Sommergespräch: Hans Knauss über den ÖSV und die steirische Politik
profil: Herr Knauss, wie lange haben Sie von Schladming nach Wien gebraucht? Hans Knauss: Drei Stunden und 15 Minuten. Ich bin mittlerweile ein entspannter Autofahrer, und die Ennstal-Bundesstraße ist eine "Erlebnisstraße“. Da ist es gescheiter, man klemmt sich bis Liezen hinter einen Lkw.
profil: Sie waren nach der Skikarriere Sieger mehrerer Sportwagenrennen. Privat drücken Sie nicht aufs Gas? Knauss: Nein, die Autorennen waren diesbezüglich eine Therapie für mich. Ich habe gesehen, wie weit man fliegen kann, wenn man einen Fehler macht. In Silverstone und am Salzburgring hat es richtig geknallt.
profil: Nimmt man vom Skifahren den Geschwindigkeitsrausch mit? Knauss: Kann sein. Du bist das ganze Leben darauf ausgerichtet, möglichst schnell zu sein. Wir haben manchmal sechs Trainingsläufe gemacht, dann packst du zusammen, fährst mit dem Auto weg und merkst nach ein paar Minuten, dass du eigentlich viel zu schnell unterwegs bist. Da muss man aufpassen.
profil: Hatten Sie beim Skifahren nie Angst, sich das Genick zu brechen? Knauss: Wenn ein Kollege schwer verunglückt ist, habe ich schon gegrübelt: Was mache ich da eigentlich? Ich könnte der Nächste sein. Das war ein ungutes Gefühl, bis ich wieder auf dem Ski gestanden und den Aufwärmlauf gefahren bin. Da konzentriert man sich dann auf die Piste, und die Angst ist weg.
profil: Sie hatten selbst mitten in Ihrer Karriere eine schwere Verletzung. Knauss: Ja, ich habe zu früh mit dem Training begonnen und eine Kniegelenksinfektion bekommen. Wenn du dann zurückkommst, ist der Anfang schon ungut, vor allem, wenn du das erste Mal dort vorbeifährst, wo es dich geschmissen hat.
profil: Haben Sie Spätfolgen? Tut Ihnen etwas weh? Knauss: Nur der untere Rücken. Es ist eine Abnützung. Aber ich stehe eigentlich noch gut da.
profil: Sind die Speedläufer oder die Slalomläufer hinterher mehr kaputt? Knauss: Die Speed-Leute kann es natürlich furchtbar erwischen, siehe Hans Grugger. Mit einem Crash kann alles vorbei sein oder sehr viel. Was die Abnützung betrifft, sind die Slalomfahrer gefährdeter. Beim Riesentorlauf gibt es seit zwei Jahren die blöde Regelung mit den Taillierungen. Die Burschen müssen Ski mit 1,95 Metern Länge fahren. Das geht in den Rücken und in die Knie. Ich bin dem Herrgott dankbar, dass ich so aus dem Rennsport aussteigen konnte.
profil: Peter Schröcksnadel oder Anna Fenninger: Wer hat recht? Knauss: Zum Streiten gehören immer zwei. Ich bewundere den Mut der Anna Fenninger, ich schätze sie als Skifahrerin und als Mensch. Es taugt mir, dass sie durchzieht, was ihr gegen den Strich geht. Ich bin auch kein Liebhaber dieses Systems, aber als Athlet sollte man wissen, dass Werbung für ein Konkurrenzprodukt eines ÖSV-Hauptsponsors ein No-go ist. Vielleicht hat Annas Manager von Anfang an den Kontakt zu wenig gesucht. Man kann sich als gute Athletin wie Anna in diesem System sehr schnell nicht wohl fühlen.
