Der „Standard“ berichtete über Vorwürfe gegen Lena Schilling. Sie hat sich unter anderem in einem Vergleich dazu verpflichtet, nicht mehr über Gewaltvorwürfe in einer Ehe von ehemaligen Freunden zu sprechen und soll, so der Bericht, in anderen Fällen die Unwahrheit verbreitet haben. Ihre Glaubwürdigkeit als Kandidatin wird dadurch infrage gestellt. Wie beschädigt ist die grüne Wahlbewegung?
Maurer
Lena Schilling ist eine junge, engagierte Frau und Politikerin, und es war die absolut richtige Entscheidung, mit ihr in die Wahl zu gehen. Wir wussten, dass es dreckig werden wird, insbesondere, wenn eine junge Frau so erfolgreich ist. Es ist eine Kampagne, die aus Gerüchten, Behauptungen und privaten Geschichten besteht, die mit Politik absolut gar nichts zu tun haben. Die Gerüchteküche in der Politik brodelt natürlich immer. Aber ich habe so etwas noch nie über einen Mann gelesen.
Sie sprechen von einer Kampagne, es wurde auch schon eine organisierte Kampagne genannt. Von wem soll diese angebliche Kampagne stammen?
Maurer
Es ist keine Kampagne eines Mediums, das möchte ich hier explizit sagen. Aber sie wird in die Medien getragen. Es gab sehr viele Gerüchte, die wurden auch an uns herangetragen. Es ist eine Schmutzkübelkampagne, die dazu dient, die grüne Wahlkampagne zu beschädigen. Aber wir lassen uns davon nicht beirren.
Der Unterlassungs-Vergleich ist aber kein Gerücht. Das ist Fakt.
Maurer
Das ist der einzige Punkt, der nicht Hörensagen ist. Aber dieser Vergleich wurde geschlossen, um zu garantieren, dass bestimmte Behauptungen nicht in die Öffentlichkeit kommen. Lena Schilling hat sich Sorgen um eine Freundin gemacht und hat das mit ihrem engsten Umfeld besprochen. Das ist etwas, das wir in der Gewaltprävention richtig finden.
Aber offensichtlich ist die Situation dann eskaliert, wenn es zu einem Vergleich kommen musste.
Maurer
Daraus sind Kränkungen entstanden. Den Vergleich hat Lena Schilling unterschrieben, um auszusagen: Es tut mir leid, dass Kränkungen entstanden sind, und ich unterlasse bestimmte Behauptungen. Es gab kein Gerichtsverfahren, und es sind auch keine 20.000 Euro bezahlt worden. Der Betrag ist eine Bemessungsgrundlage für Gerichtsgebühren, die einen Bruchteil davon betragen.
Die Gerichtsgebühren hat Lena Schilling bezahlt?
Maurer
Genau, die Kosten für den Vergleich und die Gerichtsgebühren hat Lena Schilling persönlich bezahlt.
„Gefurze und Gemurkse“ nannte Werner Kogler die ganze Geschichte. Ist das nicht abwertend?
Maurer
Damit hat er, das ist mir wichtig, auch nicht die Berichterstattung gemeint, sondern Gerüchte, die von irgendwelchen Leuten erzählt werden und null überprüfbar sind. Die kommentieren wir nicht.
Aber warum gehen Sie nicht genauer auf die Berichterstattung ein und sagen, was Ihrer Meinung nach falsch ist?
Maurer
Ich kann ein Beispiel nennen, was an der bisherigen Berichterstattung nicht korrekt ist. Die 20.000 Euro habe ich schon erwähnt. Ich möchte aber vor allem auf die Sache mit Clemens Stammler zu sprechen kommen, die ebenfalls nicht richtig berichtet wird.
Er war Nationalratsabgeordneter der Grünen. profil berichtete im Oktober, dass er an einem Abend im Wiener Club U4 einen Journalisten tätlich angegriffen hatte. Danach trat er zurück.
Maurer
Er ist zurückgetreten, weil er im alkoholisierten Zustand einen Journalisten verletzt hat. Er hat sich für den Fehler entschuldigt und hat mit seinem Rücktritt die Konsequenzen daraus gezogen. Wer sonst noch im U4 war und wer wen angeblich dorthin eingeladen hat, ist irrelevant. Wir wollten damals alle Beteiligten schützen. Es tut mir auch für ihn leid, dass das jetzt noch einmal diskutiert wird, in einer Art und Weise, wo man sich kaum dagegen wehren kann. Es ist falsch, dass er wegen einer körperlichen Belästigung an einer Frau zurückgetreten wäre. Ich habe damals auf explizite Frage einer Abgeordneten gesagt, dass es keinerlei solcher Vorwürfe gibt. Dazu können wir Stellung nehmen. Zu Gerüchten über Gerüchte über Gerüchte nicht.
