Schulgeschichten am Musiktheater in Linz
Der Komponist, Musiker und Künstler Peter Androsch sagte zu, als er 2013 gebeten wurde, an seiner ehemaligen Schule eine Matura-Rede zu halten. Er konnte damals nicht wissen, was sich daraus noch ergeben sollte. Fünf Jahre hatte der 1963 geborene Oberösterreicher seinerzeit am Akademischen Gymnasium in Linz verbracht. Nach seiner Rede bekam er einen Brief aus Amerika. Ein Funke sprang über. Androsch begann, sich für die Historie seiner ehemaligen Schule auf der Linzer Spittelwiese zu interessieren. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern erforschte er ihre Geschichte. Fünf Jahre lang hörten sie nicht mehr auf zu graben. Die Geschichte des vermutlich ältesten Gymnasiums im deutschsprachigen Raum ist unglaublich, weil sich in ihr zahlreiche historische Fäden verweben: 1612 begann Johannes Kepler hier Mathematik zu unterrichten. 1863 maturierte Ludwig Boltzmann, der Ahnherr der modernen Physik, 1906 Ludwig Wittgenstein, 1980 der Regisseur Stefan Ruzowitzky.
Riesige Stofffülle
In der NS-Zeit lag die Schule mitten im Geschehen: Hitler ging nebenan zur Schule, unweit davon residierte Gauleiter August Eigruber im Landhaus, der NS-Funktionär Ernst Kaltenbrunner wohnte in einer Parallelgasse. Und nach dem Krieg? Alle Landeshauptleute, die Oberösterreich zwischen 1945 und 1995 regierten, waren am Akademischen Gymnasium in Linz gewesen. Je mehr Zeit der Künstler Androsch und die Schülerinnen und Schüler in den Archiven verbrachten, desto mehr gaben diese frei. Zu dem Fundus gehören auch die Geschichten der Hitler-Nichte und Femme fatale Geli Raubal, ihres Lehrers Hermann Foppa, der nicht nur ein strammer Nazi, sondern auch Hitlers Taufpate war. Androsch konnte aus einer riesigen Stofffülle schöpfen, als er die Idee hatte, die Chronik des akademischen Gymnasiums von 1918 bis heute als Musiktheater auf die Bühne zu bringen. Das Stück „Die Schule oder das Alphabet der Welt“ ist noch bis 13. Februar am Musiktheater in Linz zu sehen.