Gegen den ÖSV zu arbeiten, ist halt ein Kampf gegen Windmühlen.
profil: Haben Sie sich wohlgefühlt in diesem System? Knauss: Nein - und viele andere auch nicht. Ich freue mich deshalb ja auch, dass einmal jemand die "Pappen“ aufreißt. Das ist gut für den Sport, obwohl ich ohne ÖSV nichts wäre. Wir waren keine wohlhabende Familie. Der Vater hat beim Lift gearbeitet, die Mutter war Hausfrau mit sechs Kindern. Wie hätte ich das ohne Unterstützung des Verbands schaffen sollen? Wenn du dann aber so erfolgreich bist wie die Anna, empfindest du dieses System als sehr ungerecht. Alleine könntest du für dich viel mehr rausholen. Das muss in Zukunft noch feiner abgestimmt werden.
profil: Sie meinen leistungsbezogener? Knauss: Ja. Anna ist ein ganz großer Star, auch was den Marktwert und die Beliebtheit betrifft. Gegen den ÖSV zu arbeiten, ist halt ein Kampf gegen Windmühlen.
profil: Haben Sie das einmal versucht? Knauss: Ich hatte gewisse Reibereien. Ich war ja nicht so eine dicke Nummer wie die Anna, aber ich hatte auch meine Diskussionen mit Schröcksnadel, die wir aber immer "unter Männern“ geregelt haben. Ich bin kein Systemtyp, sondern extrem freiheitsliebend. Andererseits wäre ich ohne das System nie dort gelandet. Für mich ist das größte Alarmzeichen der fehlende Nachwuchs, was man ja auch an den heurigen Ergebnissen erkennt. Die Spitze vorne übersieht, dass wir hinten ausbluten.
profil: Warum kommen nur so wenige Talente nach? Knauss: Die Schule ist wichtiger geworden. Gott sei Dank wird darauf geachtet, dass die Jungen eine gescheite Ausbildung bekommen. Alles andere wäre ja auch ein Wahnsinn. Die Eltern müssen die Kinder viel länger aushalten. Wenn jemand sehr gut fährt, verdient er mit 19 oder 20 das erste Geld - aber die meisten verdienen nie etwas. Dieses Risiko können sich viele Familien nicht leisten.
profil: Früher sind alle Wiener Schulen auf Skikurs gefahren. Das gibt es kaum noch. Verliert der Skisport insgesamt an Bedeutung? Knauss: Das war noch die heile Welt, als ganz Ostösterreich auf Skikurs gefahren ist. Aber das liegt nicht unbedingt am Finanziellen, da gäbe es schon Angebote. Es gibt heute einfach viel mehr Möglichkeiten, junge Leute sportlich zu beschäftigen. Warum soll man unbedingt Skifahren gehen? Durch die Zuwanderung gibt es auch viele Familien, die nie Kontakt mit dem Skisport hatten.
profil: Kann man eigentlich vom ÖSV-Skiteam sprechen? Es fährt doch jeder für sich. Knauss: Du lebst im Team, trainierst gemeinsam, und dein Zimmerkollege kann dein größter Konkurrent sein. Aber man schaukelt sich auch gegenseitig nach oben. Wir haben einander nicht immer gern gehabt, aber wir haben einander respektiert und uns die Latte hochgelegt.
profil: Bei der WM 1999 in Vail haben Sie die Goldmedaille um eine Hundertstelsekunde verpasst. Hermann Maier und Lasse Kjus haben sie zeitgleich gewonnen. Konnten Sie sich mit dem Teamkollegen freuen? Knauss: Nein. Das eigene Hemd ist dir näher, und dieses Hundertstel hat mich natürlich voll angezipft. Noch heute frage ich mich manchmal: Warum hat das nicht sein sollen, warum habe ich den Weltmeistertitel so knapp verpasst? Vielleich hat es seinen Grund, vielleicht wäre ich dann abgehoben gewesen.
profil: Glauben Sie an ein lenkendes Schicksal? Knauss: Das Leben ist fair mit mir. Mir geht es gut. Der Familie geht es gut. Meine Frau und meine zwei Kinder sind gesund. Rückblickend sage ich: Das war eine geile Zeit, auch wenn ich manche Siege knapp verpasst habe. Ich habe viel Glück gehabt.
