Die Gesamtausgaben von 21,5 Milliarden Euro trägt zu knapp drei Viertel der Bund, der Rest entfällt auf Länder und Gemeinden.
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Schulen zu, weniger Corona? So einfach ist es nicht!

Dass die türkisgrüne Regierung insgesamt beim Management der Corona-Pandemie kolossal versagt hat, ist offenkundig. Der Bildungsminister jedoch hat sich die harte Kritik wegen offener Schulen nicht verdient.

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In Österreichs zunehmend unerbittlicher Corona-Debatte gibt einen neuen Ober-Bösewicht: ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann. Er hat mehr oder weniger im Alleingang dafür gesorgt, dass Schulen und Kindergärten offenhalten. Jetzt kommen nicht nur von politischen Mitbewerbern Rücktrittsaufforderungen an Faßmann. Auch die eigenen Landeshauptleute drängen nach wie vor auf Schließungen. Und in Sozialen Medien wird Faßmann – mit Verweis auf die derzeit hohen Inzidenzen an Schulen – sowieso eine geradezu mörderische Unverantwortlichkeit unterstellt.

Faßmann drohte sogar mit Rücktritt

Lesen Sie dazu diesen Kommentar von Gernot Bauer (Ressort Innenpolitik), der das Entscheidungsprozedere und Debatte in Sachen Schulschließungen nachvollzogen hat. „Wie zu hören ist, soll der Minister sogar mit Rücktritt gedroht haben“, schreibt Bauer unter anderem.

Dabei ist die Sache bei weitem nicht so klar, wie es scheint. Die Befürworter der Schulschließungen machen es sich einfach. Sie postulieren im Wesentlichen: Werden Bildungseinrichtungen geschlossen, gibt es weniger Kontakte unter und mit Kindern und Jugendlichen und die Infektionsketten werden durchbrochen. Halten sie umgekehrt offen, breitet sich die Pandemie weiter aus.

Wenn Oma und Opa im Nebenzimmer betreuen

Ob dies im echten Leben tatsächlich so geschehen würde, ist fraglich. Ja, die Kontakte würden möglicherweise insgesamt weniger. Aber immerhin müssen Österreichs Arbeitnehmer weiterhin ihren Tätigkeiten nachgehen (wenn auch derzeit oft nur im Nebenzimmer). Notgedrungen müssen sie ihre Kinder betreuen lassen. Notgedrungen wird dabei auf die eigenen Verwandten zurückgegriffen, auf Oma, Opa, Tante, Onkel. Eine Altersgruppe mit besonders hoher Inzidenz würde also in engen Kontakt mit vulnerableren Altersgruppen geraten. Eine solche Konstellation wäre wohl selbst in Staaten ein Problem, die eine höhere Impfquote haben als Österreich.  

Fraglich ist außerdem, inwieweit man Kinder und Jugendliche wirklich daran hindern kann, Gleichaltrige zu treffen. Überdies weist Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom beim „Institut für Höhere Studien“ (IHS), darauf hin, dass bei Schulschließungen die flächendeckenden Schul-Corona-Tests wegfallen würden - auch wenn sie derzeit nicht in ausreichendem Maß stattfinden.

Zwei Übel zur Auswahl

Wir stehen also nicht vor einer schlichten Entscheidung zwischen Gesundheit (Schulen zu) und Krankheit (Schulen auf). Sondern vor der diffizilen Abwägung, welches von zwei Übeln das kleinere ist. Und hier war noch gar nicht die Rede von all den Problemen psychischer und sozialer Natur, die Schulschließungen sonst noch mit sich bringen. Manche Experten glauben trotzdem, dass Schulschließungen unvermeidlich sein werden, zum Beispiel die Virologin Dorothee von Laer im Gespräch mit Franziska Dzugan (Wissenschaft).

Nur zur Klarstellung: Zweifellos hat die türkisgrüne Regierung insgesamt beim Management der Corona-Pandemie kolossal versagt. Sie hätte unter anderem im Sommer mit aller Kraft versuchen müssen, die Impfquote hochzutreiben und weitere Vorsorgen für die kalte Jahreszeit zu treffen, statt die Menschen in falscher Sicherheit zu wiegen. Jetzt steht die Regierung vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik und ergreift die denkbar härtesten Maßnahmen.

Aber derartige grundlegende Linien der Corona-Politik zu bestimmen, das obliegt der Regierungsspitze, nicht dem Bildungsminister. Faßmann hingegen hätte sich, was seine Entscheidung betrifft, etwas weniger Unerbittlichkeit verdient.

Joseph Gepp

 

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