 70 Prozent der Schüler Deutsch nicht als Muttersprache. Das funktioniert fantastisch, weil die Pädagogen diesbezüglich speziell geschult sind. Kürzlich habe ich mit meiner Tochter ein altes Spiel aus den 70er Jahren gefunden. Da gab es die Rubrik „Männernamen mit M“. Ihr ist als erster Mohammed eingefallen, obwohl ihr Vater Manuel heißt. Da muss ich dann persönlich mit meiner Eitelkeit umgehen (lacht). Kinder sind so viel flexibler als wir alle.
profil: Derzeit wirft man der Linken vor, in einer Blase zu leben. Rubey: Facebook ist hierfür ein gutes Beispiel. In meinem Freundeskreis gab es den halbherzigen Aufruf: „Alle, die jetzt FPÖ wählen, entfreunde ich.“ Es stimmt, ich muss ja mit niemandem befreundet sein. Es bedeutet aber auch, dass ich mich am Ende nur mit Gleichgesinnten austausche. Ich halte es für problematisch zu glauben, dass man in den neuen Medien politisch etwas lösen kann.
profil: Dabei twittern Sie in letzter Zeit recht häufig zu aktuellen, politischen Themen. Wie reagieren die Leute darauf? Rubey: Ich versuche mich online nicht einschüchtern zu lassen. Nur seitdem ich Falco gespielt habe, lese ich eigentlich keine Hasspostings mehr. Ich muss mir jetzt auch nicht alles reinziehen. Solange die neuen Medien eine Diskussion zulassen, benutze ich sie - auch um zu streiten.
Ein großes Versäumnis derer, die in den letzten Jahren regiert haben ist, dass man die Bildung unterschätzt.
profil: Was würden Sie einem Follower antworten, der nicht mehr an die EU glaubt? Rubey: Wir sind ein Tourismus- und Exportland. Zu glauben, dass es sinnvoll ist, aus dem Größeren auszuscheiden und nur „Wir“ zu rufen, ist fatal. Ich weiß, dass man Europa viel ankreiden kann, zum Beispiel die Bürokratie. Aber es ist absurd zu denken, dass wir als kleines Österreich mit eigener Währung wirtschaftlich bestehen könnten.
profil: Die EU ist komplex. Es ist einfacher sie zu verteufeln als sie zu verstehen. Rubey: Es ist aber auch einfacher zu sagen: „Du bist ein Arschloch, ich hau dir in die Goschn“, als sich mit dir auseinanderzusetzen. Und genauso ist es einfacher „Daham statt Islam“ oder, sagen wir mal, „Leberkas statt Türkenschas“ zu plakatieren, als etwas zu erklären, das nicht Schwarz oder Weiß ist. Ein großes Versäumnis derer, die in den letzten Jahren regiert haben ist, dass man die Bildung unterschätzt. Sie wird fast stiefmütterlich behandelt. Die einzige Chance die wir hätten ist, zum Denken anzuregen.
profil: Kürzlich hat die Identitäre Bewegung das Jelinek-Stück „Die Schutzbefohlenen“ in der Universität Wien gestürmt. Bei einer weiteren Vorstellung sind sie auf das Burgtheater geklettert. Was geht Ihnen da durch den Kopf? Rubey: Bei diesem Angriff sind mir sofort die 30er Jahre in den Kopf geschossen. Man muss vorsichtig sein, denn es sind natürlich nicht alle Hofer-Wähler Neo-Nazis. Aber in diesem Fall haben sich bei mir geschichtliche Synapsen aufgetan, die mir große Angst machen. Das hatte nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun. Mein Kollege Thomas Stipsits und ich haben das in unserem neuen Programm „Gott und Söhne“ einige Mal auf der Bühne thematisiert, wie das jetzt wäre, wenn es eine solche Attacke auf uns geben würde. Ob man den Mut hätte mit ihnen zu streiten oder sich in seiner Garderobe verkriecht, bis es vorbei ist.
Aus einer TV-Konfrontation kann man sich immer schwieriger eine Meinung bilden.
profil: Würden Sie sich verkriechen? Rubey: In so einer Situation wäre die Vorstellung wohl zu Ende. Nach so einem Schock kannst du nichts mehr herumreißen. Dann kann man nicht sagen: Ich rufe die Polizei und dann machen wir wieder weiter. Ich hoffe, ich hätte in so einer Situation den Mut, das in eine Diskussion umzuwandeln. Serdar Somuncu, der in Deutschland als Deutsch-Türke mein Kampf gelesen hat, hat mir mal erzählt, wie er das löst, wenn seine Bühne gestürmt wird. Er übergibt denjenigen dann für fünf Minuten das Mikrofon. In der Regel sind sie dann eingeschüchtert und wollen schnell raus aus dem Rampenlicht.
profil: Sie sind seit 14 Jahren Schauspieler. Wie beurteilen sie NLP geschulte Politiker? Rubey: Aus einer TV-Konfrontation kann man sich immer schwieriger eine Meinung bilden. Als mündiger Mensch finde ich es daher immer noch am sinnvollsten die Parteiprogramme zu lesen. NLP geschulte Politiker beantworten ja auch keine Fragen. Wir bilden uns keine Meinung mehr, wir beurteilen Charisma. Das ist gefährlich, weil wir uns nicht mehr inhaltlich auseinandersetzen. Hofer lächelt, bleibt ruhig und wirkt sympathisch. Das ist irreführend, weil es nicht mehr um Fakten geht.
Zur Person: Manuel Rubey (37) ist Schauspieler (u.a. "Falco -Verdammt, wir leben noch!", "Braunschlag") und Kabarettist (u.a. "Triest)". Er ist Teil des Personenkomitees, das Alexander van der Bellen bei der Bundespräsidentschaftswahl unterstützt.