Das kleine Österreich braucht auch etwas, wo es sagen kann: Da sind wir die Nummer eins in der Welt.
profil: Inwieweit hat man eigentlich im Kopf, dass man "für Österreich“ fährt? Knauss: Das merkt man, wenn die Fangemeinde sagt: "Wir haben gewonnen.“ Wenn du gewinnst, sind alle mit dabei. Wenn du verlierst, bist es du selbst. Aber nur wegen des Geldes zu fahren - das wäre zu wenig. Wertschätzung in der Öffentlichkeit und bei den Fans war sehr wichtig für mich.
profil: Bei anderen Sportarten ist das anders. Der Golfer spielt für sich selbst, der Formel-1-Star fährt für Ferrari oder Red Bull. Beim Skifahren sagt man: "Der fährt für Österreich“ und nicht "Der fährt für Head“. Knauss: Das kleine Österreich braucht auch etwas, wo es sagen kann: Da sind wir die Nummer eins in der Welt. Selbst in Ländern, wo nicht Ski gefahren wird, hat Österreich durch den Skisport einen gewissen Bekanntheitsgrad.
profil: Österreichs Attraktionen: der Stephansdom, das Riesenrad, die Mausefalle … Knauss: Oft kennt man ganz etwas anderes. Ich war in den USA mit dem Motorrad unterwegs und habe mich einmal nach dem Weg erkundigt. Da fragte mich der, woher ich komme. Als ich Österreich gesagt habe, sind ihm zwei Sachen eingefallen: Das erste war Arnold Schwarzenegger, das zweite war Glock - ein österreichischer Pistolenhersteller.
profil: Sie hatten eine schwierige Zeit nach einem positiven Dopingtest. Ihnen wurde nicht geglaubt, dass Sie das mit einem verunreinigten Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen haben. Die Firma hat Ihnen später Schadenersatz bezahlt. Aber war das schon ein Schuldeingeständnis? Knauss: Ja, das war es. Ich habe damit meine Unschuld beweisen können. Geglaubt wurde mir von Anfang an, denn sowohl die FIS, als auch der CAS in Lausanne haben mich der Vorsätzlichkeit freigesprochen. Nachdem ich die Firma geklagt habe, wurde mir ein Vergleich angeboten, der ein klares Schuldeingeständnis des Herstellers war. Diese eineinhalb Jahre, in denen ich gesperrt war, haben mich extrem getroffen, es war das mein absoluter Tiefpunkt. Ich habe zwei, drei Monate lang nicht durchgeschlafen. Das hat mich zermürbt. Ich habe in den Spiegel geschaut und gesehen, dass ich alt werde. Als ich komplett am Sand war, hat meine Mutter gesagt: "Bua, wer weiß, für was es gut ist.“ Ich habe gesagt: "Wenn der Schmarr’n zu was gut ist, verstehe ich die Welt nicht mehr.“ Im Nachhinein sehe ich es anders: Es war eine große Prüfung, und heute stehe ich umso fester auf eigenen Füßen. Aber das Leben kann ganz schön hart sein.
profil: Wie haben die Leute auf der Straße reagiert? Knauss: Beim ersten Mal einkaufen haben sie mich angeschaut, als wäre ich ein Aussätziger. Sie haben nicht mehr gewusst, wie sie mir entgegentreten sollen. Das war sehr ungut, das hat mich fertiggemacht. Ich war ja immer der Strahlemann. Einmal bin ich drei Tage lang nicht mehr aus dem Haus gegangen und habe nur noch telefoniert. Aber von 100 Briefen und Internetpostings waren 90 Prozent aufmunternd, Heute bin ich diesen Schreibern sehr dankbar. Und für die, die auf mich hingehaut haben, habe ich Verständnis.
Wir leben nach wie vor in Wohlstand, und wir müssen den Flüchtlingen helfen.
profil: Ist Doping im Skisport verbreitet? Knauss: Nein, ich glaube, dass wir noch ein heiliger Sport sind, was das betrifft. Wir haben es auch leichter als der Radsport. Du brauchst kein Doping, um ein Rennen zu gewinnen.
profil: Skirennläufer nehmen jedenfalls jede Menge Schmerzmittel. Knauss: Entzündungshemmer sind im Skisport schon an der Tagesordnung. Das gibt mir zu denken.
profil: Ein anderes Thema: Wie viele Moscheen gibt es in der Umgebung von Schladming? Knauss: Ich kenne bei uns keine Moschee.
