Sepp Schellhorn: „Wäre ich ein Bauer, würde ich nach Brüssel gehen“
Bald sitzt Sepp Schellhorn für die NEOS wieder im Parlament. Davor hat er Gespräche darüber geführt, „ob es totgelaufen ist“. Wollte er mit Othmar Karas kandidieren? Gibt es gerechtfertigte Steuern? Und versteht er den Unmut der Bauern? Ein Gespräch.
Sie haben Politik mit der Droge Crystal Meth verglichen. Offenbar haben Sie einen Rückfall.
Schellhorn
Ich habe es einmal zugespitzt so formuliert: Einmal gezogen, und man kommt nie mehr davon weg. Wenn man Politik richtig lebt, hat sie einen Suchtfaktor.
Wird man in der Politik süchtig nach Aufmerksamkeit?
Schellhorn
Für mich kann ich das nicht beurteilen. Manche sehen meine Rückkehr vielleicht als Heischen nach Aufmerksamkeit, andere sehen das ehrliche Bemühen, das ich habe. Ich will eine Stimme für den Tourismus, Unternehmerinnen und Unternehmer sein.
Im November haben Sie eine persönliche Erklärung angekündigt, ein Code für große persönliche Entscheidungen in der Politik. Verkündet haben Sie aber Rezepte. Warum haben Sie so mit Ihrem Comeback kokettiert?
Schellhorn
Damals habe ich noch nicht gewusst, dass ich im Nationalrat nachrücken kann, das ist sehr kurzfristig passiert. Es war eine gewisse Koketterie und Lächerlichmachung von all diesen persönlichen Ankündigungen. Es war eine Aktion, um meinem „Sepp, was machst du?“-Kanal Aufmerksamkeit zu schenken. Nicht der Politik.
Es gab lange das Gerücht, dass Sie zum Beispiel mit dem ÖVP-Politiker Othmar Karas kandidieren. War das also PR auf Kosten der NEOS?
Schellhorn
Nein, so würde ich das nicht sehen. Ich wurde immer wieder von Medien zu Themen wie Fachkräftemangel gefragt, weil ich eine Meinung habe. Vielleicht hat das mit einer Positionsschwäche zu tun gehabt.
Von wem, den NEOS?
Schellhorn
Nein, der Regierung. Gleichzeitig bin ich halt jeden Tag im Betrieb gestanden und habe eben eine Meinung. Man kann den anderen nicht zum Vorwurf machen, dass sie nicht zusätzlich in der Privatwirtschaft arbeiten.
wird im Februar wieder als Abgeordneter angelobt, er übernimmt das Mandat von Julia Seidl, die in Innsbruck kandidiert. Schon von 2014 bis 2021 saß der Salzburger für die NEOS im Parlament, bis er sich zurückzog, um sich unter anderem auf seine Unternehmen zu konzentrieren. Nun hat er das Hotel „Der Seehof“ in Goldegg an seinen Sohn übergeben. Schellhorn war zehn Jahre lang auch Präsident der Hoteliervereinigung.
Man kann den NEOS schon zum Vorwurf machen, dass sie zu wenig Wirtschaftstreibende und Unternehmer im Nationalrat haben.
Schellhorn
Das kann man auch allen anderen Parteien vorwerfen.
Es ist aber eine wichtige Zielgruppe der NEOS.
Schellhorn
Ja, aber die NEOS haben zumindest Konzepte für die Zukunft.
Haben Sie eigentlich überlegt, mit Othmar Karas zu kandidieren?
Schellhorn
Ich habe mit allen Gespräche geführt.
Aber warum eine Gemeinde 40.000 Euro jährlich für eine Blasmusik ausgibt, das erschließt sich mir nicht.
Sepp Schellhorn
Über Ausgaben der Gemeinden
Gespräche über Kandidaturen?