Dennoch gibt es einen gewissen Unmut im Klub, der „Standard“ zitiert namentlich nicht genannte Abgeordnete. Offensichtlich macht das etwas mit der Partei.
Maurer
Wenn man sechs Wochen lang Gerüchte im Hintergrund herumerzählt, verfängt sich das. Dass dann irgendwo auch Skepsis auftaucht, ist nachvollziehbar.
Sie sagen aber selbst, dass es Skepsis gibt. Gab es eine Aussprache zwischen Lena Schilling und den Abgeordneten?
Maurer
Wir haben den Abgeordneten von diesen Dingen, die belegbar sind, erzählt. Das ist einerseits der Vergleich, andererseits der Rücktritt von Stammler, da waren die Abgeordneten live dabei. Es gibt im Klub einen starken Rückhalt. Beim Wahlkampfauftakt am Dienstag haben Lena Schilling 200 Personen unterstützt und auch am Mittwoch haben wir auf einer Pressekonferenz klar verdeutlicht, dass die gesamte Partei hinter ihr steht.
Wenn das lediglich „Gefurze“ ist, wie Kogler sagt, warum sind bei dieser Pressekonferenz gleich fünf Spitzen-Grüne aufgetreten – Kogler, Leonore Gewessler, Stefan Kaineder, Sie und Schilling?
Maurer
Wir brauchen nicht darüber diskutieren, dass diese Berichterstattung eine sehr ungewöhnliche Sache ist. Die Behauptungen und Vorwürfe sind natürlich massiv, daher wollten wir ein deutliches Zeichen setzen, dass wir hinter ihr stehen.
Für wie zulässig halten Sie es, den Charakter von Politikerinnen und Politikern zu thematisieren? Das steht ja hinter der Berichterstattung. Haben die Wählerinnen und Wähler nicht ein Anrecht darauf, etwas über Charaktereigenschaften von Spitzenpolitikern zu erfahren?
Maurer
Natürlich kann man Menschen in der medialen Berichterstattung porträtieren, ich kenne das ja auch aus meiner Biografie, dass es die eine oder andere Zuschreibung gab. Natürlich ist eine Charakterbeschreibung zulässig. Aber bei Lena Schilling wird ein Bild gezeichnet, das aus meiner Sicht völlig an den Haaren herbeigezogen ist. Noch dazu mit ausschließlich anonymen Behauptungen. Es ist bedenklich, dass so etwas bei einer jungen Frau passiert. Ich habe keine Charakteranalyse eines Herrn Harald Vilimsky von der FPÖ gelesen.
Über so einen Vergleich von Harald Vilimsky hätte man vermutlich auch berichtet.
Maurer
Das weiß ich nicht. Es geht aber um die Personen, die im Hintergrund diese ganzen Gerüchte verbreiten. Was glauben Sie, wie viele Gerüchte ich jeden Tag über irgendwelche Leute oder auch über mich höre? In dieser Form habe ich das bei einem Mann noch nie erlebt. Und damit meine ich ausdrücklich die Gerüchteküche im Hintergrund, nicht den „Standard“-Bericht.
Lena Schilling war junge Aktivistin und wurde zur Quereinsteigerin. Für gewöhnlich machen Parteien eine Art Background-Check und prüfen, ob etwas gegen Kandidatinnen oder Kandidaten verwendet werden könnte. Haben Sie mit ihr über diese Gerüchte damals gesprochen?
Maurer
Nein. Diese ganzen Gerüchte sind ein Ergebnis der vergangenen sechs Wochen und kamen erst nach der Kandidatur von Lena Schilling auf.
Schilling selbst hat gemeint, dass es schwieriger wird, Menschen in die Politik zu bringen.
Maurer
Ich möchte verhindern, dass es möglich ist, Kandidatinnen über Gerüchte und Behauptungen über Dritte aus dem Privatleben so anzugreifen, dass sie ihren Job nicht mehr machen können. Es ist schon auch eine Verrohung in der Debatte. Was zählt, sind politische Inhalte und nicht unbelegte Gerüchte über Dritte. Es ist doch eigentlich Konsens, dass Politikerinnen und Politiker ein Privatleben haben dürfen.
Haben die Grünen nun ein Glaubwürdigkeitsproblem?
Maurer
Wir hätten ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn wir in so einer Situation sagen würden, wir ergeben uns und stehen nicht hinter unserer Spitzenkandidatin. Die, die Gerüchte verbreiten, sind das Problem. Uns geht es um Inhalte und nicht um unbestätigte Behauptungen. Zu allem, was wir politisch machen und was konkret am Tisch liegt, wird es Stellungnahmen geben.
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.