profil: Warum hat in der Steiermark dann eine Partei mit dem Slogan: "Neue Wohnungen statt neuer Moscheen“ gerade die Wahlen gewonnen? Knauss: Das war ein sehr irreführender Slogan, mit dem diese Partei offenbar die Leute stark beeinflussen konnte. Darum ist es wichtig, solche Aussagen immer intensiv zu hinterfragen.
profil: Welche Rolle spielt in Ihrer Region die sogenannte "Ausländerproblematik“? Knauss: Wir haben in der Region Schladming kein Ausländerproblem. Die Zuwanderer arbeiten bei uns vorwiegend in der Gastronomie und sind voll integriert. Wir Skifahrer sind ja eigentlich auch das halbe Jahr Ausländer - klarerweise unter anderen Umständen. Kontrolliert gehört der Zustrom natürlich. Aber die Leute, die wir hereinlassen, sollten wir gut versorgen und beschäftigen. Wir leben nach wie vor in Wohlstand, und wir müssen den Flüchtlingen helfen.
profil: Der ehemalige Landeshauptmann Franz Voves und sein Stellvertreter Hermann Schützenhöfer haben etwas Ungewöhnliches gemacht: Sie haben notwendige Reformen durchgezogen, auch wenn sie unpopulär waren. Warum haben die Wähler das nicht belohnt? Knauss: Ich bin von vielen Leuten aus anderen Bundesländern angesprochen worden, die diese Arbeit unserer Landesregierung sehr geschätzt haben. Ich habe das auch gut gefunden, vor allem haben mir diese beiden Politiker das Gefühl gegeben, gemeinsam für uns Steirer da zu sein und nicht nur für die Partei. Vielleicht werden Sachen in der Politik erst nach viel längerer Zeit belohnt.
profil: Haben die Gemeindezusammenlegungen eine große Rolle gespielt? Knauss: Ja sicher. Für mich ist die Zusammenlegung kein Problem. Aber sie ist falsch angegangen worden, man ist zu radikal über andere Meinungen drübergefahren. Ich war dafür. Die Bürokratie ist in Österreich auch so noch viel zu aufgeblasen.
Angela Merkel verdient höchsten Respekt. Die macht das toll.
profil: Haben Sie einen Lieblingspolitiker? Knauss: Es gibt in fast jeder Partei gute Köpfe. Ich glaube zum Beispiel, dass Finanzminister Hans Jörg Schelling ein Top-Mann ist. Als Sportler bin es gewohnt, dass ich mir langfristige Ziele setze. Nun haben wir einen der höchsten Steuersätze in der EU. Ich bin in diesen schwierigen Zeiten einverstanden damit, aber auch die Regierung sollte sich ein Ziel setzen. Wenn sie sagt: Jetzt müssen wir reinbeißen, aber in in vier Jahren geht es schrittweise deutlich hinunter mit dem Steuersatz, dann gäbe es viel mehr Verständnis.
profil: Das ist schwierig, weil Sachen passieren, die man nicht vorhersehen kann, wie die Wirtschaftskrise oder der Zusammenbruch einer Großbank. Knauss: Ein bisschen absehbar ist es schon. Mir fehlt in der Politik oft auch die Motivation. Wir sollten den Deutschen wieder die Stirn bieten können. Vor zehn Jahren haben die noch zu uns heraufgeschaut. Jetzt müssen wir neidisch sein - denen geht es besser. Angela Merkel verdient höchsten Respekt. Die macht das toll.
profil: Für die Ö3-Spendenaktion haben Sie im Vorjahr "Es wird schon glei dumpa“ gesungen. Leider ist das Video nicht mehr verfügbar … Knauss: Bin ich froh! Das war fürchterlich.
profil: Auch wenn’s nicht zur Jahreszeit passt: Könnten Sie es wiederholen? Knauss: Nein!!!
Hans Knauss, 41 Der gebürtige Schladminger ist mit sieben Weltcupsiegen einer der erfolgreichsten Skirennläufer Österreichs. Seit einigen Jahren ist Hans Knauss als Sportkommentator für den ORF tätig.