Schellhorn
Es hat in den vergangenen zwei Jahren mehrere Gespräche darüber gegeben, welchen Beitrag wir dazu leisten können, dass die Gesellschaft besser wird. Ob es was Neues braucht, ob es nicht totgelaufen ist, ob man sich in einer anderen Form politisch engagieren sollte. Da könnte ich mehrere Personen nennen.
Bitte, ja.
Schellhorn
Lieber nicht. Aber es waren mehrere Personen von links, der Mitte, von ganz rechts allerdings niemand, auch wenn man niemanden ausschließen sollte. Als Gastronom ist es ein Traum von mir, dass sich Menschen in Wirtshäusern und Gasthäusern treffen und diskutieren. Mein Gasthaus hatte auch den kulturellen Anspruch, dass dort Salongespräche stattfinden.
Das eine sind politische Diskussionen, das andere Gedankenspiele über neue politische Bewegungen. Sind diese Gespräche also abgeschlossen?
Schellhorn
Nein, so weit war ich nie. Parteihoppen war nie mein Thema. Es hat am 12. Mai 2017 den Anflug von Sebastian Kurz gegeben, mich zu holen …
Das war an Ihrem 50. Geburtstag, Kurz wollte Sie zum Wirtschaftsminister machen.
Schellhorn
Das war reine Koketterie von mir, mit ihm darüber zu reden. Ich habe Bedingungen gestellt, hatte aber nie eine ernsthafte Absicht.
Wenn, dann kommen für Sie also nur die NEOS infrage?
Schellhorn
Ja, das ist definitiv.
Sie haben in der „Kleinen Zeitung“ gemeint: „Alle Parteien, auch die NEOS, scheitern an der Konzentration auf die Zuspitzung der wichtigsten Themen.“
Schellhorn
Ja, politische Parteien scheitern daran, festzulegen, was die wichtigsten Themen sind: Generationengerechtigkeit, nicht nur bei Pensionen, auch im Sinne des Klimas. Teuerung, Inflation, Standortqualität. Der größte Gerechtigkeitsfaktor ist für mich, dass sich Menschen was erwirtschaften können. Das müssen wir als NEOS in dem Themensetting erfüllen.
Hier muss man auch als Bauern in gewissen Situationen verstehen, dass es in der heutigen Zeit andere Lösungen braucht.
Mit unserer Programmatik. Wir wollen zwölf Milliarden Euro im System sparen. So viel Geld braucht man, damit Mitarbeiter und Arbeitnehmer zehn Prozent mehr Netto vom Brutto haben. Holen kann man dieses Geld in den Ländern, mit dem doppelten Föderalismus und dem gelebten Feudalismus. Es ist nicht einzusehen, warum Länder Reformen blockieren, die einen eine Schnitzelprämie brauchen und die anderen ein Büro für Kreisverkehrskunst. Fatalistisch muss man sagen: Es ist gut, dass die NEOS kaum mehr in einer Landesregierung drin sind. Wir sind nicht von Landeshauptleuten abhängig.
Zugespitzt formuliert also: Ihr Heimatbundesland Salzburg abschaffen.
Schellhorn
Nein, überhaupt nicht! Ich bin für den Landeshauptmann Wilfried Haslauer, er muss nur ein bisschen effizienter werden. Wenn 80 Prozent der Steuereinnahmen im Bund bleiben und die Länder bei den restlichen 20 Prozent selbst bestimmen, ob und wie sie sie einnehmen, treten die Länder in einen Wettbewerb. Das wäre die Lösung, auch wenn es für manche jetzt utopisch klingen mag.
Wohl vor allem für die Parteien, die die Landeshauptleute stellen.
Schellhorn
Für die ÖVP zählen ja fast nur noch Vereine, seit Ministerin Elisabeth Köstinger für Ehrenamt zuständig war. Das ist unfassbar. Von mir aus kann ja jeder tanzen, wenn er will. Aber warum eine Gemeinde 40.000 Euro jährlich für eine Blasmusik ausgibt, das erschließt sich mir nicht. Darüber müssen wir diskutieren.
