Donauinselfest. Größte Parteiveranstaltung der westlichen Welt
Bauer sucht Politik: Staffel III, Folge 5

Sommerzeit und SPÖ: Reif für die Donauinsel!

Fährt das Virus U-Bahn? Und wem verdanken es die Einwohnenden, dass Wien so lebenswert ist? Der SPÖ? Oder den Habsburgern?

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Das Wiener Donauinselfest ist die größte Parteiveranstaltung der westlichen Welt. Gastgeber ist die Wiener SPÖ, bezahlt wird die Gaudi vom Rathaus. So muss Sozialismus! Dazu kam oder kommt Sponsoring durch städtische Betriebe wie Wien Energie, Wien Holding oder Flughafen Wien, die das Donauinselfest nicht etwa auf Anregung der SPÖ fördern, sondern natürlich wegen des Werbewerts. Schließlich kommen laut Rathaus-Korrespondenz alljährlich drei Millionen Besucherinnen und Besucher. Nach einer Wahlniederlage brachte es der frühere Bürgermeister Michael Häupl einmal so auf den Punkt: „Wenn uns alle wählen, die aufs Donauinselfest kommen, hätten wir kein Problem.“ Mit drei Millionen Stimmen bei zwei Millionen Einwohnern würde sich eine absolute Mehrheit für die SPÖ wohl ausgehen.

Auch an diesem Wochenende sind die Massen wieder auf der Insel unterwegs. Die meisten reisen mit der U1 an, einzelne Betrunkene reisen schwimmend wieder ab. In den vergangenen zwei Jahren war das Fest Corona-bedingt ausgefallen, zur Enttäuschung der SPÖ. Wenigstens sparten sich das Rathaus und die städtischen Betriebe die Millionen-Subventionen. Grünen-Gesundheitsminister Johannes Rauch reagierte auf die Wiederaufnahme des Fests schon sehr wienerisch, obwohl er erst seit März in der Bundeshauptstadt lebt: „Also g'scheit ist es wahrscheinlich nicht, aber zu verhindern ist es auch nicht.“ Dass die Infektionszahlen ausgerechnet jetzt in die Höhe schießen, konnten die Veranstalter nicht wissen. Zu hoffen ist, dass das Virus nicht U-Bahn fährt. Schwimmen kann es mit Sicherheit nicht.

Sorglosigkeit im Corona-Management ist dem Rathaus nicht vorzuwerfen. Im Gegenteil: Bürgermeister Michael Ludwig verordnete den Einwohnenden der Bundeshauptstadt die schärfsten Corona-Beschränkungen des Landes. Das hatte unangenehme Auswirkungen – nicht nur auf die ansonsten gute Laune der Wiener, sondern auch auf das Ergebnis des sogenannten „Global Liveability Index“ des britischen „Economist“-Verlags. Aufgrund genussfeindlicher Restriktionen wie geschlossener Museen und Restaurants wurde Wien 2021 vom ersten auf den zwölften Platz zurück gereiht.

Ein Jahr später ist die rote Welt wieder in Ordnung. Laut „Economist“ handelt es sich bei Wien um die lebenswerteste Stadt der Welt. Demnach besticht Wien durch sein Gesundheitssystem (Krankenhaus Nord?!), das Bildungsangebot (Brennpunktschulen?!), Kultur (Donauinselfest?!) und Infrastruktur (Südosttangente?!). Danke, Sozialdemokratie! Was Wien darüber hinaus attraktiv macht – Weltstadt-Flair, Grünflächen, Multi-Kulti-Atmosphäre – verdankt die Stadt genau genommen den Habsburgern. Abgesehen vom „Global Liveability Index“ hält das rote Wien vom „Economist“ und seinen neoliberalen Vorstellungen (Privatisierungen, Abgabensenkungen, Deregulierungen) ohnehin wenig.

Auf den Plätzen hinter Wien folgen Kopenhagen und Zürich. Kopenhagen hat ja wenig zu bieten außer einer Meerjungfrau, die kleiner ist als die malenden Orang-Utans im Tiergarten Schönbrunn. Und Zürich ist bekanntlich doppelt so groß wie der Wiener Zentralfriedhof, aber nur halb so lustig. Die Konkurrenz für Wien war also überschaubar. Trotzdem vermarktete das Rathaus den ersten Platz so lautstark wie das Video-Telefonat von Bürgermeister Ludwig mit seinem Kiewer Amtskollegen Witali Klitschko, bei dem es sich – wie später bekannt wurde – gar nicht um den echten Klitschko handelte, auch nicht um dessen Bruder, sondern um einen Fake-Klitschko. Kein Grund zur Scham: Die Bürgermeisternden von Madrid und Berlin fielen auf den falschen Klitschko ebenfalls herein. Der Stadtpräsidentin von Zürich wäre so ein Missgeschick wahrscheinlich nicht passiert. Deswegen ist es dort auch nur halb so lustig.

Sie lesen Folge 5 der dritten Staffel einer Serie von Gernot Bauer über die heimische Innenpolitik. Im Juli ist Sommerpause. Alle bisher erschienen Teile von “Bauer sucht Politik” können Sie hier nachlesen.

 

Gernot Bauer

Der profil-Redakteur ergründet seit 20 Jahren Wesen und Unwesen der österreichischen Innenpolitik. 

Alle bisher erschienen Folgen von "Bauer sucht Politik" können Sie hier nachlesen. 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.