Ansturm auf Schuldenberatung: Von Inflation, Teuerung bis #Klarnaschulden
Krisen sind in der Schuldenberatung immer erst zeitverzögert merkbar. Letztes Jahr haben sich um zehn Prozent mehr Menschen in Österreich bei der Schuldnerberatung gemeldet als im Jahr zuvor - Tendenz steigend. Das geht aus dem aktuellen Schuldenreport hervor, der jetzt vom Dachverband der Schuldnerberatungen veröffentlicht wurde. Die durchschnittliche Überschuldung der Klientinnen und Klienten liegt demnach bei 61.430 Euro - und die Situation wird sich weiter verschärfen.
Denn längere Stabilisierungsphasengab es in den vergangenen Jahren kaum - und auch Perspektiven auf krisenfreie Zeiten gibt es aktuell nicht. Dazu kommt, dass Menschen immer öfter für Artikel des täglichen Bedarfs auf Fremdfinanzierung zurückgreifen müssen, sagt Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Dachorganisation der Schuldenberatungen im profil-Gespräch: “Der Kontoüberzug und die Konsumkredite sind die Einstiegsdroge in die Schuldenfalle.”
Menschen, die in die Schuldenberatung kommen, haben laut Schuldenreport monatlich durchschnittlich 1400 Euro zur Verfügung; bei fast der Hälfte sei die Pflichtschule die höchste abgeschlossene Ausbildung. Im abgelaufenen Jahr wurden rund 56.000 Personen von einer der zehn staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich unterstützt. Die Hauptursache für Überschuldung ist laut MitterlehnerArbeitslosigkeit beziehungsweise Einkommensverminderung. “Menschen, die kein stabiles soziales Umfeld haben, können durch einen finanziellen Schock aus der Bahn geworfen werden.”
Wie einschneidend die Teuerung ist, zeigt sich auch in der aktuellen Umfrage, die vom Meinungsforschungsinstitut Unique Research für profil erhoben wurde. 39 % der Bevölkerung meinen, dass die gestiegenen Supermarktpreise ihr Haushaltsbudget "sehr stark" und 36 % fühlen sich durch die Preissprünge "eher stark" belastet. Für 20 % sind die Preise eine "eher geringe", für 4 % eine "sehr geringe” Belastung.
Und diese Teuerung schlägt auf unterschiedliche Weise ein. Miete, Energie, Lebensmittel, Treibstoff für Pendler. “Das können bald mal ein paar Hundert Euro im Monat mehr sein”, sagt Mitterlehner. Dazu kommt es, dass es nicht nur Schuldenkarrieren gibt, bei denen Kinder wie bereits ihre Eltern wieder in die Überschuldung (sei es durch geringere Bildungschancen, fehlende Vorbildwirkung) schlittern, sondern es bei vielen jungen Menschen normal wird, sich zu verschulden - sogar TikTok-Trends zum Thema gibt es. Unter dem Hashtag #Klarnaschulden haben sich Jugendliche damit gerühmt, wer die meisten Schulden bei dem Finanzdienstleister produziert hat. Eine gefährlicher Trend, dem man nur mit elementaren Finanzbildungsmaßnahmen entgegenwirken könne.
Und wie wird sich die Teuerung noch auswirken?
Prognosen sind schwer zu geben. “Wenn man sich aber die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte anschaut, zum Beispiel nach der Wirtschaftskrise 2008 oder punktuell nach Hochwasser-Katastrophen, suchen Menschen zuerst nach eigenen Lösungswegen”, sagt Mitterlehner. Zum Beispiel durch Reserven, durch Unterstützung in Familien, oder weil man Glück mit einem neuen Job habe. Die 10% Steigerung war demnach erst der Anfang – und die ersten Zahlen aus dem ersten Quartal 2023 zeigen, dass es in einzelnen Bundesländern eine Steigerung von bis zu 40% gibt. Das zeige, wohin die Reise geht, meint Mitterlehner noch. “Und das macht uns Sorgen.”
Der erste Schritt ist, zur Schuldenberatung zu gehen. Und das ist immer auch der schwerste, meint Mitterlehner. Klientinnen und Klienten berichten aber, dass sobald dieser Schritt getan ist, das psychosoziale Wohlbefinden steige. Konflikte in Beziehungen nehmen ab, die Schlafqualität steigt, die Arbeitssuche wird erleichtert. “Das sind Anzeichen, dass die persönliche Perspektive steigt.”