Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit dem neuen SPÖ-Landesrat Sven Hergovich. Für eine Koalition der beiden war die Atmosphäre zu vergiftet.

Schwarz-Rot in Niederösterreich scheiterte auch an falscher Rechnung

Die SPÖ forderte eine Job-Garantie für Langzeitarbeitslose und veranschlagte dafür die Maximalsumme von 440 Millionen Euro. In der Praxis wäre die Maßnahme viel billiger gewesen.

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Bevor er dabei Kompromisse eingehe, hacke er sich lieber die Hand hab, sagte SPÖ-Niederösterreich-Chef Sven Hergovich nach der Niederösterreich-Wahl. Er bezog sich konkret auf fünf Forderungen, die er der ÖVP in den Verhandlungen über eine Zusammenarbeit vorlegte. In vier Punkten hätte man sich einigen können, heißt es aus ÖVP Niederösterreich. Doch beim fünften Punkt, einer Job-Garantie für Langzeitarbeitslose, blieb die Volkspartei hart. Hergovichs Hände blieben dran, seine Partei war raus, die FPÖ drin. Der Rest ist Geschichte - und anhaltender Protest. Nach der österreichischen Filmakademie stellt sich nun auch die Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren gegen die schwarz-blaue Koalition und sagt Landesauftritte ab.

Der Knackpunkt

Woran die schwarz-rote Alternative zu Schwarz-Blau scheiterte, darüber wird im Hintergrund noch immer heftig gestritten. War der Abbruch der Verhandlungen von Beginn an schwarze - ode rote - Strategie? Waren persönliche oder doch sachliche Gründe ausschlaggebend? Wie auch immer: Die rote Jobgarantie für Langzeitarbeitslose spielte eine entscheidende Rolle. Sowohl in der Sache als auch in der Summe.

440 Millionen Euro hätte die Job-Garantie im Endausbau 2028 jährlich gekostet, bezifferte die SPÖ am Beginn der Verhandlungen. Die ÖVP war aus ideologischen Gründen gegen „künstlich“ geschaffene Jobs durch Landesgelder - vom Landschaftspfleger bis zum Seniorenbegleiter bei Amtswegen. Die hohe Summe von 440 Millionen Euro, die am Tisch lag, machte es der Partei leichter, Nein zu sagen. Zur Relation: Das Budget des AMS Niederösterreich beträgt 220 Millionen Euro – für alle seine Maßnahmen.

„Pick-Up-Rate“

Aktuell sind in Niederösterreich 5200 Menschen langzeitarbeitslos. Die SPÖ zog für die Berechnung der Job-Garantie 13.400 Langzeitbeschäftigungslose heran - eine breitere Definition, die auch Personen umfasst, die zwischenzeitlich eine Schulung besuchten oder kurz einen Job hatten. Diese Gruppe multiplizierte sie mit 33.000 Euro. So viel kostet ein Langzeitarbeitsloser beim Arbeitsmarktservice (AMS). So weit so gut: Aber wie viele Langzeitbeschäftigungslose hätten die neuen - freiwilligen - Jobs angenommen? Die SPÖ selbst geht von einer 50-prozentigen "Pick-Up-Rate" aus. Das heißt, höchstens die Hälfte der Betroffenen hätte zugegriffen. Dadurch sinken die hypothetischen Kosten für die Job-Garantie schlagartig auf 220 Millionen Euro (in der Annahme gleichbleibender Arbeitlosenzahlen).

Linke Tasche, rechte Tasche

Aus dieser Gruppe würden nicht alle in den gestützten Landesjobs verharren. AMS-Chef Johannes Kopf weiß aus Erfahrung, dass rund ein Drittel der Langzeitarbeitslosen, die vom Arbeitsmarktservice in sozialökonomischen Betrieben gefördert werden, nachher eine reguläre Tätigkeit finden. Die Kosten der roten Job-Garantie würden um ein weiteres Drittel sinken.

Dazu kommt: Langzeitarbeitslose beziehen aktuell Notstandshilfe vom AMS. Diese Kosten fallen weg, wenn das Land Niederösterreich Jobs für sie schafft. Volkswirtschaftlich wandern die Kosten dadurch bloß von einer Tasche in die andere. Das Land könnte sich über Umwege einen Teil der verbleibenden Kosten vom Bund holen.

Fazit: Die SPÖ Niederösterreich ging mit einer weit überzogenen Summe in die Verhandlungen. Der ÖVP fiel es dadurch noch leichter, zu den Blauen zu wechseln.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.