Gibt es überhaupt Steuern, die für die NEOS gerechtfertigt sind?
Schellhorn
Alle Steuern sind bis zu einem gewissen Ausmaß gerechtfertigt. Wenn wir endlich eine Steuerquote von klar unter 40 Prozent haben, dann können wir von mir aus auch über eine Erbschaftsteuer diskutieren. Aber wenn ich den Großen was wegnehme, garantiert es noch nicht, dass sich mein junger Koch was ersparen kann.
Eine Sorge von Gewerkschaft und SPÖ ist, dass weniger Lohnnebenkosten auch weniger soziale Absicherung bedeuten.
Schellhorn
Die Regierung muss im Steuersystem und bei den Ländern sparen, nicht bei den Versicherungsleistungen.
In Deutschland gehen gerade Bauern auf die Straße, um gegen die Abschaffung ihrer Steuerprivilegien zu protestieren. Verstehen Sie den Unmut?
Schellhorn
Ich bin leidenschaftlicher Gastronom und beschäftige mich mit Lebensmittelproduktion. Die Bauern haben eine wahnsinnig gute Lobby, man hat sie zu Subventionsempfängern gemacht, nicht zu Unternehmern. Die Fördergelder kriegen sie unter anderem von der EU, aber gemeinsam mit vielen Einschränkungen, das müsste man entbürokratisieren. Ich verstehe also den Unmut, wenn sie durch Richtlinien mehr leisten müssen und dann weniger kriegen.
Die Regierung in Salzburg ist eine andere als die in Niederösterreich.
Sepp Schellhorn
über Landesregierungen mit FPÖ-Beteiligung
In Deutschland geht es vor allem um Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiungen.
Schellhorn
Hier muss man auch als Bauern in gewissen Situationen verstehen, dass es in der heutigen Zeit andere Lösungen braucht. Es braucht insgesamt mehr Reformbewegung, aber die gibt es eher bei Gastronomen, Verkäufern und Touristen, weniger bei den Produzenten.
Eigentlich hätten Sie dann auch für die EU-Wahl kandidieren können.
Schellhorn
Nein, als Unternehmer werden die Dinge in Österreich entschieden. Wäre ich ein Bauer, würde ich nach Brüssel gehen. Ich bin ein Gastronom, und so gehe ich nach Wien.
Sie haben den niederösterreichischen Ex-Landesrat der FPÖ, Gottfried Waldhäusl, einmal als „aufrechten Nazi“ bezeichnet. Sitzen Ihrer Meinung nach auch welche im Nationalrat?
Schellhorn
Waldhäusl hat sich besonders hervorgetan, so wie andere mit Liederbüchern. Niederösterreich scheint ein besonderes Biotop dafür zu sein. Von Marlene Svazek in Salzburg kann ich das nicht sagen.
Politisches Ziel habe ich aber keines, ich bin ja auch nicht Parteichef.
Sepp Schellhorn
Was unterscheidet sie von Udo Landbauer oder Waldhäusl?
Schellhorn
Die Ideologie und der Duktus, wie sie spricht und was sie sagt. Die Regierung in Salzburg ist eine andere als die in Niederösterreich.
Ist Herbert Kickl auch anders als Landbauer oder Waldhäusl?
Schellhorn
Nein. Provokation und Überreizung ist sein Programm. Es geht nicht um die Zukunft, sondern um Aufmerksamkeit.
Was ist eigentlich Ihr politisches Ziel?
Schellhorn
Ich habe eine unternehmerische Mission: Ich will, dass Mitarbeiter bei gleichem Brutto zehn Prozent mehr Netto verdienen. Politisches Ziel habe ich aber keines, ich bin ja auch nicht Parteichef.
Würden Sie es gerne sein?
Schellhorn
Nein. Das Letzte, was Österreich braucht, ist, dass auch die NEOS eine Obfraudebatte haben.
Fotos: Alexandra Unger
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Iris Bonavida
ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.