Sechs Packungen Zigaretten: Trafikbesuch mit einer Minderjährigen
Unbekümmert steuert Viktoria auf eine Trafik in der Fußgängerzone im niederösterreichischen Krems zu. Ein Gong ertönt, als die 15-Jährige das Geschäft betritt. Das Mädchen mit lockigen Haaren und Nasenpiercing trägt schwarze Sneaker und eine dunkle Jeansjacke. Mit ihrem schwarzen Rucksack, voll mit bunten Buttons, ist sie eindeutig als Schülerin identifizierbar. Viktoria geht zum Schalter und bestellt: "Einmal rote Marlboro, bitte.“ Die Trafikantin stellt keine Fragen, dreht sich um und zieht eine Zigarettenpackung aus dem Regal: "Fünf Euro.“ Viktoria zahlt, sagt Danke und geht.
Vergangenen Mittwoch versucht es die Schülerin noch in fünf weiteren Trafiken im Kremser Stadtgebiet. Nach nur einer Stunde steht sie mit sechs Schachteln Zigaretten da - sie wurde kein einziges Mal nach einem Ausweis gefragt, obwohl sie in drei Trafiken sogar auf eine Rechnung bestand. "Ich bin selbst überrascht, wie leicht das gerade war“, sagt die 15-Jährige hinterher.
Mit zwölf Jahren kaufte Viktoria mit zwei Freundinnen ihre erste Packung Zigaretten. Inzwischen ist die Sechstklässlerin eines Gymnasiums stolze Nichtraucherin: "Im Jänner habe ich aufgehört“, erzählt Viktoria, die beweisen will, wie einfach Jugendliche unter 16 Jahren an Zigaretten kommen.
Strafen bis zu 15.000 Euro
Laut Jugendschutzgesetz dürfen an unter 16-Jährige keine Zigaretten verkauft werden; Trafikanten drohen Strafen bis zu 15.000 Euro. Theoretisch. In der Praxis wird das Gesetz nur in wenigen Bundesländern ernsthaft kontrolliert. In Niederösterreich gibt es vonseiten der Behörden keine Prüfungen der Trafiken. Nicht weiter verwunderlich also, dass unter den Trafikanten wenig Sensibilität herrscht. Immerhin: Politik und Branchenvertretung haben das Problem erkannt.
Im Europa-Vergleich landet Österreich unter den jungen Rauchern in allen Rankings verlässlich im Spitzenfeld. Beinahe jeder zweite 15-Jährige hat bereits einmal an einer Zigarette gezogen, wie eine aktuelle Umfrage der Medizinischen Universität Wien unter 800 Jugendlichen zeigt. Demnach rauchen etwa 29 Prozent der 15-Jährigen regelmäßig, 14 Prozent sogar täglich. Und: 68 Prozent beziehen ihre Zigaretten aus der Trafik.
Just in Krems treffen kommenden Donnerstag die Jugendlandesräte der neun Bundesländer und Jugendministerin Sophie Karmasin zusammen. Geht es nach der Ministerin, soll dort die Anhebung des Tabakverbots von unter 16-Jährigen auf unter 18-Jährige ausgeweitet werden. Da Jugendschutz Landessache ist, braucht Karmasin die Unterstützung der Länder, wonach es derzeit durchaus aussieht. Allein: Wird weiter so lasch kontrolliert, bleibt die Gesetzesverschärfung zahnlos.
Handlungsbedarf besteht
Wie es gehen könnte, zeigt ein Blick in die Steiermark. 2014 wurden 1840 Trafiken getestet - von 15-jährigen Lehrlingen, die in der Landesverwaltung arbeiten. 62 Prozent der Trafiken gaben Zigaretten an unter 16-Jährige aus, ohne nach dem Ausweis zu fragen. Zwei Jahre später waren es nur mehr 36 Prozent der Trafiken, die sich nicht ans Jugendschutzgesetz hielten. Beim ersten Vergehen erhalten die Trafikanten einen Mahnbrief der Jugendlandesrätin; erst beim zweiten Mal wird angezeigt. Der Strafrahmen von 15.000 Euro wird so gut wie nie ausgeschöpft.
Dass Handlungsbedarf besteht, haben inzwischen selbst die Vertreter der Trafikanten erkannt: "Alter, check’s“, heißt das Programm, das die Monopolverwaltung (sie regelt das staatliche Tabakmonopol) demnächst startet. Ab den Osterferien sollen österreichweit Testkäufer unterwegs sein, wie Hannes Hofer, der Geschäftsführer der Monopolverwaltung, erklärt: "Wir setzen auf 16-Jährige, die jünger aussehen. Da wir keine Behörde sind, würden wir uns sonst wegen Anstiftung strafbar machen.“ Das dreistufige Strafmodell sieht beim ersten Vergehen eine Ermahnung vor, dann eine Nachschulung in der Trafikakademie, beim dritten Verstoß setzt es eine Geldstrafe - die, standortabhängig, ein Prozent des monatlichen Tabakumsatzes betragen soll, also etwa 500 bis 1500 Euro.
"Die aktuelle Situation ist unbefriedigend. Wir müssen beweisen, dass wir es besser können“, sagt Hofer. Der Mann meint es ernst, schließlich ist er selbst Nichtraucher - bis auf die eine oder andere Zigarre.